Nachdem Toronto ein netter Einstieg war, sprang der Funke im französischen Quebec so gar nicht über. Gut, das Wetter war schlecht. Und die trotzdem vorhandenen Stechmücken wahre Ungeheuer, die für riesige Quaddeln an meinem Hals sorgten, die immer noch nicht weg sind. Und die Landschaft wenig abwechslungsreich. Klar, dafür können sie nichts, die Quebecer. Wofür sie aber was können, ist ihr sagen wir mal etwas rauer Charme. Unsere freundlichen Versuche, mit ihnen französisch zu reden, wurden entweder damit quittiert, dass sie in rasender Geschwindigkeit antworteten oder gleich meinten, wir sollten doch besser englisch sprechen. Und diese Konversation beschränkte sich dann meist auf das Notwendigste.
Richtig aufgeregt hat mich die Fahrerei. Anfangs hielt ich es ja noch für eine anarchistische Marotte, wenn sie konsequent mindestens ein Drittel über der erlaubten Geschwindigkeit durch die Landschaft düsten. Sollen sie ruhig, ist ja ihr Land. Aber, dass sie einem dabei fast auf der Stoßstange hängen, das nervte dann schon zunehmend. „Sorry for obeying your laws.“ hätte ich mir am liebsten hinten ans Auto gehängt.
Ihr merkt, es machte nicht so richtig Spaß. Sie sind nicht unfreundlich, aber eben nicht so herzlich und locker wie die Costa Ricaner oder auch die Amerikaner. Wahrscheinlich sind sie weniger amerikanisch und eher europäisch. Und wir sind’s nicht mehr gewöhnt…
Jedenfalls fassten wir den Plan, Quebec Richtung Süden zu verlassen und dann zu entscheiden, ob wir in die USA fahren. Die Grenze zu Maine ist nicht weit weg und die Neuengland-Staaten waren immer schon ein Wunschreiseziel von mir, wenn auch eher zum Indian Summer. Also brachen wir Richtung Fähre über den Sankt Lorenz-Strom auf und siehe da: strahlend blauer Himmel. Als wollte uns Quebec doch noch von
seiner Schönheit überzeugen, zog es, an der Anlegestelle angekommen, alle Register: vom Ufer aus konnte man in der Ferne die schneeweißen Belugawale dabei beobachten, wie sie ihren Spaß im nährstoffreichen Fluss haben. Der wolkenlose Himmel, der tiefblaue Fluss, die Wale, die wie Delfine durch die sanften Wellen plantschten – doch noch ein schöner letzter Eindruck von Quebec.
Die Fahrt ans andere Flussufer dauert etwas mehr als eine Stunde und von der Anlegestelle in Riviere du Loop nochmals etwa genauso lang bis zur Grenze zu New Brunswick, einer der drei Seeprovinzen Kanadas. Benannt nach dem Königshaus Braunschweig geht es hier sehr britisch zu – obwohl diese Provinz die einzige offiziell zweisprachige Kanadas ist. Die Landschaft ist fast lieblich – Hügel, Wald, Wiesen, Seen und reizende bunte Holzhäuser prägen das Bild. Und: sie jagen einen nicht mehr unerbittlich über die Straßen, sondern halten britisch-höflichen Abstand. Uff… Fast schon amerikanisch ist die stolze Freude der Kleinstädte an Superlativen: wir passieren Florenceville, „French Fry Capital of the World“, weil hier McCain seinen Firmensitz hat und Hartland mit der längsten gedeckten Brücke der Welt. In Grand Falls erwartet uns eine Miniausgabe der Niagara Fälle, allerdings mit etwa derselben Wassermenge. Mit unglaublicher Wucht donnern die Wassermassen über 20 Meter in die Tiefe. Ein ziemlich beeindruckendes Schauspiel.
Endlich kommen wir dann in Woodstock an, fünf Kilometer von der US-amerikanischen Grenze entfernt und sind ganz erstaunt, wie spät es geworden ist. Schon halb elf, komisch.
Am Morgen lassen wir uns Zeit, Checkout ist ja erst um 11, das reicht ja locker für das Spiel Italien – Schweden zum Frühstück, nachdem wir den lahmen Kick unserer Jungs gegen Polen am Tag zuvor verpasst haben. Um halb 11 klingelt das Telefon: ob wir vielleicht mal auschecken möchten? Ähm, ja klar, in einer halben Stunde. Um 11 halt. Das sei es vor einer halben Stunde gewesen, hier gelte Eastern Time. Haben die uns doch glatt beim Grenzübertritt eine Stunde geklaut und wir haben’s nicht gemerkt…
Also schnell weiter. Wir bleiben erst mal in Kanada, New Brunswick macht einen guten Eindruck und der verstärkt sich im Laufe des Tages nur noch. Das Wetter ist wieder traumhaft, die Landschaft absolut idyllisch, da wundert es uns kaum noch, dass uns mitten auf der Straße zwei Rehe freundlich entgegen schauen. Satte grüne Wiesen direkt am Fluss, dazwischen pittoreske Farmen und Wohnhäuser, die Garagen fast größer als das eigentlich Haus, umgeben von perfektem englischen Rasen. In Nackawic erwartet uns ein weiterer Rekord: die weltgrößte Axt. Ja, wow, unfassbar, was man hier alles erleben kann 🙂
Am Ufer vor der Axt legen wir einen Picknick-Stopp ein, der Fluss ist hier besonders breit, es weht ein leichter Wind und die Sonne scheint auf uns herab – perfekt für einen entspannten Nachmittag. Im Supermarkt gegenüber werden wir freundlich begrüßt und verabschiedet – es ist so deutlich anders hier.
Am Abend erreichen wir dann Fredericton, die Hauptstadt von New Brunswick. Was für eine hübsche Stadt, viktorianische Häuser, wieder einmal direkt am Fluss und eine sehr entspannte Atmosphäre. Wir finden eine fast britischen Pub mit sehr gutem Bier und leckerem Essen. Ach, hier gefällt uns Kanada sehr!