Nicht nur hier auf der Insel Pamilacan gibt es sie. Überall auf den Philippinen sieht man prächtige Hähne, die zwar an einem Bein mittels einem Meter Schnur an einem Stecken am Davonrennen gehindert werden, die aber nichtsdestotrotz stolz diesen Radius abschreiten.
Natürlich hat auch unser Gastgeber Junior einen Hahn. Und er erklärte uns letzte Woche, dass sich am Sonntag die Männer der nördlichen Inselhälfte in der Nähe des Basketballfeldes auf dem Hügel treffen würden. Dort gäbe es eine kleine Arena, um den Hähnen beim Kampf zuzusehen.
Hahnenkämpfe sind in der Region jahrhundertalte Tradition, die es in unserer Gesellschaft erfreulicher Weise nicht braucht. Hier aber wirkt es sehr selbstverständlich und der Hahnbesitzer hegt und pflegt, streichelt und liebkost geradezu sein Federvieh. Im Gegensatz zu den nur wenigen Monaten alten Gockeln, die hier für den Grill bestimmt sind, dürfen die Prachtstücke zwei bis drei Jahre leben, ehe es in den Ring geht.
Auch wenn ich die Faszination eines solchen Kampfes nicht nachvollziehen kann, so wollte ich es mir dennoch ansehen. Nicht zuletzt darum, da Haider, unser friedliebender Vater, uns in der Kindheit immer wieder einmal davon berichtete, dass er, als er in unserem Alter war, zuhause in Kabul auch zwei Kampfhähne gehabt habe.
Und so ging es dann am Sonntag gegen 15:00 Uhr hinauf zur Kampfstätte. Als wir eintrafen, da hatten sich bereits etliche Männer versammelt und saßen, so sie einen potentiellen Kämpfer dabei hatten oder sich zu dessen engeren Anhängern zählten, auf einem der vier im Rechteck als Sitzbalken abgelegten Palmenstämme. Im weiteren Radius darum saßen auf der Wiese alle die zwar ohne Tier, aber mit Interesse am Spektakel da waren.
Als würde ein verborgenes und sich uns nicht erschließendes Ritual abgehalten, wechselte man im inneren Rechteck die Hähne immer wieder von einer zur anderen Hand. Sachverständige Alte haben hier das Sagen. Sie tragen oft ein Bäuchlein vor sich her und ziehen sich gerne das T-Shirt bis an die obere Kante des Bauches nach oben, um so für genügend Ventilation zu sorgen.
Das Prozedere war offenbar ein Auswahlprozess, bei dem die Hähne dem kritischen Blick der Fachmänner standhalten mussten, um überhaupt erst die Ringfreigabe zu erhalten.
Dann, plötzlich, werden zwei der Tiere aus der Mitte entfernt und an weit auseinander liegende Enden des Platzes gebracht. Hier wartet dann je einer der älteren Männer, sowie ein Sekundant im Teenageralter, der ein schwarzes Kunstlederköfferchen mit sich trägt.
Der Junge öffnet das Behältnis und der Ältere greift hinein, um Schnur, Klebeband und eine gekrümmte Dolchklinge in Miniaturausgabe herauszuholen. Der Krummdolch wird dem Hahn an dem Dorn auf der Rückseite einer seiner Klauen festgezurrt, so dass seine Schläge tödliche Wunden hinterlassen können.
Dann strömt die mittlerweile auf vielleicht 50 bis 70 Personen angewachsene Menge zu der kleinen Arena, die vielmehr ein Verschlag aus Draht und Holz ist. Es fällt auf, dass sich darunter nur sehr wenige Frauen, dafür aber doch einige Kinder befinden.
Als die Kontrahenten von ihren Eigentümern in die Arena gebracht werden, sind die Plätze um den Schauplatz alle belegt. Bevor es losgeht, werden noch einige Wetten angenommen.
Das ohnehin durch den natürlichen Trieb vorhandene Aggressionspotential der Hähne wird noch verstärkt, indem man die Köpfe der Tiere, die sich noch im festen Griff der Züchter befinden, jeweils abwechselnd zum anderen heranführt und sie sich gegenseitig mit dem Schnabel aufeinander einhacken lässt.
Dann werden die Schäfte von den Klingen entfernt und die Tiere auf dem Boden so postiert, dass sie sich gegenüberstehen.
Ring frei.
Wie die sprichwörtlichen Streithähne gehen die Kombattanten mit Imponiergehabe aufeinander los. Der Kamm ist geschwollen, das Gesicht dunkelrot, die Federn am Kopfansatz kreisrund weit abgestellt.
So erinnern sie in der Tat an Männer, die in ihrer Wut und Hohlköpfigkeit aufeinander losgehen. Ich denke dabei zum Beispiel an Skinheads und Hooligans. Warum nimmt man eigentlich nicht diese Typen für diese Art der Volksbelustigung? Die tun das wenigstens freiwillig…
Ich bin mir nicht sicher, ob die Kämpfe immer ähnlich verlaufen. Ich beobachtete zwei davon. Aber ich war erstaunt darüber, wie schnell sie zu Ende sind und wie gezielt tödlich der offenbar alles entscheidende Stoß erfolgt, denn der unterlegene Hahn war jeweils recht plötzlich aus dem Leben geschieden.
Während der Überlebende wieder in die Obhut seines Besitzers übergeben wird, entbindet man das Opfer von seiner Waffe und trägt ihn aus dem Ring bis weit an den Rand des Versammlungsplatzes. Dort nehmen sich dann die fünf bis sieben jährigen Kinder seiner an und untersuchen ihn spielerisch aber nachgerade wissenschaftlich auf seine Wunden.
Ach ja: Der Verlierer landet dann offenbar später tatsächlich im Kochtopf. Das Fleisch sei aber aufgrund des hohen Alters der Tiere doch sehr zäh, so sagt man uns. Zudem kann es auch belastet sein, da man offenbar durchaus zu Dopingmitteln greift…