Jetzt war ich einen ganzen Monat in Edinburgh, die Stadt ist überschaubar, das Wetter war meist gut – und doch habe ich drei Attraktionen erst auf den letzten Drücker besucht. Und ich bin froh, dass ich es getan habe, denn es sind echte Highlights.
Da wäre erstmal die National Portrait Gallery, an der ich fast jeden Tag auf dem Weg in die Innenstadt vorbei gefahren bin. Ein imposanter Sandsteinbau und das erste Gebäude weltweit, das für seinen Zweck gebaut wurde: nämlich die Gesichter berühmter und weniger berühmter Schottinnen und Schotten darzustellen. Eigentlich ist der Bau selber schon eine Attraktion für sich: die große Eingangshalle, die sich über drei Etagen erstreckt mit kunstvollen Verzierungen und einem Sternenhimmel, die Treppenhäuser und die Ausstellungssäle. Aber natürlich sollen die Hauptdarsteller die Portraits sein: Königinnen und Könige vergangener Zeiten, schottische Nationalhelden, doch auch Alltagsszenen mit ganz normalen Menschen, Gemälde, Skulpturen und Photographien, alles dabei. Sehr empfehlenswert bis hin zu dem freundlichen Café im Erdgeschoss mit leckerem Kuchen.
Meinen allerletzten Tag in Edinburgh habe ich mit einem kurzen Ausflug ans Meer begonnen. Superwahl, seit einigen Tagen windet es ziemlich und als ich an der Promenade des Firth of Forth ankomme, stürmt es gewaltig, dazu immer wieder Regen und auch mal Sonnenschein, aber so optimal inszeniert, dass mich ein wunderbarer Abschiedsregenbogen erwartet. Das Wasser ist extrem aufgewühlt, ich bin ziemlich schnell ziemlich nass, mit dem Wind zu fahren ist eine Freude, in die andere Richtung eher weniger, aber mein Fahrrad ist sturmtauglich. Oh das Gute, morgen früh muss ich mich von ihm trennen. Ein schöner Ausflug, aber auf Dauer ganz schön kühl und dreckig, Schutzbleche hat mein Drahtesel nämlich nicht. Nach anderthalb Stunden gebe ich auf, heute ist auch meine letzte Yogastunde, also ab zurück. Außer Atem und ganz schön durchgepustet schwitze ich kurz darauf auf der Yogamatte, hatte Yogalehrer John die Mittagsstunde nicht als „very relaxing“ angekündigt? Ich werde alt… Beim Abschied erzählt er mir, dass er sechs Jahre lang Mitglied der britischen Ski-Nationalmannschaft war. Ich wusste gar nicht, dass sie so was haben, den einzigen Briten auf Skiern, den ich je wahrgenommen habe, war Eddie the Eagle. Aber wer kann schon von sich sagen, von einem Skiprofi in die Geheimnisse der Königstaube eingewiesen worden zu sein.
Als alte Royalistin (nein…. Ich trau mich maximal beim Friseur, die entsprechende Fachliteratur zu studieren) habe ich mir den Holyrood-Palast der Queen für den allerletzten Nachmittag aufgehoben. Die Queen weilt im Sommer eines jeden Jahres in Edinburgh und das Schloss ist dann ihre Residenz. Wenn sie nicht da ist, und das ist meistens der Fall, kann man das Castle besichtigen. Und das ist nicht nur wegen der Queen absolut sehenswert. In den Räumen ist das Photographieren leider verboten, sie sind prunkvoll und beeindruckend, aber das ganz besondere ist, dass hier seit Jahrhunderten britische Geschichte geschrieben wird. Mary Queen of Scots hat hier gelebt, Bonnie Price Charlie und ja, ich gebe es zu, ich finde es sehr ergreifend, knapp hinter dem Stuhl zu stehen, auf dem die Queen bei den Festdinners Platz nimmt, den Raum zu betreten, in dem Sean Connery oder Gordon Ramsay zu Rittern geschlagen wurden oder die Queen den Papst empfing. Ich war halt auch lang nicht mehr beim Friseur…
Und zu guter Letzt besuche ich noch das schottische Parlament. Liegt auch nahe, nämlich genau auf der anderen Straßenseite, direkt gegenüber vom Palast und so doch eigentlich fast eine Provokation. Jetzt muss die arme Queen bei ihren Besuchen immer auf die Unabhängigkeitsbestrebungen ihrer schottischen Untertanen blicken und wer weiß, vielleicht residiert hier auch demnächst nicht nur ein(e) First Minister sondern ein echter Premierminister. Es gibt diverse Führungen durch den modernen Bau, aber ich bin langsam müde und hungrig und werfe deswegen nur einen Blick in den Parlamentssaal. Es ist nach fünf, die Abgeordneten schon weg und dann mach ich mich doch auch mal auf den Rückweg.
Tschüß, liebes Edinburgh, es war schön! Ich kann jetzt verstehen, warum Deine Einwohner gerne hier leben, die Stadt, das Meer, die Parks… Aber ganz langsam wird es eindeutig zu kalt hier, der Wind macht ein paar Tage Spaß, nur wenn das jetzt den ganzen Herbst und Winter so weiter geht, suche ich mir lieber ein wärmeres Fleckchen.