Nur 25 Minuten Flugzeit von Mauritius entfernt liegt Europa. Ein Eiland mitten im indischen Ozean, gerade mal so groß wie das Saarland, aber Teil Frankreichs. La Réunion heißt die wilde Schöne im tiefblauen Meer, auf die wir Anflug nehmen. So nah an Mauritius und doch so anders – eben noch die strahlenden Türkistöne der Westküste bei Mahébourg, jetzt hohe wolkenverhangene Berge und ein Blick auf Europas teuerste Straße. Die Nouvelle Route du Littoral spannt sich entlang der Küste über das Meer, knapp 9 Kilometer der geplanten 12,5 sind fertig und die Gesamtbaukosten werden auf 2,5 Milliarden Euro geschätzt. Im Vergleich zu manch einem Tiefbahnhof fast ein Schnäppchen.
Wir zücken nach drei Monaten erstmals wieder unsere Euros, legen deutsche SIM-Karten in die Handys ein und fühlen uns in unserem kleinen Apartment unterm Dach fast ein bisschen wie in einer freundlichen Mansardenwohnung in Paris. Die Hauptstadt von La Réunion heißt Saint-Denis, ein fröhlicher Mix aus kreolischen Villen, einem schönen Park, gemütlichen Cafés und einer Fußgängerzone, in der wir das Bummeln durch die Geschäfte genießen. Wären da nicht das wilde Meer und die schroffen Berge im Hintergrund, das könnte auch Südfrankreich sein.
Was in La Réunion sofort auffällt, ist der Kulturmix, der die Geschichte der Insel widerspiegelt. Wie Mauritius war Réunion bei Ankunft der Europäer unbesiedelt. Die weißen Eroberer brachten Sklaven aus Madagaskar und Ostafrika ins Land und warben später Menschen aus Indien und China als billige Arbeitskräfte an. Was daraus entstand, ist ein Happy End, eine echte multikulturelle Gesellschaft, wie wir sie so noch in keinem anderen Land erlebt haben. Fast jeder Mensch hier scheint Afrika, Europa und Asien in sich zu tragen. „Als identitätsstiftend für alle Réunionaisen wird heute die als Métissage bezeichnete Vermischung und das friedliche Zusammenleben aller Bevölkerungsgruppen betrachtet.“, schreibt Wikipedia, und das bringt es sehr gut auf den Punkt.
Die Fröhlichkeit und Vielfältigkeit der Menschen spiegelt sich wieder in ihren entspannten Städten. Dabei ist das Paradies nicht frei von Problemen, hohe Arbeitslosigkeit, europäische Preise bei geringerem Verdienst, all das macht Réunion zu schaffen. Doch die Menschen scheinen das Leben hier trotzdem zu genießen, zwischen Bergen und Meer, zwischen Europa, Afrika und Asien.
Die gemeinsame Sprache ist, wie in vielen Ländern mit Sklaverei-Geschichte, Kreol. Aber anders als auf Mauritius ist das Kreol in La Réunion sehr nah am Französischen, also für uns einigermaßen verständlich. Englisch wird – ganz wie in der kontinentalen Grande Nation – eher schlecht gesprochen und verstanden. Aber mit unserem bisschen Schulfranzösisch und einigen dann doch recht gut englisch sprechenden Einheimischen kommen wir durch.
Ein ganz besonders netter Ort ist Saint-Pierre im Süden der Insel. Weder Hauptstadt noch mit spektakulären Stränden versehen, herrscht hier eine besonders entspannte Stimmung. Eine Promenade nebst Leuchtturm am Meer, ein freundlicher Stadtstrand, das ehemalige Fischerdörfchen Terre Saint – perfekt für ein Bier bei Sonnenuntergang -, eine Menge guter Restaurants und nicht zuletzt eine phantastische Stadtwohnung – hier kann man es aushalten. Im Le Caritologue genießen wir ein hervorragendes kreolisches Buffet, fast gegenüber im Afrik N Food begegnen wir zum ersten und sicher nicht letzten Mal der senegalesischen Küche – den Erdnusseintopf Mafe müssen wir unbedingt zu Hause nach kochen. Und unser Apartment mit Outdoor-Wohnzimmer und tropischer Bepflanzung würde ich trotz vergnügter Nachbarschaft mit entsprechender Geräuschkulisse jederzeit wieder mieten.
Die Städte auf La Réunion sind aber sicherlich nicht die Hauptattraktion der Insel. Und wer endlos lange Sandstrände möchte, wird besser auf Mauritius fündig. Auch sorglos ins blaue Meer eintauchen, könnte auf La Réunion unerfreulich enden – nirgendwo sonst auf der Welt ist die Gefahr eines Haiangriffs höher. Die eigentlichen Attraktionen von La Réunion liegen im Inneren der Insel. Und darüber berichten wir später.