Nach über drei Monaten auf dem amerikanischen Kontinent rückt der Abschied unaufhaltsam näher. In drei Stunden geht es zurück nach Europa und zum Glück erst mal ins wunderbare Lissabon. Kanada war eine große Überraschung, mit der großen Weltoffenheit, Toleranz und Gelassenheit der Menschen hatte ich nicht gerechnet. Was denn aus ihrer Sicht der Unterschied zwischen den USA und Kanada sei, hatten wir eine Frau in Quebec gefragt und sie meinte „We don’t shoot each other.“ Ziemlich bezeichnend, dieser Satz.
Das mit der Gelassenheit trifft in einem Punkt allerdings nicht zu und das ist der Straßenverkehr. Auf Geschwindigkeitsbegrenzungen sollte man locker 15% draufschlagen und wer in der Fahrschule gelernt hat, der Abstand zum Vordermann sollte den halben Tacho betragen, der kommt hier nicht durch. Die USA und Kanada bestechen sowieso durch undurchsichtige Verkehrsregeln. Bis heute haben wir nicht verstanden, wie das mit dem rechts abbiegen an roten Ampeln funktioniert. Es scheint grundsätzlich erlaubt zu sein, aber da gibt es eine Menge Schilder, die das auch wieder einschränken könnten. Könnten, denn wir verstehen sie nicht. Deswegen halten wir eigentlich immer bis wir von hinten angehupt werden. Interessant ist auch die Regelung an Kreuzungen, bei denen jede Richtung ein Stoppschild hat. Da darf nämlich der fahren, der als erster da war. Blöd nur, wenn mehrere Autos da stehen – haben alle ein Stoppschild? Und wer war als zweiter, dritter da? Kompliziert… Aber, sie gehen mit der Zeit. Die gute alte Raststätte, an der man sich die Beine vertritt, hat ausgedient. Text Stops, sind das jetzt, SMS-Schreibstätten. Tja…
Aber zurück zu Kanada. Wir wollten endlich noch mal unser Zelt zum Einsatz bringen und Eric hatte einen schönen und recht einsamen Campingplatz gefunden. Als wir in Syracuse starten, scheint die Sonne und es ist heiß. Wir kommen gut durch, überqueren die kanadische Grenze sehr unproblematisch und fahren weiter Richtung Norden. Als die ersten Regentropfen fallen denken wir uns noch nichts. Die Tropfen verdichten sich und irgendwann pladdert es herab. Als wir am Campingplatz ankommen, hat es unter 20 Grad. Wir fragen die Rangerin, was sie denn so vom Zelten heute hält. „It’s a bit chilly“ lacht sie „but you can try if you want“. Nö, wollen wir nicht, beschließen wir später bei einem warmen Kaffee. Ottawa ist nicht weit und da sind wir auf dem Hinweg nur kurz durchgefahren. Also auf nach Kanadas Hauptstadt. Im „Motel Adam“ (liebe Helene, das Photo haben wir extra für Dich gemacht!) finden wir ein nettes Zimmer und fühlen uns beim Blick aus dem Fenster ins trübe Regenwetter sehr in unserer Entscheidung bestätigt. Unser Motel liegt in Gatineau, direkt gegenüber von Ottawa, nur getrennt durch den Ottawa River und eigentlich mittlerweile mehr ein Stadtteil – aber eben auch in der Provinz Quebec und das heißt: hier ist wieder alles auf französisch. Beim abendlichen Sprint durch den Regen zum benachbarten Schnellimbiss reichen unsere Sprachkenntnisse noch nicht mal zum Pommes-Bestellen, aber wir kommen mit dem netten Mädel, das uns bedient, ins Gespräch. Wir versichern ihr, dass wir eigentlich ein bisschen Französisch sprechen, aber sie sagt selber, dass das kanadische Französisch eine andere Welt ist.
Am nächsten Tag und nachdem sich die Regenwolken verzogen haben, schauen wir uns Ottawa an. Die Regierungsgebäude wirken wie Trutzburgen, die sich aneinandergereiht an der Hauptstraße entlangziehen. Wir besichtigen das Oberste Gericht Kanadas, bummeln am Parlamentsgebäude vorbei Richtung Fluss und bestaunen den Rideau Canal mit insgesamt acht Schleusen, die alle von Hand betätigt werden müssen. Die Motorboote, die vom Ottawa River in den Kanal fahren, müssen 24 Meter Höhenunterschied überwinden und brauchen anderthalb Stunden Geduld, um von Schleuse zu Schleuse zu tuckern.
Mittlerweile scheint die Sonne wieder durchgehend und jetzt gibt es kein Pardon mehr: es wird gezeltet. Wir fahren zurück zum Murphys Point, ein großer Wald inmitten einer schönen Seenlandschaft, wie man sich Kanada halt so vorstellt. Der Campingplatz ist riesig und von dem kleinen Hügel im Wald, auf dem wir unser Zelt aufbauen, sehen wir keine anderen Menschen. Wir spannen unsere Hängematten auf und die Entspannung könnte so perfekt sein, wenn da nicht… bssss – hunderte von Mücken den Angriff starten würden. Wir sprühen uns ein, ziehen in der Wärme lange Hosen und Pullis an, aber nichts hilft: sie stechen durch Jeans und ungeachtet der Chemiekeulen. Eric sinnt auf Rache und schlägt zu: innerhalb weniger Minuten sind 51 Stechviecher ermordet und werden zur Abschreckung fein säuberlich aufgereiht den Artgenossen präsentiert, aber die sind wenig beeindruckt. Irgendwann geben wir auf und legen uns ins Zelt. Trotz der Widrigkeiten halten wir eine weitere Nacht durch, es ist schön hier und Stiche heilen ja auch wieder ab. Irgendwann. Noch jucken sie jedenfalls ziemlich.
Zelt und Luftmatratze Nr. 3 auf unserer Reise werden wir diesmal hier lassen, die Heilsarmee im nahegelegenen Örtchen Perth freut sich. Die letzte Nacht verbringen wir in einem Hotel vor den Toren Torontos und dann war’s das mit Kanada. Und Amerika. Auf nach Portugal!