49 Tage und mehr als 6500 Kilometer kreuz und quer durch Namibia, über meist ungeteerte Pisten, durch Wüsten-, Savannen- und Berglandschaften, so weit und so einsam, dass wir stundenlang kein Haus, keine Menschen, kein anderes Auto sehen. Die Weiten des Damaralands, die Namibwüste, karg und wasserlos, das monumentale Tal der Ugab-Terrassen, die Kalahariwüste, deren roter Sand jetzt in der Regenzeit mit grünem Flaum überzogen ist, die riesigen Dünen von Sossusvlei – so viele unglaubliche Eindrücke.
Ohne Auto geht nichts in Namibia und öffentliche Verkehrsmittel sind hier eher ein Fremdwort. Fast jeder fährt einen Geländewagen, doch, wir erwähnten es ja schon, für uns Zu-spät-Kommer blieb nur ein durchaus geräumiger Allrad-SUV, der hier allerdings unter die „small cars“ fällt.
Beim Autofahren sind in Namibia ganz andere Dinge wichtig als im europäischen dicht an dicht. Deutsche Vergangenheit hin oder her, hier wird links gefahren. Den Tank bitte so voll wie möglich, wer weiß, wann die nächste Tankstelle kommt. „One point eight“ Reifendruck, damit kommt man sowohl über Schotter als auch Teer oder Sand. Die Autos sind rundum mit einer durchsichtigen Folie abgeklebt gegen die wirbelnden Steine auf der Straße, die Reifen extra versiegelt und ohne Allradantrieb bleibt man sogar bei einigen Parkplätzen ausgesperrt.
Noch nicht mal in den Städten sind alle Straßen geteert, in der Einöde ist eine Asphaltdecke eher die Ausnahme. Kommt wirklich mal Gegenverkehr, wird man in eine Staubwolke getaucht, die erst nach mehreren hundert Metern den Blick auf die Welt wieder freigibt. Bodenrillen können die Fahrt ziemlich holprig machen und nach heftigem Regen stellen die bei uns zum Glück immer trockenen Flussbetten, durch die man alternativlos durch muss, sicherlich kein allzu großes Vergnügen dar. Und geht es erst mal bergauf, kann’s richtig gruselig werden. Den Spreetshoogte Pass, der die Namibwüste mit dem Khomas-Hochland verbindet, sind wir zwar heil hochgefahren. Runter wollten wir dort aber auf gar keinen Fall. Enge Kurven und 22% Steigung an der steilsten Stelle – aber wenigstens ist er meistens geplättelt…
Dazu kommen dann noch die Tiere. Antilopen aller Art, Wildschweine oder auch nur eine Ziegenherde tauchen gerne mal unvermutet auf der Straße auf. Aber auch die vielen kleineren Tiere, herzige Erdhörnchen, putzige Schildkröten oder hübsche Wüstenfüchse wollten wir in keinem Fall auf dem Gewissen haben.
In diesem großen menschenarmen Land sind die Annehmlichkeiten der Zivilisation dünn gestreut. Der nächste Supermarkt? Oder gar die nächste Tankstelle? Och, so 100 Kilometer entfernt, diese Auskunft kriegt man auf den einsam gelegenen Gästefarmen gar nicht so selten. Tankstellen gleichen den letzten Außenposten der Zivilisation, über und über verdreckte Geländefahrzeuge mit mehreren Reservekanistern und -reifen warten auf Befüllung. Das winzige Solitaire in der Namibwüste haben wir dann gleich zwei mal angesteuert – die einzige Tankstelle, der einzige Minisupermarkt, die einzige Apple Pie im Umkreis von vielen vielen vielen Kilometern trockener Wüste. Eine Kirche, ein Restaurant, ein kleiner Laden, ein Reifendienst und eine Tafel mit der Niederschlagsmenge seit 2009 – was braucht es schon mehr hier in der Wüste?
Natürlich fragen wir uns, ob wir mit unserem „small car“ hier wirklich durchkommen. Mit einem Reserverad und dem wackligen Wagenheber. Ich nehm’s vorweg: tun wir. Gut, zweimal machte ein Reifen schlapp, aber zum Glück war immer ein rettender Reifenprofi in der Nähe, um ihn innerhalb kürzester Zeit zu flicken. Aber als wir über 300 Kilometer von Sossusvlei Richtung Süden entlang des Namib-Naukluft-Parks fuhren, auf der ganze Strecke vielleicht fünf Autos begegneten und nicht eine Sekunde lang Handy-Empfang hatten, schwang sie schon ein bisschen mit, die Befürchtung, was jetzt wäre, wenn sich ein Reifen auf der Holperstrecke mit lautem Puff verabschiedet. Hätten wir das Reserverad auf dem weichen Untergrund rauf gekriegt aufs Auto? Und was wäre, wenn sich gleich zwei Reifen entleeren? Aber, unser excellent luck aus dem japanischen Tempel, wohl behütet in einer kleinen Schachtel in meinem Gepäck, hat uns auch hier wieder vor Schlimmerem bewahrt – schon unglaublich, dass die Reifen immer dann den Geist aufgaben, wenn ein hilfreicher Flickmeister in der Nähe war. Aber wir verstehen jetzt gut, warum unser Reiseführer empfiehlt, am besten gleich zwei Reserveräder mitzunehmen.
Mit vollem Tank, one point eight Druck im Reifen, zwei Kanistern Wasser und mehreren Tüten Chips an Bord war es trotzdem ein riesiges Vergnügen, durch diese wunderbaren Landschaften zu fahren. Namibia ist ein Abenteuer, und zwar größtenteils ein ziemlich komfortables. Und die Erleichterung, nach vielen einsamen Kilometern heil angekommen zu sein, gehört wohl einfach mit dazu. Zwar liegen zwischen Eingang der Gästefarm und dem tatsächlichen Gebäude gerne mal zehn Kilometer auf sehr sehr unbefestigten Wegen, Gatter auf, Gatter zu, Achtung Schafe, Kühe, Springböcke. Aber dann taucht irgendwann ein großes Haus auf, fast wie eine Fata Morgana, mit kühlem Bier und perfektem Steak. Fahren ist anstrengend in Namibia, aber die Straßen bringen uns zu Orten höchster Glückseligkeit 🙂