Wir sind ganz feige Winterflüchtlinge. Immer dem guten Wetter hinterher und sobald es mal unter 20 Grad hat, was uns glücklicherweise nur in Neuseeland und in Japan passiert ist, flüchten wir uns ins Dampfbad, drehen die Autoheizung auf oder kuscheln uns in die Heizdecken. Deswegen haben wir ihn eigentlich auch überhaupt nicht verdient, den Frühling. Aber wir können ihm hier auf Zypern einfach nicht entgehen. Es knospt und blüht unter einem strahlend blauen Himmel und überall riecht es nach Frühling. Gut, die Abende sind kalt, wären wir nicht so faul, würden wir den Kamin in unserem Häuschen in Gang setzen, aber eine heiße Dusche, eine warme Decke und ein Gläschen Rotwein hilft auch. So beginnen wir den Tag mit Frühstück im sonnigen Innenhof und genießen die Häuslichkeit. Hier macht selbst das Putzen Spaß und nach und nach waschen wir den Nepalstaub aus unseren Klamotten. Eine richtige Waschmaschine, die nicht bereits nach 30 Minuten kurz-durchs-kalte-Wasser-wirbeln den Eindruck erwecken möchte, dass jetzt alles sauber sei.
Ein bissle wollen wir natürlich auch von Zypern sehen, auch wenn es schwer fällt, sich vom Haus zu trennen. Nur einige Kilometer hinauf in die Berge wird es richtig kalt, wir stoßen sogar auf letzte Schneeausläufer. auch wenn die Skilifte schon längst den Betrieb eingestellt haben. Recht verlassen hier oben, zu warm für die Wintersaison und noch viel zu frisch für den Sommer. Auch wir werfen nur einen kurzen Blick in die Bergwelt des Troodos-Gebirges und flüchten uns dann wieder in die Wärme unseres Autos.
Nur kurz hinter unserem Dorf dann ein weiteres Idyll: das verschlafene Dörfchen Laneia, das jedes Zypern-Klischee voll erfüllt. Kleine verwinkelte Gässchen, blaue Holztüren und Fensterrahmen auf schneeweißen Steinhäuschen, nur leider vollkommen ausgestorben und ohne Taverne, von der man das Dorfleben genießen könnte. Ist halt noch Vorsaison.
Also dann auch mal weiter weg, Paphos ist das Ziel, ein archäologisches Zentrum und Badeort vorwiegend für Briten. Nach gut anderthalbstündger Fahrt erreichen wir die Königsgräber, eine Grabanlage der Ptolomäer, direkt am Meer
gelegen und beeindruckend in die Felsen gehauen. Haben sie gut ausgesucht, denn ohne die stadtähnliche Friedhofsanlage wäre auch dieses Gebiet mit Hotels zugepflastert. Ein schöner Ort, um den Anblick des strahlendblauen Meers zu genießen, die kleinen Salamander auf den Sandwegen zu beobachten und sich wie Indiana Jones zu fühlen – nicht nur die Kinder haben einen Riesenspaß, in das Gewirr höhlenförmiger Grabplätze und Verbindungsgänge einzutauchen und an ganz anderer Stelle wieder nach oben zu klettern.
Wir nutzen die Zeit auch, uns Gedanken über die weitere Reiseroute zu machen. Fehlen tun noch Afrika und Südamerika. Wenn ihr euch richtig gruseln wollt, lest doch mal die Reisehinweise des Auswärtigen Amtes – ein Wunder, dass im reisefreudigen Deutschland noch eine Familie existiert, deren Wertsachen nicht Opfer eines Schurken wurden. Dass Individualreisen nach Äthiopien oder Sambia gewisse Gefahren bergen, nun denn, aber noch nicht mal in Italien kann man unbedarft spazieren gehen – wenn es nach dem Auswärtigen Amt geht.
Und auch wir kriegen einen kleinen Eindruck vom europäischen Terrorgeschehen: eine entführte Maschine steht stundenlang auf dem Flughafen in Larnaka, bis es Entwarnung gibt. Es war wohl doch eher eine verzweifelte Liebestat. Einer der wenigen Tage, in denen wir ausflugsbedingt den ganzen Tag ohne Internet waren, so erfahren wir es erst, als schon wieder alles vorbei ist. Die armen Menschen im Flugzeug, sie haben es überlebt, aber wie wird man mit einer solchen Horrorerfahrung fertig?
Wir fragen uns häufig, in was für ein Deutschland wir da überhaupt zurück kehren werden. Wir haben den großen Flüchtlingsansturm nicht erlebt, sind an vielen Orten gelobt worden für Deutschlands Politik, in Neuseeland schüttelte die Vermieterin den Kopf über die Deutschen, „Wie soll das gehen? Das sind in wenigen Jahren so viele Menschen wie es Neuseeländer gibt.“, in Nikosia bedankte sich ein syrischer Flüchtling bei uns dafür, dass Deutschland so viele Menschen aufnimmt, entschuldigte sich aber, dass einige sich schlecht benehmen und bat um Gottes Beistand, damit Deutschland alles meistert.
Es ist schwierig, sich aus der Ferne eine Meinung zu bilden. Unsere Informationsquellen sind vor allem die Zeitungen im Internet und Berichte von Freunden, selber haben wir es aber nicht erlebt, weder die Euphorie am Anfang noch die Ressentiments nach der Silvesternacht in Köln oder die Stimmung nach den Wahlerfolgen der AfD. Alles also nur aus zweiter Hand, eine etwas wackelige Grundlage für eine feste Position. Uns freut es jedenfalls, dass in Deutschland etwas in Bewegung geraten ist und die längst fällige Diskussion über eine anständige Einwanderungspolitik in Gang kommt.
Vier Monate haben wir noch Zeit und die wollen wir nutzen. Mal eine Woche hier, mal zwei dort, das wollten wir ändern. Also gehen wir nach dem Ausschlussprinzip vor. Klima, Lust und Laune, Sicherheit, Kosten, all das wägen wir ab und kommen dann auf – Süd- und Mittelamerika.
Aber dann müssen wir ein weiteres Kriterium dazu nehmen: die mehr als verwirrenden Flugverbindungen, die keiner Logik zu folgen scheinen. Von Larnaka gibt es eh kaum Fernflüge, also starten wir doch von irgendeinem mitteleuropäischen Flughafen. Aber möchte man zum Beispiel von München nach Chile fliegen, muss man mit langer Wartezeit in Düsseldorf zwischenlanden. Ha, vermeiden wir das doch und starten von Düsseldorf aus. Haste gedacht, von Düsseldorf nur über München. Hä?
Die allerletzte Entscheidung ist noch nicht gefallen, aber es sieht gerade sehr nach Costa Rica aus, vielleicht mit einem Abstecher nach Panama und/oder Nicaragua. Spätestens morgen müssen wir buchen, denn wir kriegen Besuch aus Hamburg, auf den wir uns ganz und gar konzentrieren wollen. Wahnsinn, nach acht Monaten ein Stückchen Heimat. Wie das wohl wird? Ihr werdet’s sehen, vielleicht gibt es demnächst ja einen Gastbeitrag oder ein paar weinselige Photos oder beides.