Diesen Beitrag widme ich all den Sicherheits- und Brandschutzbeauftragten, mit denen ich je zusammen gearbeitet habe und rufe ihnen zu: ich lebe trotzdem noch! 🙂
Die Tage beginnen früh auf der Insel, perfekt für einen morgendlichen Ausflug zum Wasserfall Tat Somphamit. Nachmittags fallen hier Horden von Thailändern ein, um diesen Ort wegen seiner spirituellen Bedeutung zu besuchen, denn im Wasser sollen die bösen Geister gefangen und die Felsen hinuntergespült werden. Also nutze ich das frühe Aufwachen, schnappe mir ein Fahrrad und bin um kurz nach acht eine der ersten am Wasserfall. Oder besser an den Wasserfällen, denn überall donnert und plätschert es die Steinstufen herunter. Ich berichtete ja schon mal, dass Eric und mich unsere allererste gemeinsame Reise Anfang der 90er nach Venezuela führte und uns seither kein Wasserfall mehr so richtig vom Hocker hauen konnte. Aber Laos hat da doch einiges zu bieten. Also, Venezuela first and could we just make Laos second?
Ich folge dem Lauf des Mekong, die Ausblicke sind unglaublich und außer mir ist nur noch ein Mönch unterwegs, der fleißig photographiert. Ein Strand ist ausgeschildert, will ich da wirklich hin? Aber es ist noch früh, den guck ich mir an. Der Strand selber ist nett, aber nicht aufregend. Dafür aber das Café, dass sie an den Felsen errichtet haben, ein absolut traumhafter Ort. Kleine Bungalows mit weichen Matten ausgelegt, Hängematten, sogar ein Billiardtisch und alles mit diesem spektakulären Blick über den Fluss. Ich bin die einzige an diesem Morgen und für mich drehen sie sogar die laotische Schlagermusik ab. Ich halte mich lange an einer hervorragenden Tasse Kaffee fest und genieße diesen ganz besonderen Ort. Vielleicht noch mal auf ein Beerlao in den nächsten Tagen? Mal schauen.
Der Wasserfall kostet Eintritt und das Ticket ist auch für die Brücke auf die Nachbarinsel Don Det gültig. Das muss doch genutzt werden, gelle? Nach einer Rundfahrt dort habe ich die schöne Gewissheit, dass ich mich für die richtige Insel entschieden habe, der Hauptort dort ist hässlich und touristisch, die einsamer gelegenen Bungalowanlagen sind zwar hübsch, aber dafür muss man wahrscheinlich doch eher 30 Jahre jünger und einem Haschpfeifchen nicht abgeneigt sein. Die Brücke zurück zu meiner Insel ist zugleich ein wunderbarer Ort für einen weiteren schönen Sonnenuntergang und mit einem Beerlao lasse ich den Tag in meinem Lieblingsrestaurant Fasai ausklingen. Die verkaufen auch Touren und über die herzigen Beschreibungen habe ich mich schon in den letzten Tagen amüsiert „It is a trip that could help you to have experience and youcould cate fish we will do BBQ at night, look sound intersting do not miss it.“ Im Angebot haben sie auch eine Kayaktour zu den Irrawaddy Delfinen und die will ich sehen. Also buche ich für den übernächsten Tag die „Wonderfull Tour“. Nach einem gute Frühstück fährt ein klappriges Motorrad vor und ich schwinge mich auf den Rücksitz. Es geht über die Brücke nach Don Det, dann lange über holprige Straßen durchs Inselinnere bis zum dortigen Hafen. Also Fahrradfahren ist deutlich komfortabler… Ich lerne eine ältere Französin aus Guadeloupe kennen, die Asien bereist und von Myanmar schwärmt, als die Tour beginnt, ziehen wir beide die gleichen Strohklapphüte aus unseren Beuteln, die man in Myanmar an jeder Ecke kaufen kann. Eigentlich wollen wir uns ein Kayak teilen, aber die Guides entscheiden, dass die reiferen Damen kräftige männliche Unterstützung brauchen. Schon auf dem Wasser fragt mich mein Guide, wie alt ich denn sei (das ist nach „Where do you come from?“ ganz häufig die zweite Frage hier) und als ich ihm die bittere Wahrheit sage, fällt er fast aus dem Boot. „What? I thought you were 40!“. Der Gute, „You saved my day!“ rufe ich ihm zu und er denkt sich wohl, dass ich körperlich so fit sein muss, dass er mich mal ein bisschen rannehmen kann. So liefern wir uns mehrere Rennen gegen die anderen Kayaks, er feuert mich an „Go!“ und wir gewinnen tatsächlich fast immer. Die schöne Flusslandschaft zieht an uns vorüber und immer mal wieder schummele ich und ziehe das Paddel ohne große Kraft durch’s Wasser, denn meine Arme brennen. Irgendwann kommen wir zu einer Anlegestelle, von der aus uns ein Fußmarsch durch ein Dorf und über verdorrte Reisfelder zu einem kleinen Wasserfall führt, in dem man baden kann. Ich bin hin und hergerissen, es sieht verlockend aus, aber die Strömung ist heftig und alles sehr glitschig. Nachdem ein Großteil der Gruppe schon im Wasser plantscht, springe ich auch hinein, taste mich am Felsen näher an den Wasserfall heran, belasse es dann aber beim erfrischenden Bad. Die Jungspunde klettern sorglos nach oben, da wird sogar der Guide ein wenig nervös. Nach dem Bad geht die Wanderung weiter, mein Magen fängt an zu knurren, da ist dann schon ein Strand in Sicht, an dem es Lunch geben wird. Der Mekong ist hier eher ruhig, also springe ich vor dem Essen noch mal hinein und genieße dann leckeren Salat, eine Art Kartoffelbrei und Baguette. Dann wieder rein in die Kayaks, ich habe ja einen kundigen Steuermann an Bord, die anderen bleiben in den Stromschnellen hängen oder driften ab, Glück gehabt. Der Fluss erweitert sich zu einem See und ab jetzt ist Vorsicht angesagt: hier leben die Delfine. Mein Guide sagt mir, es seien an dieser Stelle noch genau drei übrig. Uh, drei? Ich hake gedanklich meine Delfinbegegnung ab, da prustet es vor uns. Und da sind sie, alle drei. Mehr als die gebogenen Rücken mit der Flosse sieht man zwar nicht, auch noch zu schnell für ein Photo, aber man hört sie. Wir lassen uns treiben, Paddelgeräusche würden sie verschrecken. Immer wieder tauchen sie auf und wir dümpeln zwischendrin, ein schöne Begegnung. Nach einer halben Stunde sind wir glücklich und delfinsatt, also wird weitergepaddelt.
Mein Guide fragt mich „You want to go to Cambodia?“ Ja, ĂĽbermorgen, sage ich ihm. „You go today“ sagt er und steuert das Kayak an ein sandiges Ufer. „This is Cambodia“. Da haben wir doch gerade einen illegalen GrenzĂĽbertritt hingelegt. Ich gehe an Land und er macht ein Beweisphoto. So einfach geht das. Wir paddeln weiter, und wieder muss ich Rennen fahren, nuung, song, saam, sii, haa – eins, zwei, drei, vier, fĂĽnf brĂĽllt es hinter mir und ich gleich mit, laotisches Bootcamp ist das hier. Irgendwann erreichen wir das rettende Ufer und ein wartendes Songthaew, ein offenes Gefährt fĂĽr etwa 20 Personen, die sich auf zwei Sitzbänken auf der Ladefläche gegenĂĽber sitzen. Wir sind etwa 20 und damit ist der Transporter gut gefĂĽllt. Unsere freundlichen Guides schaffen es dann allerdings, auch noch die acht Kanus in und auf dem Gefährt unterzubringen, da entscheide ich mich lieber, auf der Einstiegstreppe Platz zu nehmen – zwar etwas staubig und ich will gar nicht dran denken, wohin ich fliege, wenn der Fahrer abrupt bremst, aber wenigstens kann ich die Beine etwas ausstrecken. Die Fahrt geht ĂĽber Holperwege und eine LandstraĂźe. Irgendwann halten wir links an der StraĂźe und zu FuĂź geht es durch’s GebĂĽsch und wieder ĂĽber ausgetrocknete Reisfelder bis zum Ufer, wo ein Boot auf uns wartet. Langsam kann man das Rauschen von Wasser hören, von viel Wasser. Das Boot hält an einem kleinen Wäldchen und ich sehe sie schon: die wackligen Holzstege, teilweise nass, feuchte vermooste Steine, ĂĽber die man reiĂźende Bäche ĂĽberqueren kann – wenn man es kann. Balancieren, möglichst auf rutschigem Untergrund und bergab – furchtbar. Ich bin da ein riesiger Angsthase und es wird mit den Jahren immer schlimmer. Hoch geht, aber runter… Die ersten Stege meistere ich noch einigermaĂźen, der folgende Abstieg ist schrecklich, aber dann erhasche ich einen ersten Blick auf die größten Wasserfälle SĂĽdostasiens und da will ich hin. Niemand in der Gruppe stellt sich sonderlich an, das kann also kein Hexenwerk sein. Wie ich dann auf den groĂźen Felsen gekommen bin, auf dem man gischtnass direkt in die stĂĽrzenden Wassermassen blicken kann, habe ich verdrängt. Mein Guide hat sich wohl auch wieder daran erinnert, dass ich eben nicht 41 bin und mir immer mal wieder ĂĽber die reiĂźenden Fluten geholfen. Auf der anderen Seite des Flusses sehe ich das Besucherzentrum, auf gut gesicherten Wegen kann man sich den Wasserfall von einer Aussichtsterrasse aus anschauen. Kostet jedoch Eintritt und den wollen sich die Tourveranstalter durch diesen Geheimzugang wohl sparen. Aber – wir sind hier viel näher dran und ich kann es gar nicht glauben, dass ich diesen Weg tatsächlich irgendwie gemeistert habe. Nur halbglĂĽcklich lächele ich in die Kamera, denn der RĂĽckweg steht mir ja noch bevor. Dieser Wasserfall ist wirklich imposant, riesige Wassermasse donnern herunter, der Inbegriff wilder Natur. Als ich dann endlich wieder im Boot sitze, fĂĽhle ich mich groĂźartig. Fast so ein GefĂĽhl wie der Sprung in 40 Meter Tiefe in Costa Rica – ich kann doch mehr als ich mir eigentlich zutraue. Aber trotzdem, das war eine echt gefährliche Aktion, ich war eine der wenigen, die einigermaĂźen feste Schuhe anhatte, die meisten liefen in Flipflops, ein Wunder, dass da noch nichts passiert ist.
Der Rückweg auf meinem Außensitz ist dann trotz nicht geringen Tempos fast ein Kinderspiel. Hinter uns, also quasi Aug in Aug mit mir, fährt der Bus nach Kambodscha, ein wenig vertrauenserweckendes Gefährt. Tagelang habe ich mit mir gerungen, ob ich die 14 Stunden-Fahrt nach Phnom Penh wagen soll, in klapprigen Bussen und über eine der korruptesten Grenzen Asiens, in der die Beamten den Tag damit verbringen, sich irgendwelche Gebühren auszudenken und von den hilflosen Touris zu erpressen. Irgendwann meinte es Eric gut mit mir und lud mich zum Flug ein. Absolut richtige Entscheidung, denke ich mir beim Blick auf das in den Reiseagenturen als „VIP-Bus“ verkaufte Klappergefährt und im Ohr die Horrorstories, die ich heute von meinen Mitpaddlern über den Trip gehört habe.
Wir kommen dann an der Bootsanlegestelle zurück auf meine Insel an, noch 10 Minuten im Motorboot und ich darf endlich in meine Hängematte, die müden Arme und die staubige Kehle mit einem eiskalten Beerlao kühlen. Da fangen die Guides an, die Kayaks aus dem Auto zu laden und zu Wasser zu lassen. Nein! Ich kann nicht mehr! Bitte! So, jetzt lass ich die 51jährige raushängen und frage, ob ich nicht vielleicht das Motorboot nehmen kann. Ich zahl’s natürlich auch. Eine Viertelstunde später ziehe ich an den fleißig Paddelnden vorbei, bin dann zwar auch nicht viel schneller, weil wir ein kleines Motorenproblem haben, aber egal, Hauptsache nicht mehr selber rudern müssen. Mit Seegras in den Haaren und vollkommen verstaubt von der Fahrt auf dem Außensitz komme ich dann an meinem Guesthouse an, erstehe eine Flasche Beerlao und plumpse in die Hängematte. Schön war’s.