Von Zypern habe ich bisher keine große
Vorstellung gehabt. Mediterran. Griechisch. Und türkisch. Chypre douze points. Und die Anfangsszenen eines meiner absoluten Lieblingsfilme im Hafen von Famagusta: Exodus, mit einem umwerfenden Paul Newman, die Initialzündung für meine Israel-Leidenschaft. Ach, und auf dem Rückweg von Israel habe ich sogar schon mal zypriotischen Boden betreten, im Hafen von Limassol reichte es gerade für ein Mittagessen, bevor unser Schiff von Haifa nach Piräus wieder ablegte.
Jetzt habe ich schon einen Eindruck von Larnaka bekommen und seit drei Tagen sind wir in Nicosia. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich zwar irgendwie wusste, dass es einen griechischen und einen türkischen Teil von Zypern gibt, aber dass Nicosia eine geteilte Stadt ist und der Norden gar nicht zur Türkei gehört, sondern nach wie vor besetzt ist, obwohl formal sogar EU-Gebiet, war mir alles nicht klar.
Wir haben mal wieder eine kleine Wohnung, mitten im modernen Stadtzentrum von Nicosia und etwa eine Viertelstunde zu Fuß von der Altstadt entfernt. Diese betritt man durch die imposante venezianische Stadtmauer und verirrt sich dahinter in den vielen Gassen, die einen in einem recht erbärmlichen Zustand, andere bereits schön renoviert. Moscheen und christliche Kirchen wechseln sich ab, ein ottomanisches Hamam, alles sehr stimmungsvoll. Irgendwann treffen wir auf die Hauptflaniermeile Ledra. In den Cafés sitzen die Leute und genießen beim ein oder anderen Frappé die Frühlingssonne. Läuft man die Ledra stadteinwärts weiter – wohlgemerkt die zentrale Einkaufsstraße – steht man plötzlich vor einem Grenzübergang. Mitten in der Stadt. Und den gibt es sowieso erst seit 2008, davor war hier einfach eine Mauer.
Zuerst kontrollieren die Zyprioten, dann läuft man etwa 10 Meter und kommt zum türkischen Grenzposten. Bis auf die Ausweiskontrollen ist der Übergang unproblematisch, aber bei uns Kindern des Kalten Krieges kommt sofort ein Ostberlin-Feeling auf. Hinter der Grenze präsentiert sich ein entspanntes Stückchen Türkei, ein kleiner Basar, in dem Louis-Vuitton-Taschen in Hülle und Fülle angeboten werden, Restaurants mit Döner statt Souvlaki, gezahlt werden kann in Euro oder Türkischer Lira und die alten Gebäude sind wunderbar restauriert, teilweise sogar aus EU-Mitteln. Im Innenhof einer alten Karawanserei essen wir lecker, nebendran bekommen wir köstlichen türkischen Kaffee und der Muezzin ruft. Alles sehr türkisch und es könnte so nett sein, wenn alles nicht einen so ernsten Hintergrund hätte. Vor allem am nächsten Tag, als wir wieder durch den zypriotischen Teil der Altstadt streifen, wird uns an vielen Ecken die bittere Realität klar: Straßen enden an einer Mauer oder Stacheldraht, dahinter ein menschenleerer Streifen mit verfallenen Häusern, an einem Wohngebäude kann man deutlich Einschusslöcher erkennen.
Der ganze Konflikt, seine Ursachen und Auswirkungen, die Frage, wer hier wie Schuld auf sich geladen hat, das alles vermag ich nicht zu beurteilen. Dass es mitten in Europa noch eine solche Grenze gibt, die eine Stadt mit Stacheldraht in zwei Hälften teilt, ist jedenfalls eine Schande.
Sehr interessanter Artikel. Hoffe Sie veröffentlichen in regelmäßigen Abständen solche Artikel dann haben Sie eine Stammleserin gewonnen. Vielen dank für die Informationen. Bin auch nächsten Monat in Zypern und bin total gespannt.
Gruß Anna
Vielen Dank!! Und viel Spaß in Zypern!