Eine Fahrt durch die Republik

So langsam neigt sich der Heimaturlaub dem Ende zu und ohne einen Ausflug nach Hamburg wäre er nicht vollständig. Also begebe ich mich vertrauensvoll in die Hände des deutschen Fernverkehrs und teste zum allerersten Mal einen Fernbus aus. Frankfurt ist das Zwischenziel und der Preis des Postbus mit neun Euro für die Strecke so unschlagbar, dass ich es wage. Zwar fährt er eine ordentliche Verspätung ein, aber das ist zu Sommerferienzeit auf deutschen Autobahnen kein Wunder, mit dem Auto wäre das genauso passiert. Der Bus ist bequem, der Busfahrer freundlich, das WLAN gut, also durchaus Daumen nach oben. In Frankfurt treffe ich Anke und Sonja und in einer Äppelwoi-Wirtschaft in Neu Isenburg verbringen wir einen lustigen Abend. Dem Kellner falle ich sofort als Touristin auf, weil ich nach Verdünnungsmöglichkeiten für den Apfelwein frage. Er macht deutlich, dass er zwar zu jeder Sprudel-Panscherei bereit wäre, aber der echte Genuss nur in purer Form möglich sei. Gut, dann bitte ein Glas reiner Apfelwein. Es schmeckt erstaunlich gut und ich ordere bald nach. „Oi Schoppe Äppelwoi“ fasst der Kellner zusammen und ich zucke zusammen. Die Einheit „Schoppen“ kenne ich doch aus der Pfalz und die ist gar nicht weit weg. Der Schoppen Wein, den man dort durchaus schon mittags konsumiert, ist ein Riesenwasserglas mit einem halben Liter Füllungsvermögen. Nein, das ist mir zu viel. „Nein, ich hätte gerne noch mal genau so ein Glas Apfelwein“ sage ich dem hessischen Wirt. Nun scheint der Schoppen hier tatsächlich nur ein kleines Glas zu sein (in Abgrenzung zum Bämbel, dem Krug, den wir ja noch von Heinz Schenk kennen) und der Mann fühlt sich wohl von mir in seinem Dialekt korrigiert. Also ruft er seinem Kollegen am Tresen zu „Oi Schoppe Äppelwoi für die Dame, aber auf einem silbernen Tablett.“ Hihi, lustig sind sie schon, die Hessen.

P1080733Am nächsten Tag geht’s dann weiter nach Hamburg mit vollem Programm: nicht nur viele Wiedersehen mit alten Freundinnen, sondern durchaus auch touristische Abstecher. Coco hatte schon vor einigen Tagen angekündigt, dass wir unbedingt an die Elbe müssten und obwohl sich das Wetter weniger einladend gibt, machen wir uns mit Kind und Kegel, also Jonathan und P1080741Hunden, auf Richtung Landungsbrücken, steigen dort auf die Fähre, lassen uns auf dem trüben Aussichtsdeck IMG_0556ordentlich durchpusten, von der Gischt nassspritzen und gehen in Övelgönne von Bord. Am Elbstrand harren einige wackere Urlauber aus, es ist Mitte August, da kann einem so ein bisschen Wind und Wetter doch nichts anhaben. In der Strandperle liegen die warmen Decken bereit und ich hätte früher ja nie gedacht, dass ich freiwillig ein Astra trinken würde. Wie haben die es eigentlich geschafft, von der früher verpönten Billigplörre zum Kultbier zu werden?

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P1080768Die Elbe kriegt noch eine zweite Chance, am nächsten Tag bin ich mit Kati verabredet, sie arbeitet in Altona und der Fluss liegt in unmittelbarer Nähe. Nur hat heute wieder der Sommer IMG_0559begonnen, wir genießen die Sicht vom Dockland, essen leckeren Pannfisch in den Markthallen und bummeln später über den Fischmarkt Richtung Landungsbrücken. Noch eine wunderbare Aussicht von der Dachterrasse des Hard Rock Café – von der Elbe kann man gar nicht genug kriegen.

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Und zum Schluss noch ein schöner Abend mit Babette, seit Jahrzehnten nicht gesehen und dabei waren wir Anfang der 80er gemeinsame Globonauten. Mit ihrem Käfer zu viert von Hamburg nach Südfrankreich zum Zelten, wir hatten eine tolle Zeit.

Wow, kaum sechs Tage unterwegs und so viele nette Menschen getroffen. Aber Schottland rückt näher und langsam sollte ich wieder zurück.

Aber was ist eigentlich mit der Deutschen Bahn los?
Einerseits gibt sie einem nach wie vor dieses mittlerweile doch so vertraute Gefühl, für viel Geld auch viel Reise zu bekommen – ein angeblicher Oberleitungsschaden (in der Bahn App heißt es Weichenstörung) verlängert meine Fahrt. Dafür haben sie für das Ticket doppelt abkassiert – das Buchungsportal brach nach dem letzten Schritt ab ohne eine Fahrkarte auszuspucken: „time out“ – wahrscheinlich war es very busy, mein Konto zu plündern, die Abbuchung erfolgte nämlich postwendend. Schön ist auch, dass ich die Bahn für diese Räuberei auch noch bezahlen musste – die gebührenpflichtige Hotline ist die einzige Kontaktmöglichkeit. Aber, was sind 20 ct für 20 Minuten Entertainment, erst in der Warteschleife, dann mit einer pampigen Mitarbeiterin, die meinen Ärger gar nicht verstehen konnte.
Also, eigentlich alles wie gewohnt, außer… Die Zugbegleiter! Als wären deutschlandweit irgendwelche happy pills verteilt worden.
Schon bei der Hinfahrt fiel die Schaffnerin durch echte Freundlichkeit auf und kurz vor der Ankunft in Hamburg gab’s die Durchsage „Das ICE-Team möchte Adrian in Wagen 4 zum 18. Geburtstag gratulieren.“ Ein Lächeln huschte über die Gesichter der Fahrgäste und Adrian wird auch seinen Spaß gehabt haben.
Und dann die Rückfahrt. Der bestgelaunte Schaffner der Republik schreitet gute Stimmung verbreitend durch die Gänge, wird sogar von einem Fahrgast lobend auf seine Freundlichkeit angesprochen, worauf er entgegnet: Dafür sind wir Deutschen doch weltweit bekannt. Fand ich witzig. Das Highlight ist die Durchsage zum Mittagstisch im Bordrestaurant. „Lassen Sie sich begeistern von unserem kulinarischen Angebot“. Da packt mich schon die Neugier. Jetzt nichts gegen das Bordrestaurant, das ein oder andere heiße Würstchen habe ich da auch schon mal konsumiert, es war ein Würstchen und es war heiß, aber begeisternd wäre jetzt gar nicht das, was ich in einem rollenden Restaurant erwarten würde. Aber nett, dass der Mann offensichtlich von seinem Angebot überzeugt ist. Der Besuch auf der Bordtoilette ist dann allerdings eher entgeisternd und die Verspätung weitet sich wegen weiterer Gründe – technische Störung am Gleis (äh?) – aus. Aber die Mitarbeiter sind gut drauf – und das ist doch auch schon mal was.

Reichlich geschafft komme ich in Stuttgart an und das nächste Mal, Ihr Lieben, melde ich mich wohl schon aus Edinburgh!

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