Globonauten reunited! 2007 hatten wir es fast nach Myanmar geschafft. In unseren Pässen prangte ein Visum, der Flug war gebucht und das Hotel ausgesucht – dann begannen die Unruhen, drei Tage vor Abflug entschieden wir uns gegen die Reise und landeten stattdessen last-minute-mäßig in Florida. Eine gute Entscheidung, lasen wir doch in der Zeitung, dass just im Traders Hotel , das wir buchen wollten, bewaffnetes Militär von Zimmer zu Zimmer gegangen war und nach Ausländern gesucht hatte. Myanmar 2016 scheint meilenweit von den damaligen Verhältnissen entfernt zu sein. Zwar ist immer noch ein Visum notwendig, das gibt’s aber komfortabel und schnell über’s Internet, Yangon ist auf dem Weg zu einer modernen asiatischen Metropole und der Tourismus boomt. Also, allerletzte Chance, noch ein klein wenig Ursprünglichkeit zu erleben und ein idealer Ort für eine Globonauten-Reunion!
Von Penang gibt es mittlerweile Direktflüge nach Yangon und nach kaum drei Stunden sitze ich schon im Taxi zum Hotel. Hm, aber irgendwas stimmt doch nicht. Wir fahren auf der rechten Straßenseite, müsste der Fahrer dann nicht links sitzen? Oder bin ich nach zwei Monaten in Linksfahrländern schon so verwirrt? Ne, zu Hause schalte ich doch mit rechts, also sitze ich links. Und tatsächlich: in Myanmar wird immerhin schon seit 1970 rechts gefahren, die meisten haben das Steuer aber immer noch auf der rechten Seite. Die Straßen sind breit, die Autos modern, die Gebäude nicht sonderlich schön – ich habe mir Yangon viel traditioneller vorgestellt. Aber die Menschen: selbst hier in der größten Stadt des Landes tragen viele noch den traditionellen Lunghi, ein langer Wickelrock sowohl für Frauen als auch Männer. Dazu reiben sich viele Frauen und fast alle Kinder das Gesicht mit Thanaka-Paste ein, die meist runden Muster zieren vor allem die Wangen.
Das Hotel liegt mitten in einem Wohngebiet, das ich kurz erkunde, nicht schön, aber original. In Ermangelung eines Cafés oder netten Restaurants zum draußen sitzen kaufe ich eine Flasche Wasser und stelle mir einen Plastikstuhl vors Hotel. Ein Stündchen später rollt ein Taxi heran, dem ein sehr müder Eric entsteigt: Globonauten reunited! Drei Wochen lang werden wir noch mal zusammen reisen, bevor er seinen neuen Job antritt.
Den nächsten Tag starten wir gemächlich mit einem Rundgang durch das koloniale Yangon. Teilweise sehr schön restaurierte, häufig aber stark verfallene Gebäude aus der britischen Kolonialzeit prägen die Innenstadt. In der Sule-Pagode, einem Zentrum der Proteste von 2007, bekommen wir einen ersten Eindruck von der Pracht der birmanischen Tempel. Aber das wahre Highlight folgt am nächsten Tag: die Shwedagon-Pagode. Eine riesige Anlage rund um die zentrale goldene Stupa mit unzähligen Tempeln, Hallen und weiteren Stupas, gold- und edelsteinverziert von unglaublicher Pracht. Die Menschen verbringen den ganzen Tag hier, es wird gegessen, geschlafen und gebetet, gern auch telefoniert, die Anlage hat eigenes Wifi, eine sehr lebendige und doch so spirituelle Atmosphäre. Wir umrunden staunend die große Stupa, was einige Zeit in Anspruch nimmt, flüchten vor der Mittagshitze in ein Restaurant gegenüber und kehren am späteren Nachmittag zurück, um den Sonnenuntergang hier zu erleben. Die Menschen strömen herbei, mittlerweile sind auch viele Touristen darunter, Pilgergruppen beten vor der großen Stupa und in der „Wunscherfüllungshalle“ konzentriert sich jeder auf seine persönlichen Anliegen. Nicht nur Scheinwerfer, sondern auch viele Kerzen erleuchten die goldenen Gebäude und wir können uns kaum trennen von diesem sehr besonderen Ort.
Am nächsten Tag verlassen wir Yangon und fliegen in den Norden. Neue Fluglinien gedeihen gerade prächtig in Myanmar, unsere mit Namen Mann Yandarporn verfügt über gerade mal zwei Flugzeuge, aber einen außergewöhnlichen Service. Alle paar Minuten kommt die freundliche Stewardess mit Zeitungen, Getränken, einem kleinen Snack oder Erfrischungstüchern und nach anderthalb Stunden landen wir glücklich in Myanmar zweitgrößter Stadt. Als ich den Namen Mandalay das erste Mal vor vielen Jahren hörte, während wir im thailändischen Mae Hong Song auf unseren Flug nach Chiang Mai warteten, war für mich klar, dass ich hier unbedingt mal hinwollte. So ein hübscher Name kann doch eigentlich nur einer besonderen Stadt gebühren und dann sang Robbie Williams später auch noch von der Road to Mandalay. Leider ist es keine sonderlich hübsche Stadt, dieses Mandalay, eine recht neu, staubig und ohne echte Attraktionen, aber egal, ich war endlich da. Jedenfalls haben sie einen pagodenübersäten Berg, den wir in großer Hitze erklimmen, breite Straßen, auf denen es sich ganz passabel radeln lässt und ein überfordertes Abwassersystem. Als am Abend ein Wolkenbruch über die Stadt hinwegzieht, steht das Wasser 20 cm hoch in den Straßen. Da hilft nur Schuhe aus und durchwaten – zur Freude der Einheimischen, aber was macht ein hungriger Globonaut nicht alles, um zum leckeren Fisch zu kommen.
Und gar nicht weit entfernt, vor den Toren der Stadt gibt es einen ganz wunderhübschen Ort mit dem eher profanen Namen U Bein-Brücke, von der ich nicht wusste, dass sie wirklich existiert. Dass das Cover von „Der Glaspalast“ von Amitav Ghosh eine reale Brücke zeigt, die heute noch gut erhalten und zudem die längste Teakbrücke der Welt ist, war mir neu. Ganz ergriffen genieße ich den Sonnenuntergang und beobachte im Gegenlicht das Treiben auf der Brücke. Immer mal wieder gelingt es mir, die Horden von Touristen, die es mir gleich tun, auszublenden. Myanmar ist eindeutig kein Geheimtipp mehr. Aber doch so faszinierend und mit so vielen Eindrücken, dass das hier wirklich nur mal ein allererster und ganz unvollständiger Bericht sein kann.