Nach acht Tagen ist Schluss mit dem schönen wilden Patan. Der Entschluss ist gefasst, am nächsten Morgen nehmen wir den Bus nach Pokhara. In unserem Guesthouse haben wir Stephanie kennengelernt, eine Rechtsmedizinerin, die in Chemnitz lebt und interessanterweise recht bald nach der Wende vom Westen in den Osten gegangen ist, auch nicht so häufig. Sie will ebenfalls nach Pokhara, dann machen wir die Reise doch zu dritt.
Der Bus startet um sieben Uhr morgens und zwar von Kathmandu. Um ganz sicher zu gehen, sollen wir um sechs ein Taxi nehmen. Uuuuh…. Aber egal, wir können ja ganz früh ins Bett gehen…
Schon beim Frühstück sehen wir, dass die Einheimischen ein Fest auf dem Platz vor unserem Hotel veranstalten werden. Eine Straßenküche wird aufgebaut, ein großes Festzelt kommt dazu. Es ist die Zeit der großen Hochzeiten, wir sehen jeden Abend festlich geschmückte Menschen durch die Straßen laufen und zwei Deutsche, die wir ebenfalls im Guesthouse kennengelernt haben, sind extra für eine Hochzeit von Freunden angereist und berichten uns, dass es astrologisch ein perfekter Monat zum heiraten sei.
Also freuen wir uns darauf, Zaungäste einer nepalesischen Hochzeit zu sein, mit traditionellen Kleidern, Tänzen und Gesängen. Nach unserem letzten Spaziergang durch Patan kommen wir ins Hotel zurück, wollen noch ein wenig ausruhen, bevor wir zum gemütlichen Abendessen auf der Dachterrasse übergehen. Das Hochzeitsfest scheint gerade zu pausieren, nur wenige Menschen sitzen im Zelt. Na gut, dann schauen wir halt nachher mal vorbei.
Eric klärt noch etwas an der Rezeption, ich sinke aufs Bett, freue mich auf ein kurzes Spätnachmittagsschläfchen, schließe die Augen, räkele mich in den Laken als plötzlich – BUMM BUMM BUMM. Wilde Technobeats lassen das Bett vibrieren, die historischen Fenster bieten keinen Schutz vor der Party, ich würde mich nicht wundern, wenn Scooter neben mir im Bett sitzen und mir Hyper, Hyper ins Ohr brüllen würde. Ich schaue kurz hinaus, die Lautsprecher sind perfekt auf unser Zimmer ausgerichtet. Von traditionellen Gesängen und Tänzen keine Spur. Die wollen Spaß und zwar richtig!
Um acht gehen wir hoch auf die Dachterrasse und bekommen ein leckeres nepalesisches Curry serviert. Die Gemeinde unten ist mittlerweile bei „We will rock you“ in der Techno-Hardrockvariante angekommen. Wir schauen vom Balkon aus runter, sie tanzen und johlen, es gibt ein DJ-Pult, auf dem sich mehrere Leute tummeln und die Menge anheizen.
Um viertel vor neun sind wir wieder unten in unserem Zimmer, mir schwant schon, dass unsere Ohrstöpsel hier wenig ausrichten werden. Aber ist ja noch nicht mal neun (obwohl ich recht müde bin, ich könnte jetzt schlafen, wenn nicht BUMM – How – BUMM – is – BUMM – the -BUMM – fish). Wollen wir mal nicht spießig sein, geheiratet wird idealerweise nur ein mal im Leben und es ist erst neun. Gut, nehm ich halt meine Kopfhörer und guck mir auf Youtube mit maximaler Lautstärke einen Tatort an (es gibt fast alle mit Hansjörg Felmy, 70er-Atmosphäre pur!). Gegen zehn fallen mir zunehmend die Augen zu, ich probier’s jetzt einfach. Ich quäle mich noch mal aus dem Bett, suche nach den Ohrstöpseln, stecke sie so tief wie möglich in die Ohren, lege mich wieder hin, brülle Eric ein „Gute Nacht!“ zu, ziehe die Decke dicht über die Ohren, seufze tief und – Ruhe. Mitten im Song haben sie abgebrochen. Ganz traue ich dem Frieden nicht, der DJ braucht eine kleine Verschnaufpause, ein Stromausfall, die Ruhe vor dem endgültigen Sturm. Aber nein – es bleibt ruhig! Wow!!! Ich kann mich kaum darüber freuen, weil ich umgehend in Tiefschlaf verfalle.
Um 5 klingelt der Wecker und wie gerne würde ich noch mal unter die Decke kriechen. Aber nein, auf nach Pokhara. Zu dieser frühen Stunde kriegen wir trotzdem ein leckeres Frühstück, das Taxi wartet bereits auf uns, wir sind – natürlich – viel zu früh an der Bushaltestelle. Ein sogenannter Touristenbus, um den wir sehr froh sind, nachdem wir später einige Local Busses überholen, die sehr gut gefüllt sind. Der Bus hält alle zwei Stunden an Raststätten mit sauberen Toiletten und gutem Essen, die Sitze lassen sich komfortabel nach hinten klappen, ein kleines nepalesisches Mädchen in der ersten Reihe sorgt für allerbeste Unterhaltung. So ein fröhliches Kind, sie grinst mir zu, wir spielen über mehrere Reihen hinweg Verstecken hinterm Sitz, sie präsentiert lachend ihre leckeren Chips, ich kontere mit meinen noch Leckereren und einer Mandarine, sie sticht mich mit Weintrauben aus. Die Fahrt geht über eine holprige Gebirgsstraße mit anfänglichem Stau, die Überholmanöver unseres Busfahrers sind Präzisionswunder, manchmal passiert er die entgegenkommenden Fahrzeuge mit nur wenigen Zentimetern Abstand. Wir fahren in die Berge, der Dunst bleibt, aber die Szenerien werden ländlich – kunstvoll aufgetürmte Heustapel, Bauern, die dem von zwei Rindern gezogen Holzpflug folgen, Stephanie berichtet von zwei Geiern, die am Ortseingang saßen. Mit anderthalb Stunden Verspätung kommen wir in Pokhara an, egal, es war eine angenehme Fahrt. Die Stadt ist der Ausgangspunkt für Treks rund um den Annapurna. Eric und ich haben ein Hotel vorgebucht, Stephanie kommt mit und mietet sich für eine Nacht ein. Sie wird morgen in aller Frühe zu einem 220 km langen Trek aufbrechen, ganz alleine. Wir werden es uns in Pokhara wohl erst mal gemütlich machen. Wir verabschieden uns, sie ist uns echt schon ans Herz gewachsen. Viel Spaß und Erfolg, liebe Stephanie!