Seit zwei Tagen sind wir in Nicaragua. Hätte ich jetzt auch nicht gedacht, dass ich hier mal hin kommen würde. Eric hat ja bereits zur politischen Bildung beigetragen, da hole ich doch zunächst mal nach, was wir in Costa Rica noch so erlebt haben und wie wir hierher gekommen sind.
Die wilde Pazifikküste mit der bunten Surferszene mussten wir nach einer Woche hinter uns lassen, weil auf unseren treuen Mietwagen ein neuer Einsatz wartete. Vielleicht an dieser Stelle mal ein Loblied auf Alamo. Wir haben ja schon einige Mietwagenfirmen erlebt, aber keine war so unproblematisch, kundenfreundlich und professionell. Keiner versuchte, uns irgendwelche überflüssigen Versicherungen anzudrehen und bis zuletzt konnten wir uns überlegen, wo wir den Wagen abgeben wollen. Letztlich entschieden wir uns für Penas Blancas, den Grenzübergang zu Nicaragua, und einen kurzen Aufenthalt zuvor in der Grenzregion mit der vagen Vorstellung, einen Nationalpark zu besuchen. Ins Blaue hinein buchten wir die Cabanas Canas Castilla.
Die Strecke von Nosara in den Norden führt über die Panamericana. Natürlich nur eine ganz normale Straße, was soll sie auch sonst sein, meistens gerade mal zweispurig und Tempo achtzig ist das höchste der Gefühle. Aber es ist die Panamericana, eine der legendären Straßen, und wie auf der Route 66 entsteht schon ein gewisses Kribbeln im Magen, wenn man hier entlang fährt. Je näher wir der nicaraguanischen Grenze kamen, desto mehr Trucks begegneten uns, ein Großteil des Schwerlastverkehrs ins Nachbarland wird über das kleine Penas Blancas abgewickelt. Etwa zehn Kilometer vor der Grenze biegen wir aber in den Dschungel ab, auf einer Schotterpiste geht es rein in die Botanik und irgendwann stehen wir vor einer richtigen Finca. Pferde, Hühner und ein beeindruckend aufgeplusteter Puter erwarten uns und in der Open-Air-Rezeption werden wir auf deutsch begrüßt. Die Schweizer Agi und Guido haben sich hier ihr eigenes kleines Paradies geschaffen, ein Leben in der Natur, direkt am Fluss, umgeben von Tieren und ein paar selbstgebauten Bungalows, die sie vermieten. Zu jedem blitzsauberen Häusle gehört eine Terrasse mit Schaukelstuhl und Hängematte, die ich dann die nächsten Stunden erst mal
nicht verlasse. Muss man auch nicht, denn von hier aus kann man wunderbar die vielen Klammeraffen, die sich durch die Bäume schwingen beobachten, den Brüllaffen vom anderen Ufer lauschen und den Geiern beim Kreisen zuschauen. Nach kurzer Zeit gesellt sich eine Katze zu mir, eine sehr anmutige, noch recht scheu und immer mit einem Auge in den Büschen. Es raschelt und sie schleicht sich an einen kleinen Graben heran, durch den ein fetter Krebs kriecht. An den traut sie sich dann doch nicht ran. Also kriegt sie die Reste unseres Dosenthunfischs. Dann aber springt sie wieder ins Gebüsch, mittlerweile ist es zappenduster und ich leuchte mit meiner Taschenlampe hinterher. Aug in Aug stehen sich da die schöne Katze und ein Gürteltier gegenüber. Beide scheinen sehr unschlüssig, ob Angriff oder Verteidigung angezeigt wäre, bis das Gürteltier nachgibt und im Dunkel verschwindet. Ha, die tapfere Katze hat gewonnen!
Wir schlafen besonders gut, weil uns die Katze auf der Fußmatte vor unserer Tür bewacht und wachen davon auf, dass die Affen kleine Zweige auf das Dach unseres Bungalows werfen. Wir können sie sogar vom Bett aus sehen, unglaublich, wie sie sich mit allen fünfen von Baum zu Baum hangeln, der Schwanz scheint genauso kräftig und beweglich wie Arme und Beine zu sein. Der vage Plan mit dem Nationalpark, dessen Name uns auch schon entfallen ist, wird aufgegeben, hier müssen wir gar nicht weg um Abenteuer zu erleben. Agi und Guido haben Naturlehrpfade auf der Finca angelegt, genau das richtige für einen entspannten Spaziergang, zumal sie auch immer wieder an besonders schönen Stellen Bänke gezimmert haben. Noch mehr Affen, bunte Vögel und natürlich Rinder und Pferde. Danach noch ein kleiner Ausflug ins drei Kilometer entfernte Städtchen und einen Kaffee mit spektakulärem Blick über den Nicaragua-See, mehr Aktivität brauchen wir gar nicht. Hängematte, Buch und Katze (so ein ganz kleines Döschen Whiskas konnte ich mir doch nicht verkneifen, seither ist die Liebe groß), das ist doch ein perfekter Abend.
Und am nächsten Morgen geht’s dann los, auf nach Nicaragua. Wir haben echt Glück, auch Guido, unser Vermieter, will nach Granada und so fahren wir gemeinsam in unserem Auto an die Grenze. Überall Trucks, vom Örtchen selber sieht man kaum was, die Laster geben den Blick auf den Straßenrand nur selten frei und wir hätten Alamo im Leben alleine nicht gefunden. Guido identifiziert sowohl die LKW-Lücke, durch die wir zur Tankstelle gelangen als auch das winzige Mietwagenbüro. Alles läuft reibungslos (obwohl wir eigentlich dachten, wir hätten eine Abdeckung an der Stoßstange verloren) und jetzt stehen wir da mit unseren Rucksäcken zwischen Unmengen von Lastern. Guido führt uns erst zu einem Schalter, an dem wir ausreisen, dann ins Niemandsland, in dem diverse Afrikaner auf ihre Weiterreise hoffen. Auch hier haben sie ihr Flüchtlingsproblem, tausende von Kubanern auf dem Weg in die USA waren hier im letzten Jahr gestrandet, weil Nicaragua die Grenze für sie geschlossen hatte. Erst die Intervention des Papstes brachte Bewegung in das Ganze, aber die Grenze ist für Flüchtlinge ist immer noch dicht und so sitzen jetzt die Afrikaner hier fest, die auf dem Weg von Brasilien in die USA sind. Recht martialisch steht eine Gruppe nicaraguanischer Soldaten in der brütenden Hitze und bewacht den Übergang. Wir müssen zuerst in ein Zelt, in dem zwei Männer sitzen, einer schaut uns tief in die Augen, der andere schneidet Stempelabdrücke mit einer Schere aus. Guido parliert mit den beiden, wir kriegen ein Zettelchen mit dem Stempel und können wieder gehen. Was denn das war, fragen wir Guido, und er erklärt uns, dass dies die Gesundheitskontrolle sei. Dann war das also ein Arzt, der mich so prüfend anblickte, sage ich, und Guido lacht „Der andere mit der Schere wahrscheinlich auch.“ Arbeitsbeschaffung auf nicaraguanisch.
Und nun ab zur eigentlichen Einreise, in einem gut klimatisierten, aber einigermaßen heruntergekommenen Gebäude. Das hätten sie vor ein paar Monaten neu eingeweiht, grinst Guido, seines Zeichens Maurer und also vom Fach. Geht alles ganz schnell, Gesundheitsmärkchen zeigen, 12 Dollar bezahlen und schon sind wir in Nicaragua.
Hinter der Grenze herrscht Goldgräberstimmung, Männer mit dicken Geldbündeln kommen auf uns zu und fragen, ob wir Geld wechseln wollen. Guido kennt einen von ihnen und so tauschen wir dann auch unsere ersten Cordobas. Mit dem Taxi geht es zum Busbahnhof in die Provinzstadt Rivas. Hier tobt das Leben, wie man sich Mittelamerika eigentlich vorstellt, sehr bunt, sehr laut, sehr spaßig. Guido hatte uns schon gesagt, dass es in Nicaragua viel lebendiger zugeht als in Costa Rica und dieser Busbahnhof bestätigt es. Wir steigen in einen alten amerikanischen Schulbus, die lokalen Busse sind fast alle entsprechend
umgerüstete Gefährte, und los geht es Richtung Granada. Der Fahrer hält an jeder Milchkanne, die hinteren Türen werden geöffnet und auch eben solche eingeladen, Säcke mit irgendwas, ein Fahrrad kommt aufs Dach und wird wieder heruntergereicht, als der Besitzer aussteigt. Die Landschaft ist der in Costa Rica ähnlich, nur etwas verdorrter, und rechts sehen wir die Vulkane der Ometepe-Insel, die im Nicaragua-See liegt. Nach etwa einer Stunde sind wir schon in Granada mit seinen schönen Kolonialbauten und bunten Häusern. Guido verabschiedet sich, er macht sich auf zu einem Freund, und wir sind doch etwas erschlagen von den vielen neuen Eindrücken. Wow, wir sind in Nicaragua!