Und schon war’s das wieder mit Wroclaw. Unglaublich, wie schnell neun Tage vorbeigehen. Das Wetter meint es heute etwas besser und so genieße ich den letzten Abend, wie der erste begann: auf dem Marktplatz mit einem Bier.
Wroclaw ist eine Reise wert, auf jeden Fall. Und zwei oder drei Tage sind zu wenig für diese spannende Stadt. Nicht nur bei gutem Wetter kann man es hier mindestens eine Woche gut aushalten und jeden Tag aufregende Dinge erleben. Wohnt man in oder nahe der Altstadt braucht man kein Auto, auch Tagesausflüge gehen gut mit der Bahn. So wie meiner nach Swidnica, dem früheren Schneidwitz. Etwa eine Stunde dauert die Fahrt, das Ticket ist günstig, die Züge modern und pünktlich. Auch in Swidnica findet sich ein hübscher Marktplatz mit bunten Häusern, die eigentliche Attraktion ist aber die Friedenskirche, mal wieder ein Weltkulturerbe. Im Jahr 1657 erbaut vermutet man hinter der Fachwerkkonstruktion nicht unbedingt eine Kirche. Und das ist gewollt, sie wurde nämlich in Folge des Westfälischen Friedens erbaut. Die dortige Vereinbarung für Schlesien ließ drei evangelische Kirchen im ganzen Land zu. Aber unter Bedingungen: nicht aussehen wie eine Kirche, auf möglichst schwierigem Grund bauen, mit möglichst ungeeigneten Materialien und in maximal einem Jahr. Sie haben’s geschafft, sogar in nur zehn Monaten, kein Nagel hält die Kirche zusammen und ihr Inneres ist prachtvoll. Wär das nicht ein Modell für die marode deutsche Bahn? Nur drei Großprojekte und maximal ein Jahr? Das mit dem möglichst schwierigen Grund halten sie in Stuttgart ja schon ein. Wir hätten einige Probleme weniger…
Wer es je nach Swidnica schaffen sollte: unbedingt dem Café Baroc am Eingang zum Kirchengelände einen Besuch abstatten, so historisch bekommt man seinen Kaffee selten serviert.
An einem strahlenden Morgen bekomme ich endlich die Gelegenheit, mir die Altstadt von Wroclaw mal von oben anzuschauen. Rauf auf den Turm der Elisabethkirche ist zwar schweißtreibend, aber das Panorama wirklich schön. Nur abwärts ist schrecklich, die enge gewundene Treppe mit stetem Gegenverkehr macht keinen Spaß, aber runter muss ich ja irgendwie. Viel angenehmer ist da die Aussichtsplattform der Universität. Auch von hier hat man einen schönen Blick, vielleicht nicht ganz so weit, dafür über gut ausgebaute, breite Treppen erreichbar. Die Uni ist eine Sehenswürdigkeit für sich, Breslau war eine europaweit anerkannte Hochschule und nach 1945 wurde hier quasi die Lemberger Professorenschaft angesiedelt. Die prunkvollen Säle waren schwer zerstört und wurden teilweise erst vor einigen Jahren rekonstruiert. Eine altehrwürdige Institution, die viel auf ihre Traditionen zu halten scheint. Das merkt man schon an der langen Galerie der Rektoren, alle im hermelinbesetzten Umhang mit Zepter. Nur ganz zum Schluss ein Outlaw: Prof. Pacholski, Rektor von 2005-2008, hat sich hemdsärmelig porträtieren lassen. Den roten Umhang locker über den Arm geworfen, sticht er aus der ehrwürdigen Reihe heraus. Ich glaub, mit dem hätte ich gerne zusammengearbeitet 🙂
Und wenn wir schon bei den Outlaws sind, jetzt endlich zu den Zwergen. Wieviele über das Stadtgebiet verteilt sind, weiß wohl niemand genau, die Angaben schwanken zwischen 150 und 600. Ursprünglich waren sie ein Symbol der „Orangen Alternative“, einer Spaß-Guerilla zu Zeiten des Kriegsrechts, und ich finde, das passt so gut zu den Polen: verschmitzter Protest. Mittlerweile schmücken sich viele Geschäfte mit den kleinen Gnomen, häufig passend zum Gewerbe und immer aufwändig gearbeitet sind sie zum Liebling der Touristen geworden. Für einen Urlaub mit Kindern ist die Zwergensuche sicherlich ein Highlight. Es gibt sie ganz klassisch weintrinkend vor dem Rathauskeller, aber auch sehr modern mit Laptop. Vor dem Geldautomaten stehen sie und kontrollieren die Abhebungen mit dem Rechenschieber, räkeln sich im Bett vor dem Art Hotel oder diskutieren Baupläne vor dem Architektenbüro. Jedenfalls zaubern sie einem immer ein Lächeln auf’s Gesicht.
So vieles könnte ich noch berichten von dieser schönen Stadt. Vom Lampenanzünder, der im schwarzen Umhang jeden Abend seine Runde über die Dominsel dreht. Von den modernen Shoppingcentern, die durchaus Spaß machen an einem verregneten Nachmittag. Von der fabelhaften, gut gelaunten polnisch-italienischen Frisörcrew von Fabryka No1, die mich vorhin verschönerte und sich über ihr Werk fast noch mehr gefreut hat als ich. Von der Markthalle, in der sie Steinpilze für 10 Euro das Kilo verkaufen. Den hübschen Parks und und und. Also, bevor es Wroclaw ergeht wie dem überfüllten Krakau oder Prag: herkommen und genießen!!!