Von Costa Rica haben wir bisher nur Gutes gehört. Ein Naturparadies und so sicher. Die Schweiz Mittelamerikas. Deswegen haben wir uns nach langem Überlegen auch gegen Südamerika entschieden und außerdem haben wir uns mal wieder von unserem (Schwaben-) Glück inspirieren lassen. In einem Buchladen in Zypern entdeckte ich einen aktuellen Mittelamerika-Reiseführer von Rough Guide für 7,70 Euro. So ein Schnäppchen, da mussten wir zuschlagen.
Also flogen wir von Madrid nach San José, der Hauptstadt Costa Ricas. Mit Avianca, einer kolumbianischen Fluglinie und bisher eigentlich unser bester Flug. Nach einer Zwischenlandung in Bogota kamen wir am Nachmittag an und steckten mit dem Taxi erstmal lange im Stau fest. Als wir uns dann der Straße näherten, in der sich unser Hotel befand, wurde die Gegend immer merkwürdiger, schmierige Bars, Hotels, die ihre Zimmer auf Plakaten stundenweise anpriesen, Fabrikgelände und Parkplätze, die durch hohe Mauern mit Stacheldraht gesichert waren. Auch unser Hotel, ein netter Kolonialbau mit viel Atmosphäre, war hinter Gittern gesichert. Aber wir waren so kaputt von langem Flug und Zeitumstellung, dass wir nur noch ins Bett fielen.
Am nächsten Morgen machten wir uns auf, San José zu entdecken. Sehenswürdigkeiten gäbe es nicht, aber der Ort sei auf den zweiten Blick ganz nett, hatte uns unser Reiseführer vorbereitet. Ein paar Kolonialbauten, der gelegentliche Blick auf die Berge und ein Zentralmarkt mit vielen kleinen Restaurants, das hat uns gefallen. Aber ansonsten fremdeln wir. Während unserer gesamten bisherigen Reise hatten wir das große Glück, fast immer auf sehr freundliche Menschen zu stoßen. Die Menschen in San José sind bestimmt nicht unfreundlich, aber eher desinteressiert. Die Frauen sind hier fast alle übergewichtig und tragen etwas zu enge Hosen, etwas zu hohe Schuhe und etwas zu viel Make-up. Ihr merkt: der Funke ist noch nicht übergesprungen.
Aber, es gab auch tolle Momente. Das Café im Nationaltheater zum Beispiel, ganz im klassischen Stil mit Deckengemälden und schwarz-weißem Marmorboden. Dort wird Kaffeekultur zelebriert. Man hat die Wahl zwischen sechs verschiedenen Kaffeesorten, jede akkurat beschrieben nach Geruch und Geschmack, frisch für jeden Gast gemahlen und am Tisch in einem eigenen Filter aufgebrüht. Ich entscheide mich für „San José“, ein „eye-opener“ zum Abschalten, mit dem Aroma von Holz und dunkler Schokolade und dem Geschmack von Kakao und Grapefruit, sagt die Beschreibung. Eric entscheidet sich für „Karthago“ mit Honig-Nuss Aroma und dem Geschmack von Pflaume und Lebkuchen. So trinken wir unseren Kaffee andächtig wie bei einer Weinprobe und schmecken zum Schluss tatsächlich ungewöhnliche Aromen heraus.
Dann die alte Frau, die ganz selbstvergessen zur Musik einer Straßenband tanzt. Diese unseligen südamerikanischen Panflötenspieler mit elektronischer Verstärkung gibt es nicht nur auf der Stuttgarter Königstraße, sondern tatsächlich auch in der Nähe des vermeintlichen Ursprungsorts. So wirklich Begeisterung ruft die Band bei den Passanten nicht hervor, als jedoch eine alte Dame auf einmal vor die Gruppe tritt und mit erstaunlicher Taktsicherheit und Beweglichkeit Lied für Lied tänzerisch interpretiert, bildet sich eine große Menschentraube. Da können die Pandüdler wirklich froh und dankbar sein.
Und dann vielleicht noch ein Wort zur Küche in Costa Rica. Wirklich große Erwartungen hatten wir nicht. Fleischmengen gegrillt wie in Venezuela oder trockene Tacos wie in Mexiko, unsere einzigen Nicht-US-Amerika-Erfahrungen, mehr Vorstellungen hatten wir nicht. Aber weit gefehlt, das Essen ist klasse. Sehr gut gewürzt, sehr vielfältig und mit vielen vegetarischen Optionen. So genießen wir im Zentralmarkt Abenteuerteller mit vielen verschiedenen Beilagen: Reis mit Bohnen, Bohnenmus, Salat, Kochbananenchips, gedämpftes Gemüse und so weiter. Verhungern werden wir hier nicht!
Was aber stark dazu beiträgt, dass wir uns noch nicht richtig mit Costa Rica anfreunden können, ist unser Sicherheitsgefühl. Man darf einfach nicht so genau im Internet nachlesen… Aber die festungsartigen Parkplätze und die ebenso stark gesicherten Einfamilienhäuser vermitteln uns ganz ohne Horrorstories den Eindruck, dass auch die Einheimischen Angst um ihr Eigentum haben. Dazu ein kleiner Gang durch’s nebenan gelegene Rotlichtviertel und danach die Erlebnisberichte im Internet. Da kommt man schnell in einen gewissen Unbehaglichkeitsmodus. Recht spät abends fällt uns dann noch ein, dass wir Geld holen müssen, wir wollen früh am nächsten Morgen weiter in einen Ort ohne Geldautomaten, also gibt es keine Alternative. Ich ertappe mich dann dabei, wie ich vor dem kleinen Kabuff, in dem Eric den Geldautomaten bedient, Wache stehe und die Vorbeikommenden argwöhnisch beobachte. Natürlich geht alles gut, natürlich kommt keiner auf die Idee, uns zu überfallen. Aber ein gewisses Magengrimmen bleibt. Na, wenigstens sprachlich wäre ich dem gewachsen: Esto es un robo! Dies ist ein Überfall! Den Satz habe ich schon als Teenie von Paul Newman und Robert Redford als Butch Cassidy und Sundance Kid gelernt. Kann man durch entsprechende Betonung ja auch in eine Frage ummünzen. Falls uns eine dunkle Gestalt begegnet und wir nicht sicher sind, ob sie was Böses will. Ab jetzt im Internet nur noch die Seiten mit den guten Nachrichten!