Die Landpartie ist schon wieder vorbei. Eine Nacht im Litchfield National Park und ich habe genug. Die Küste und das Meer sind zu schön, zu spektakulär, da können die Wasserfälle von Litchfield nicht mithalten, zumal der Großteil wegen Überflutung gesperrt ist.
Die Fahrt gestaltete sich einfach – allzu viele Straßen raus aus Darwin gibt es nicht und ist man erstmal auf dem Stuart Highway kann man nichts mehr falsch machen außer zu weit zu fahren und in Alice Springs rauszukommen, aber das sind 1500 Kilometer. Mein Handy-Navi ist hier also vollkommen ausreichend und so komme ich mittags in Batchelor an, der einzigen Stadt in der Nähe des Nationalparks. Oder eher das einzige Dorf, hätten sie ihr „town center“ nicht deutlich mit einem Schild markiert, würde es keiner merken und das Litchfield Motel, in das ich einchecke, passt sich voll und ganz in den leicht trostlosen Charakter des Ortes ein. Ich mache mich nach kurzer Pause auf in den Nationalpark, mein Wirt, der vor 40 Jahren aus der Schweiz nach Batchelor kam, hat mich schon gewarnt, viel gesperrt, der Regen…
Die erste Attraktion auf meinem Weg sind die Magnetic Termite Mounds, die so heißen, weil sie exakt in Nord-Süd-Richtung errichtet wurden, und die sind wirklich beeindruckend. Baumhohe Termitenbauten, hunderte davon, geben der Landschaft fast ein außerirdisches Flair. Zumal schwarze Wolken den Himmel verhängen und in der Ferne Donner grollt. Also dann mal weiter, bevor noch der letzte Wasserfall überflutet ist. Litchfield ist berühmt für seine Steinpools, in denen man wunderbar baden kann, wenn man nicht gerade zu der Zeit kommt, zu der ich hier bin. Tja, und was die Wasserfälle angeht, da hätten wir unsere allererste große Reise damals Anfang der 90er einfach nicht nach Venezuela machen dürfen, denn seither kann mich kein Wasserfall mehr so wirklich beeindrucken. Immer mal wieder tröpfelt es und es geht langsam auf den Abend zu, also zurück nach Batchelor. Das Motelzimmer ist muffig und ich bin erleichtert als mir unter der plüschigen Überdecke strahlend weiße Bettwäsche entgegen leuchtet. Einmal Schweizer, immer Schweizer 🙂 Dann halt einen gemütlichen Abend im Bett, Internet gibt es ja auch. Nach einer halben Stunde bekomme ich die Meldung, dass mein Datenvolumen leider aufgebraucht ist. Hm, lesen ist ja auch ganz schön. Und dazu vielleicht einen Tee. Ich gehe ins Bad, um Wasser zu holen und als ich wieder ins Zimmer komme flitzt etwas an mir vorbei in die Zimmerecke. Eine Spinne, etwas kleiner als ein Handteller, schwarz und fleischig. Meine Angst vor Spinnen hält sich mittlerweile eigentlich in Grenzen, aber das ist Australien, haben sie hier nicht eine erkleckliche Anzahl von todbringenden Spinnen? Aber jetzt noch mal anziehen, den etwas durchgeknallten Schweizer holen, der die Begegnung des deutschen Mädels mit der australischen Natur bestimmt ganz besonders lustig findet und dann ist die Spinne sicher eh weg – nein. Also wieder zurück ins Bett, solange sie da in der Ecke bleibt, kann ja nichts – äh, wo ist sie denn? Hups, da sitzt sie auf dem Nachbarbett, ich schrecke hoch, sie rast hinters Bett, die ist echt schnell. Wie machen diese Mörderspinne das eigentlich, greifen die wirklich aktiv an oder verteidigen sie sich nur? Letzteres wäre ja eigentlich logisch, da ich sicher nicht in ihr Beuteschema falle und wenn ich still im Bett liege, habe ich doch nichts zu befürchten, oder? Ich ziehe die Decke fest um mich, die nächtlichen Temperaturen sind zwar hoch, aber lieber gekocht werden als morgens tot aufzuwachen (oh, peinlich, die Insider wissen, was ich da zitiert habe, gelle? Aber dieser Satz fiel ja wenigstens auch in Australien). Es wird eine unruhige Nacht, ich wache früh auf und beschließe, dass ich keine Lust mehr habe auf das australische Landleben. Ich denke an den wunderbaren Strand von Casuarina und das fast insektenfreie Tropical Darwin Resort, da können diese gesperrten Wasserfälle einfach nicht mithalten. Die Spinne hatte sich übrigens vom Acker gemacht…
Also schwinge ich mich in mein Auto und beschließe, auf dem Rückweg nach Darwin einen Abstecher zum Territory Wildlife Park zu machen, die Ausfahrt hatte ich auf dem Hinweg gesehen und das hört sich doch ganz nett an. Um 10 bin ich da und betrete den Park mit einer großen Gruppe australischer Kinder, die im Rahmen ihres Sommerferienprogramms hier vorbei schauen. Die sehen schon witzig aus, alle mit riesigen Hüten, großen Wasserflaschen und käsigen Beinen. Sunblocker gehört hier einfach zur Standardausrüstung. Den Gruppen entkommt man ganz schnell in dem riesigen Park, der wirklich der absolute Knüller ist. Die glücklichen Australier brauchen ja kaum etwas künstlich anzulegen, sie ziehen einfach einen Zaun um die bestehende Natur, nehmen eine paar Waisentierbabys auf und schon ist der Park fertig. Meine erste Station sind die Dingos, noch nie habe ich diese Wildhunde gesehen und der Ranger ist ganz begeistert, dass er mir alles erklären kann. Sie sehen aus wie normale Hunde, vielleicht etwas dünn, aber sie gucken nett und man kann sich überhaupt nicht vorstellen, dass sie auch für Menschen gefährlich werden können. Der Fall des 1980 von Dingos geraubten Babys ging gerade wieder durch die australische Presse, weil der Familienvater kürzlich gestorben ist. Dingos leben seit über 5000 Jahren in Australien, also nix ausgebüxte Hunde der Engländer, wie ich eigentlich dachte. Die schmalen Tiere jagen in Rudeln und können es so erfolgreich sogar mit Riesenkängurus aufnehmen.
Der Park gibt einen Eindruck von den Vegetationszonen des „Top End“, wie die Gegend um Darwin genannt wird – den Mangroven-, Trocken- und Monsunwaldregionen. Regenwald, den kenne ich, Monsunwald ist mir neu, aber eben der Wald, der nur in der kurzen Wet-Season Wasser bekommt und ansonsten vor sich hin dorrt. Überall sind Wanderwege angelegt, die ich fast für mich alleine habe. Ich komme an einem Billabong vorbei, dem australischen Begriff für Wasserlöcher. Bei uns würde man einfach nur See sagen… Pelikane drehen hier ihre Runden, Wasserschildkröten paddeln vor sich hin und hups – da schwimmt auch ein kleines Krokodil vorbei. In der größten Mittagshitze komme ich zum Wallaby-Gelände. Auf einem Schild wird darauf hingewiesen, dass man am späteren Nachmittag die besten Chancen hat, Wallabys zu sehen. Hm, ich dreh trotzdem mal eine Runde, ich kann ja später noch mal kommen. Aber da, mitten auf dem Weg im Schatten der Bäume hat sich eines ausgestreckt. Sie lassen sich gerne kraulen, das stand auch auf dem Schild und tatsächlich – es scheint es durchaus zu genießen und posiert auch gerne für Selfies. Noch zwei weiteren laufe ich über den Weg, absolut zahm und sehr freundlich. Da mag man ja gar nicht mehr weg!
Ich bin jetzt echt froh, dass ich nicht noch weiter Richtung Süden gefahren, sondern hierher gekommen bin. So ein schöner Park mit wunderbaren Tierbegegnungen. Am späten Nachmittag mache ich mich auf den Rückweg nach Darwin und bereue in keiner Weise, das Landabenteuer rasch beendet zu haben.