Jetzt, wo graue Herbst- und Coronawolken aufziehen, scheint mir ein guter Zeitpunkt für sonnige Erinnerungen an endlose Strände und blaues Meer gekommen zu sein. Wir haben auf unseren Reisen einige sandige Küsten gesehen und mit ganz leichter Wehmut denke ich zurück an den magischen Strand von Casuarina im Norden Darwins, die Traumstrände von Mauritius und Rodrigues oder unseren Privatstrand auf der winzigen philippinischen Insel Pamilacan. Aber: so weit und so südlich muss man gar nicht reisen. Die gute alte Ostsee kann da durchaus mithalten, finde zumindest ich.
Polens Ostseeküste ist fast 500 km lang. Wir haben nur einen winzigen Teil davon gesehen, aber vier ganz unterschiedliche Eindrücke bekommen. Müsste eigentlich für jeden Geschmack was dabei sein.
Nummer 1: Der touristische Strand
Von Elblag aus fahren wir auf die Frische Nehrung. Ganz typisch für die Ostsee sind diese schmalen Sandstreifen, die Haff und Meer voneinander trennen. Etwa 40 km östlich von Danzig beginnt die Nehrung und zieht sich über 70 km bis ins russische Kaliningrad. Der Reiseführer spricht von Partystädtchen in den Hauptorten, deswegen bleiben wir am Fuße der Nehrung im gemächlichen Katy Rybackie. Schön sind die Orte hier nicht, der Verkehr braust auf der Durchgangsstraße und die Ferienhaus-Architektur ist wenig attraktiv. Aber direkt hinter unserer Pension beginnt der Wald, nach ein paar Metern springen doch tatsächlich Rehe über den Weg und in etwa 20 Minuten erreichen wir den Strand. Es ist keine Ferienzeit mehr, allein sind wir hier zwar nicht, aber es verteilt sich. Dies ist die Bernsteinküste, viele Spaziergänger haben den Blick nach unten gerichtet und hoffen auf den großen Fund. Wir machen mit, aber mehr als ein paar stecknadelkopfgroße Bröckchen finden wir nicht. Das Wasser ist viel zu kalt zum Baden, aber der Strand wunderbar zum Laufen. Dieses Licht an der Ostsee ist ganz besonders und zaubert gerade am späteren Nachmittag eine grandiose Stimmung. Schön ist es hier, aber das finden natürlich auch andere und nicht alle wollen einfach nur die Natur genießen. Ein nerviger Jetski-Fahrer lässt erahnen, was hier in der Saison los ist. Und das, obwohl die großen Hotelanlagen hier fehlen. Aber das nahe Danzig sorgt für reichlich Tagesausflügler. An Wochenenden im Hochsommer tobt hier bestimmt das Leben. Mit Kindern hat man wahrscheinlich Spaß, aber für uns ältere Semester braucht’s keine Karussells und Dino-Parks. Stimmungsvoll ist es am späten Nachmittag am Haff. Doch Obacht: Kaliningrad leitet seine Abwässer hier hinein. Man riecht zwar nichts, aber die Wasserqualität soll sich in Grenzen halten. Sehr schade um die idyllische Landschaft. Die zwei Tage sind nett, aber einen längeren Urlaub würden wir hier nicht verbringen wollen.
Nummer 2: Der Stadtstrand
Oh glückliche Städte mit eigenem Strand!
Das gleich mit mehreren Traumstränden gesegnete Darwin habe ich schon erwähnt, Sydneys legendären Bondi Beach fanden wir enttäuschend, Mumbais Chowpatty ist interessant, hat aber ein Müllproblem. Rostocks Warnemünde habe ich in allerbester Erinnerung, trotz gefühlter Windstärke 12. Perfekt fanden wir Tel Aviv, der Trumpeldor Beach hat einfach alles, was man sich von einem Stadtstrand so erwartet, weißen Sand, gute Stimmung und kühles Bier. Auch Danzig hat einen eigenen Strand, man erreicht ihn mit der Fähre zur Westerplatte und er ist durchaus schön. Aber wahrscheinlich eher für die Danziger selber. Was für ein Luxus, nach der Arbeit noch kurz an den Strand gehen zu können, aber sicherlich kein Grund, das wunderbare Danzig extra deswegen zu besuchen. Beim Ausflug auf die Westerplatte haben wir allerdings sehr gerne noch etwas mit den Füßen im Meer geplanscht.
Nummer 3: Das Strandbad
Die Strandbäder in Pommern zogen ab Mitte des 19. Jahrhunderts Badegäste an. Kolberg ganz vorneweg, aber auch Henkenhagen spielte durchaus oben mit, wenn’s um die gediegene Sommerfrische ging. Auch heute noch sind die Ostseebäder an der pommerschen Küste beliebt – vor allem bei älteren Urlaubern, die das Ganze mit Kuren und Wellness verbinden. Letzteres haben wir auch nötig und so mieten wir uns für drei Nächte in einem Kurhotel in Ustronie Morskie, dem früheren Henkenhagen, ein. Und machen einfach mal gar nichts. Außer essen – Halbpension ist im günstigen Preis inbegriffen – , bissle strandspazieren und uns massieren lassen. Unterstützt werden wir dabei von der nicht vorhandenen Sonne. Trüb, kühl und nass, das lädt dazu ein, gemütlichst einfach mal im wirklich bequemen Bett zu bleiben. Die Massagen sind hervorragend und preiswert, wie eigentlich überall in Polen ist das Hotel blitzeblank, das Zimmer modern und gut ausgestattet und das Essen für den Preis wirklich ok. Der Ort ist gewöhnungsbedürftig, die Hotels quetschen sich entlang der engen Strandpromenade und der eigentliche Strand ist hier schmal. Im Speisesaal gehören wir zu den jüngeren Gästen, viele davon Deutsche, die sich morgens vor dem Konsulationszimmer des Arztes drängen. Es ist Nebensaison und viele Restaurants im Ort sind bereits geschlossen. Vielleicht auch, weil Gäste hier gerne Halb- oder gar Vollpension gebucht haben. Aber die verrammelten Buden an der Hauptstraße zeigen deutlich: im Sommer geht’s hier ab. Wir sind froh über drei erholsame Tage und genießen die Massagen, aber dann ist auch gut. Ob wir hier in der Hochsaison eine ganze Woche aushalten würden? Eher nicht.
Nummer 4: Der Nationalpark
Und das beste dann zum Schluss! Im Slowinski-Nationalpark werden alle Ostseeträume wahr. Wir kommen erst am frühen Nachmittag in Leba, dem tourisitischen Zentrum im Osten des Nationalparks an. Dahinter geht es ein kurzes Stück mit dem Auto weiter, dann aber nur noch zu Fuß. Wir laufen durch einen hübschen Nadelwald, bunte Pilze leuchten im Moos, ab und an sieht man eine sandige Düne im Hintergrund. Es duftet nach Harz, Sonne und Meer. Auf dem weichen Waldboden läuft es sich angenehm, aber es zieht sich. Nach etwa drei Kilometern scheint erst Halbzeit zu sein auf dem Weg zum Meer. Besichtigen kann man hier deutsche Raketen-Abschussrampen, die gen England zielten, aber das lassen wir aus. Nach etwa einer Stunde kommen wir am Rand einer Düne an. Ab hier geht es nur noch barfuß weiter und was zunächst wie ein Dünchen aussah, entwickelt sich nach kurzem Aufstieg zum riesigen Sandmeer. Diese Düne ist gigantisch. Die polnische Sahara, haben wir lächelnd gelesen, aber so falsch ist der Vergleich nicht. Heller feiner Sand wohin man blickt, Sandhügel, Sandtäler und im Hintergrund die tiefblaue Ostsee. Nur ein Teil des riesigen Sandkastens ist begehbar, der Rest abgetrennt und ganz der Natur überlassen. Schienen es uns unten doch einige Menschen zu sein, die die Düne besteigen wollten, ist hier alles so groß, so weitläufig, dass man sich fast allein vorkommt. Das haben wir nicht erwartet. Weiter hinten führt eine sandige Schlucht zum Meer, nach links und nach rechts ein endloser Strand, den wir fast für uns alleine haben.
Die meisten Besucher laufen durch den Wald zurück zum Parkplatz. Erics Handy-Navi sagt uns aber, dass man am Strand genauso zurückkommt. Ein wunderbarer Spaziergang in der Abendsonne, aber nach fast 15 km Gesamtstrecke sind wir froh, als wir in der Dämmerung wieder am Auto sind. Wir werden nicht in Leba übernachten, sondern an der Westseite des Parks und das stellt sich als die genau richtige Entscheidung heraus. Sehr ländlich, sehr ruhig und am Strand ist man dann wirklich ganz allein. Wäre das Bett doch nur gemütlicher gewesen, im idyllischen Stojcino, wir hätten Wochen hier verbringen wollen. Nicht nur die schöne Ostsee und die Traumstrände, auch die märchenhaften Nadelwälder mit ihrem weichen Moosboden, der über und über pilzgesprenkelt ist, wären gute Gründe dafür.