So nett es war, ich fühle mich ein wenig befreit: kein Haus mehr, keine Hunde und keine Verpflichtungen – dafür ein silberner Flitzer, dessen Nummernschild allein schon nach Abenteuer riecht: NT (das steht für Northern Territory) und dann: Outback!
Doch das muss noch warten, zunächst einmal ist aber Darwin dran, die Innenstadt hebe ich mir für den Abfugtag auf, aber die Küste und die vielen Strände will ich sehen, bevor ich ins Landesinnere abtauche. So fahre ich einfach mal drauf los, die Straßen sind leer und das Linksfahren ist komischerweise überhaupt kein Problem. Ich komme in die Gegend meines Housesits, da ging’s doch los mit den Stränden und noch bevor ich die Küste sehe, stehe ich plötzlich vor dem „Museum of the Northern Territory“. Ja klasse, da wollte ich auch hin. Die Mittagssonne sticht, das Museum ist umsonst und gut gekühlt, also rein da.
Eine ungewöhnliche Zusammenstellung dessen, was Darwin und das Northern Territory ausmacht: Aboriginal Kunst, die einheimischen Tiere mit Fokus auf die besonders tödlichen, Boote des Pazifik und alles über den Zyklon Tracy, der 1974 die Stadt verwüstete. Gut, dass ich mir das erst jetzt angeguckt habe. In sehr anschaulicher Art werden die Ereignisse der Weihnachtsnacht 1974 dargestellt und mir erst jetzt klar, was für eine Katastrophe damals über die Stadt kam. Die Menschen feierten gemütlich Weihnachten, als sich der Sturm über dem Meer zusammenbraute und Kurs Richtung Darwin nahm. Am frühen Morgen des 25. traf er die Stadt mit voller Wucht und bei diesem Ausmaß der Zerstörung ist es ein Wunder, dass nur 71 Menschen ums Leben kamen. Die Bilder der abrasierten Häuser ähneln in grausamer Weise den Aufnahmen im Museum von Hiroshima, das wir im letzten Jahr besuchten. Darwin wurde später evakuiert, fast die komplette Bevölkerung von über 40.000 Einwohnern wurde ausgeflogen und ich bin wieder mal erstaunt, dass Menschen die Kraft hatten, zurückzukehren und ihre Stadt neu aufzubauen.
An der Tür zu einem kleinen Raum im Museum hängt ein Schild: Menschen, die den Zyklon 1974 miterlebt haben, sollten aus Retraumatisierungsgründen nicht eintreten. Drinnen ist pechschwarze Dunkelheit und ein furchtbarer Lärm – Heulen, Schleifen, Ächzen, Donnern. Die Originaltonaufnahmen des Zyklon. Ein ganz kleiner Eindruck, wie es in der damaligen Nacht gewesen sein muss, stockfinster und diese Horrorgeräusche. Nach fünf Sekunden flüchte ich aus dem Raum.
Alle Wohnhäuser in Darwin müssen seitdem einen gemauerten Raum enthalten, der keine Fenster hat und als Bunker dienen kann. Stimmt, die Waschküche bei meinem Housesit war so ein Raum. Und plötzlich fällt mir auch der Fernsehspot ein, der davor warnt, in der Zyklonsaison Gartenmöbel und Grills draußen stehen zu lassen und vorschlägt, jetzt doch die Bäume beschneiden zu lassen und das Dach auf lose Ziegel hin zu untersuchen. Irgendwie haben sie schon andere Probleme hier.
Dafür haben sie aber eine grandiose Natur. Im Naturschutzgebiet von East Point, vor dessen Toren ich vor ein paar Tagen schon mal umdrehen musste, weil Hunde dort nicht erlaubt sind, beginnt ein paar hundert Meter hinter dem Parkplatz der Mangrovenwald. Bunte Vögel und noch buntere Krebse kann man von Stegen aus beobachten, während die Bäume von der einsetzenden Flut umspült werden. Wieder mal kaum jemand hier, obwohl Sonntag ist, wahrscheinlich gewöhnt man sich rasch an die Schönheit der Natur.
Doch das Highlight des Tages kommt noch. Ich beziehe ein Zimmer im Darwin Tropical Resort, der letzte Außenposten der Stadt ganz im Norden. Nur drei Minuten entfernt liegt der Strand von Casuarina , den mir der freundliche Rezeptionist für einen entspannten Sonnenuntergang empfiehlt.
Nur wenige Autos parken am Zugang zum Strand. Wieder sehe ich große Warntafeln, diesmal gelten sie nicht Krokodilen, sondern „Box Jellyfish“, Würfelquallen. Nicht schwimmen. Auf keinen Fall. Und schon gar nicht zu dieser Jahreszeit.
Aber was für ein Strand! Riesig, breit und unendlich lang. Ein wunderbares Licht zu dieser Tageszeit und die paar Menschen, die ihre Hunde hier spazieren führen, verlieren sich in der Weite. Ein leichter Wind, sanfte Wellen, ein perfekter Abendstrandspaziergang. Als die Sonne dann langsam untergeht scheint der Himmel wie in Feuer getaucht. Ein unglaubliches Farbenspiel, die intensivsten Rottöne und ich schwöre, die Bilder sind nicht bearbeitet.
Und das alles quasi in der Stadt. Wie wird das erst, wenn ich aufs Land fahre. Oder gar wirklich ins Outback. Sie haben hier schon ein ganz besonderes Fleckchen Erde, diese Australier. Ganz besonders gefährlich und ganz besonders schön.