Wir werden alt. Gujarat wollten wir bereisen, dort, wo kaum einmal ein westlicher Tourist hinkommt. Und dann war es uns doch zu anstrengend. Und das nahe Rajasthan lockte. Eine weitere Nacht im staubigen Ahmedabad überzeugte uns – wir wollen es leichter haben. Obwohl sie uns in eine Suite upgegradet hatten, deren Besonderheit war, dass dort auch Alexa wohnte. Der freundliche Mann von der Rezeption kam extra mit uns hoch, um uns mit Alexa bekannt zu machen. „Alexa, curtains close“, „Alexa, bathroom lights on“, hat sie alles brav gemacht. Den Abend verbrachten wir damit, ihre Fähigkeiten zu testen. „Alexa, sing a christmas song“, „Alexa, tell us a goodnight story“, sehr lustig. Am Morgen dann stiegen wir wieder ins Taxi – auch das ein Zeichen unseres zunehmenden Alters – und ließen uns ins 250 km oder fünf Stunden entfernte Udaipur in Rajasthan fahren. Vor etwa zehn Jahren waren wir das erste mal in Rajasthan und Udaipur mit seinem See und dem strahlend weißen Lake Palace Hotel auf einer Insel mittendrin hatte es uns besonders angetan. Der Inbegriff der Erholung damals, den ganzen Tag in gemütlichen Cafes sitzen und auf den See starren – ja! Wir haben ein ganz reizendes Hotel in der Altstadt von Udaipur, mit tollem Dachrestaurant, See- und Palastblick, genau das wollten wir. Die übersichtliche Altstadt mit netten Restaurants, der beeindruckende Palast und dazu ist noch Vorsaison und die Touristenzahlen halten sich in Grenzen. Rajasthan ist ein echtes Fest für die Sinne, so bunt, so exotisch, so nah dran am Maharadscha-Traum von Indien. Udaipurs Palast, direkt am See auf einem Hügel gelegen, begeistert uns für viele Stunden. In den schattigen Innenhöfen kann man seinen Gedanken nachhängen, sich vorstellen, wie gut es sich die Rajputen damals haben gehen lassen. Danach dann der Hitze auf ein schattiges Dachrestaurant entfliehen und den Ausblick auf den See genießen. Das Lake Palace Hotel ist eines der spektakulärsten Hotels der Welt, in einem 1746 auf einer Insel erbauten Marmorpalast glänzt es weiß und majestätisch im Pichola-See. Wer hier übernachten möchte muss schon einen Tausender liegen lassen, kriegt dafür sicherlich auch fürstliches geboten. Den besten Blick, nämlich den auf See und Hotel, bekommen aber wir Normalübernachtenden. Also wieder alles richtig gemacht mit unserem Hotel auf der Landseite 🙂
Udaipur bietet uns genau die Entspannung, die wir gesucht haben und damit ist eigentlich klar, dass wir weiter in Rajasthan bleiben. Jodhpur war eine weitere Stadt, die uns vor vielen Jahren begeistert hat, und strategisch günstig auf dem Weg dort hin liegen zwei weitere Highlights: die Bergfestung Kumbhalgarh und der Jaintempel in Ranakpur. Wir heuern wieder einen Taxifahrer an und holpern zu der riesigen Festungsanlage aus dem 15. Jahrhundert mit einer beeindruckend langen Festungsmauer. Unser Taxifahrer meint, es sei die zweitlängste Mauer nach der Chinesischen, das englische Wikipedia spricht von über 80 km, das deutsche von 36 Kilometern. Wie lang auch immer, die Mauer und die von ihr umgebenen Festungsgebäude sind beeindruckend. Schade nur, dass die neuzeitlichen Architekten und Bewohner der Festung es nicht so mit den Sanitäranlagen haben – nur knapp überlebe ich die eindeutig widerlichste Toilette der ganzen Reise. Der Palast und der gigantische Blick auf die grüne Hügellandschaft entschädigen mich aber schnell. Besonders beeindruckend ist ein kleiner Kuppelraum in einer Ecke des Palastes: indische Schülergruppen lärmen dort und uns wird schnell klar, dass es um die besondere Akustik geht. Als alle weg sind, stimme ich ein Liedchen an – wow, was für ein Klang! Hier kann wirklich jeder singen. Es wird immer heißer und wir freuen uns auf unser wohltemperiertes Taxi, das vor dem Tor auf uns wartet. Jetzt also weiter zum Jaintempel. So ganz groß waren meine Erwartungen nicht, gebe ich zu. Vor vielen Jahren haben wir im Norden Rajasthans einen Tempel der Jains besucht, den ich als eher unspektakulär und ohne besondere Atmosphäre in Erinnerung habe. Diese Religion beeindruckte mich bisher vor allem durch ihre Gewaltlosigkeit – strikter Vegetarismus, manche tragen Atemmasken und kehren den Weg vor sich, um nicht versehentlich Insekten einzuatmen oder zu zertreten. Der junge Jain-Mönch, der uns in perfektem Deutsch am Eingang anspricht und eine kurze Einführung in den Tempel anbietet, bestätigt diesen sehr freundlichen Eindruck. Er spricht einen Segen für uns und schon fühle ich mich noch besser als sowieso schon. Aber viel wahrscheinlicher liegt es an diesem unbeschreiblich schönen Tempel – ein Traum aus geschnitzten Marmorsäulen, Pavillons mit Götterfiguren, Säulengängen und marmornen Elefanten. Der gesamte Tempel wirkt luftig und trotz der nicht geringen Besucherzahl findet sich überall ein Eckchen, in dem man es sich auf einer Balustrade gemütlich machen und die besondere Atmosphäre in sich aufnehmen kann. Was für ein schöner Ort!
Es fällt mir nicht leicht, mich von hier zu trennen, aber wir haben noch ein Stück vor uns. Also wieder rein ins Taxi und weiter nach Jodhpur. Es ist schon dunkel, als wir in der Altstadt ankommen, das Chaos hat uns wieder, der Verkehr und so viele Kühe. Aber auf uns wartet auch ein sehr schönes Hotel, ein altes Haveli, ein ehemaliges Wohnhaus reicher Handelsleute. Wir sind froh, endlich angekommen zu sein und ein gutes Restaurant gleich über uns auf dem Dach zu wissen. Eine kurze Pause, dann hoch und – noch mal Wow nach den vielen Sensationen heute: wir blicken direkt auf das Meherangarh-Fort, majestätisch und perfekt beleuchtet liegt es direkt gegenüber und begleitet uns den ganzen Abend bei leckeren Currys und wir können uns nicht sattsehen an dieser Pracht. So viel Schönheit an einem einzigen Tag. Das war eine gute Entscheidung mit Rajasthan.