Edinburgh findet sich regelmäßig in den mittlerweile so beliebten Städte-Rankings: beste Lebensqualität in Großbritannien oder auch Stadt mit dem besten Lebensstandard für Ü50er (ach deswegen). Am Wetter kann’s definitiv nicht liegen, aber ein Grund sind sicherlich die zahlreich vorhandenen grünen Oasen in Form von Parks oder wunderbaren Küstengegenden. Über den Stadtstrand in Portobello habe ich ja bereits berichtet, sehr schön ist auch Cramond mit seiner vorgelagerten Insel. Ein paar Kilometer vom Stadtzentrum entfernt kann man hier ein fast ländliches Schottland erleben und Cramond Island hatte zumindest bei meinem Besuch im wabernden Dunst eine sehr mystische Ausstrahlung.
Besonders schön sind die überall vorhandenen Parks. Nie scheint man weiter als 200 Meter von einer Grünfläche entfernt zu sein, Unmengen von Holzbänken laden für eine kurze oder längere Rast ein und werden auch eifrig genutzt. Ein Highlight ist der Royal Botanic Garden, dessen Osteingang praktischerweise ganz in meiner Nähe liegt. Kostenlos wie so viele schöne Dinge in der Stadt wird er eifrig angenommen. Obwohl auch wichtige wissenschaftliche Einrichtung wird für alle etwas geboten: Kinder werden im Obst- und Gemüsegarten bespaßt und mit Pflanzenbau vertraut gemacht, die älteren Ladies treffen sich im Queen Mum-Gedächtnis-Garten, mittendrin in einem hübschen Pavillon findet eine Hochzeit statt und all über all scheint das Motto „Den Rasen bitte betreten!“. Nun sind es ja auch die letzten Sonnenstrahlen des Jahres, die alle noch tanken wollen, und vor allem beim Inverleith House, wo man einen phantastischen Blick auf die Skyline Edinburghs hat, tobt das Leben. Die einzig freie Bank direkt an einer Gartenmauer, die wohlige Wärme abstrahlt, wollte wohl niemand haben (wen wundert’s, hier hat’s bestimmt 20 Grad), ein perfekter Platz für eine Lesestunde.
Aber wir sind ja nicht zum Vergnügen hier, die Kamera muss weiter getestet werden, und die bunten Blumen und zahlreich vorhandenen Insekten sind dankbare Photoobjekte. Es ist ein botanischer Garten, ob das jetzt also heimische Pflanzen sind, kann ich maximal bei den rotbäckigen Äpfeln des Obstgartens sicher sagen. Aber interessant ist es allemal. Der Arzneimittelgarten, die ursprüngliche Keimzelle der Anlage, lässt tief in die schottische Seele blicken – die kargen Sträucher und ihre Früchte dienten vorwiegend entweder der Whisky- und Bieraromatisierung oder der Behandlung von Winterdepressionen. Oder wahrscheinlich beidem gleichzeitig…
Sehr nett anzusehen ist auch das historische Gewächshaus, das höchste in Großbritannien. Das Innenleben hebe ich mir für einen kälteren Tag auf. Und der wird kommen, die Temperaturen fallen beständig und ich muss mir langsam sehr ernsthafte Gedanken über mein nächstes Reiseziel machen. Und das muss so gelegen sein, dass 20 Grad gerne als unnormal angesehen werden – weil zu kalt…