Wir haben in Venezuela am Ufer des Orinoco in einer Indianerhütte übernachtet, unter freiem Sternenhimmel in der Wüste Rajasthans, haben unsere Zelte aufgeschlagen in den Weiten Western Australias und der Painted Desert in den USA, haben in kolonialen Traumhotels Asiens genächtigt. Aber noch nie haben wir uns in ein All Inclusive Ressort gewagt. Bis jetzt.
Corona hat uns die schönen Ecken Europas gezeigt. Polen, Malta, Sizilien, Litauen – was für wunderbare Länder, die jede Reiseminute wert waren. Aber trotzdem standen wir immer wieder sehnsüchtig vor der Weltkarte, blickten wehmütig auf die roten Nadeln, die wir in Usbekistan gepinnt hatten – unsere letzte außereuropäische Reise vor Corona.
Und jetzt – viermal geimpft und einmal genesen, dauerhaft oder temporär von der Arbeit befreit: Welt, wir können wiederkommen!
Australien? Zu gerne, aber die Mietwagenpreise haben sich noch nicht erholt von Corona. Asien? Wir lieben es, aber vieles kennen wir eben auch schon. Südamerika? Lange oben auf unserer Liste. Aber was ist eigentlich mit Afrika?
Wir erinnern uns noch gut an die Wochen vor unserer Weltreise 2015. Es waren die stressigsten Tage, die wir je hatten. Es nahm und nahm kein Ende mit den notwendigen Erledigungen. Zumindest Erics To-do-Liste ist diesmal wieder furchterregend umfangreich und deswegen – kein Reisestress am Anfang. Ein Direktflug von Stuttgart, möglichst nicht zu lang. Die ersten Tage um nichts kümmern müssen. Ausspannen. Wärme. Und vielleicht ein Meer vor der Nase.
Ägypten liegt in Afrika und Hurghada erfüllt alle Kriterien. Also auf, wir tun es! Und wenn schon klassisches Badeziel, dann doch gleich richtig: All inclusive.
Vier Tage sind wir in eine Welt eingetaucht, zu der wir nicht gehören. Ein spannendes Erlebnis. Aber es wird wohl auch ein einmaliges bleiben.
Dabei kriegt man hier durchaus was geboten: ein großes komfortables Zimmer mit Balkon und vollem Meerblick. Ein freundlicher Roomservice, der auch mal mit einem Teller Süßigkeiten überrascht. Reichhaltige Buffets mit leckerem Essen. Eine riesige strahlendblaue Poolanlage, blitzesauber und fast zur Alleinnutzung. Ein eigener Strandabschnitt mit Riff und bunten Fischen. Was gibt’s da also zu Nörgeln?
Eine künstliche Welt fernab des Landes, in dem wir uns befinden. Ein routinierter Betrieb, der die Massen im Wochentakt durch den ewig gleichen Tagesablauf schleust. Ein luxuriöses Ghettodasein, das auch uns nach kurzer Zeit einlullt in den Rhythmus von Schlafen, Essen und Sonnenbaden. Verführerisch bequem, sehr erholsam, aber auch sehr weit weg von dem, was wir so lieben am Reisen.
Der Tag im All-Inclusive Paradies beginnt früh – die einzige wirkliche Herausforderung besteht darin, einen Platz in der vordersten Reihe der Strandliegen zu bekommen. Denn alles andere gibt es hier kampflos und im Überfluss. Von unserem Balkon haben wir freien Blick auf das Spektakel. Energisch marschieren Männlein wie Weiblein jeden Alters und jeder Nationalität schon ab sechs Uhr morgens in Richtung der begehrten Logenplätze und markieren ihr Territorium für den anbrechenden Sonnentag. Einmal eingenommen, werden die gekaperten Liegen nur noch zum Essenfassen verlassen. Und das sieht man einem Großteil der Gäste an. Nicht umsonst sind die Zimmer mit Waagen ausgestattet, um die auch wir einen eleganten Bogen machen.
Auf der Suche nach Ruhe und Einsamkeit sollte man in einem solchen Ressort nicht sein – zur All-Inclusive-guten-Laune gehört Musik. An jeder Bar schallt ein anderer Beat. Dazu das Dröhnen der Klimaanlagen, die die Wüste kühlen und das geschäftige Werkeln, um die Grünanlagen makellos zu halten. Und da unsere Anlage nicht die einzige in der Bucht ist, liegt ein steter Soundteppich über der ganzen Gegend.
Strand und ein aquariumsgleiches Meer scheinen nicht auszureichen für das perfekte Urlaubsvergnügen. Eine Schar gutgelaunter Animateure müht sich redlich mit allerlei Sportlichem, Tanzerei und Smalltalk, keine Minute Langeweile aufkommen zu lassen. Ist die Sonne verschwunden und das letzte Essen des Tages verspeist, bleibt sich der Gast nicht selbst überlassen – Shows mit hämmernder Musik, Bauchtänzerinnen, Fakiren und allerlei anderen Kostümierten pumpen gute Laune in den zu Ende gehenden Ferientag. Alternativen gibt es allerdings auch keine – Makadi Bay ist kein Ort, sondern nur eine sandige Straße, von der die Ressorts abgehen.
Die Stimmung ist insgesamt heiter. Obwohl auch der Alkohol umsonst fließt, geht es erstaunlich gesittet zu. Dass Badeurlaub am Roten Meer bei Russen mit einer etwas anderen Auffassung von Spaß besonders beliebt ist, hatten wir vorher gelesen. Aber entweder sind hier nur Ukrainer und Polen – die Sprachen können wir einfach nicht auseinanderhalten – oder die Russen versuchen aus guten Gründen, unauffällig zu bleiben. Schillernde Typen sind in jedem Fall dabei: eine wilde Hardrockfamilie mit einer deutlich sichtbaren Vorliebe für große Mengen Essen. Gestylte Instagramerinnen, die schnellen Schrittes durch die Anlage eilen auf der Suche nach dem perfekten Hintergrund für ihren nächsten Post. Ganzkörpertätowierte, die auch das Gesicht nicht ausgelassen haben und denen man nur wünschen kann, dass die Laserentfernungstechnologie in ein paar Jahren weit fortgeschritten sein wird. Dieses bunte Gemisch gepaart mit reichlich Weihnachtsdekoration unter Palmen und bei hochsommerlichen Temperaturen trägt bei zu einem leichten Gefühl von Surrealität.
Unser Hotel ist in den entsprechenden Portalen grandios bewertet. Es gibt also viele Menschen, die es so und nicht anders haben wollen. Und da die Geschmäcker nun mal verschieden sind und wir den Erholungswert durchaus sehen, maßen wir uns nicht an, diese Art des Urlaubs zu kritisieren. Aber natürlich fragen wir uns, wie man in ein geschichtlich und kulturell so faszinierendes Land wie Ägypten reisen kann, um dann den allergrößten Teil seiner Zeit abgeschottet von genau diesem Land zu verbringen.
Wir sind um eine Erfahrung reicher. Und wollen gar nicht ausschließen, eines Tages mal wieder in einem solchen Ressort zu entspannen. Unsere Reise wird allerdings erst morgen wirklich beginnen, wenn wir aufbrechen Richtung Luxor. Eric ist kein Ägypten-Beginner, vor mehr als 30 Jahren ist er mehrmals durch das Land gereist und hat erlebt, dass es neben all der Schönheit auch sehr anstrengend sein kann. Nach dem, was wir gelesen haben, hat sich das eher intensiviert, Bakschisch-Forderer all über all. Vielleicht sehnen wir uns dann ja sogar zurück nach dem Rundum-Sorglos-Paket. Aber sicherlich nicht richtig lange 🙂