Vientiane

Ich hatte mir einiges versprochen von Vientiane was die Atmosphäre angeht. Aber so richtig ist der Funke nicht übergesprungen. Das Tempo in Laos’ Hauptstadt ist äußerst gemächlich, es gibt wenig zu sehen und nicht mal die Lage direkt am Mekong schafft eine Besonderheit. Es ist ja nicht so, dass ich auf irgendetwas sensationelles aus gewesen wäre, ich wollte vor allem eine gute Atmosphäre und wäre dann gerne auch zwei oder drei Wochen geblieben. Aber hier ist irgendwie nichts davon und deswegen werde ich morgen in den Bus springen und weiter Richtung Süden fahren. Mensch Laos, jetzt streng Dich aber mal an!
Der Flug war jedenfalls sehr angenehm und laotisch-gemütlich, ein kleiner Flughafen, man spaziert selber von der Abflughalle zum Flugzeug, sonderlich hoch wird nicht geflogen, der ganze Flug dauert ja keine dreiviertel Stunde. In Vientiane dann das gleiche Bild, das Gepäckband mutet sozialistisch an und ruckzuck bin ich schon in der Stadt und in meinem Hotel. Und das ist ein absolutes Schnäppchen und außerdem auch noch blitzesauber. Und das kulinarische Angebot ist eine Überraschung, hier kann man sich durch ganz Asien essen, es gibt japanische, koreanische, malayische, indische oder vietnamesische Restaurants mit hervorragendem Angebot und wenn ich wollte, könnte ich mir auch eine leckere Pizza aus dem Steinofen genehmigen. Die Kernstadt besteht aus ein paar Regierungsgebäuden, einigen modernen Tempeln und ab und an einem Kolonialhaus. Die Uferpromenade ist auf den ersten Blick gar nicht als solche erkennbar, denn der Mekong hat sich bei Niedrigwasser – die chinesischen Staudämmer werden auch ihren Anteile daran haben – sehr weit zurückgezogen, fast könnte man trockenen Fußes ins gegenüberliegende Thailand spazieren. Die Abendstimmung ist freundlich, der wenig Wasser führende Fluss hat einen Strand entstehen lassen, Menschen gehen mit ihren Hunden spazieren und Kinder tollen im Sand. Romantik kommt trotz eines sehr schönen Sonnenuntergangs nicht auf, denn wenn’s dem Laoten zu stimmungsvoll wird, dann steigt er auf seine Jetski und donnert lärmend vor der untergehenden Sonne herum.


Am nächsten Tag miete ich mir ein Fahrrad und folge der im Reiseführer beschriebenen Tour. Die führt mich zu einigen Wats, die ganz nett sind. Das Highlight ist hier sicher der Wat Sisaket mit hunderten von Buddhafiguren, die ganze Anlage versprüht einen merkwürdig morbiden Charme, obwohl sie deutlich jünger als die Tempel in Luang Prabang ist. Hier herrscht jetzt wirklich mal eine sehr schöne Atmosphäre, ich lasse mir sehr viel Zeit, die Buddhafiguren auf mich wirken zu lassen und der bröckelnde Charme verleitet mich dazu, mal ein bisschen mit den Programmen meiner Kamera zu spielen.

       

Schon in Luang Prabang waren mir die Schilder aufgefallen, die eigentlich die ganze Stadt zur rauchfreien Zone erklärte. Und das setzt sich hier in Vientiane fort, ich befinde mich in einem „smoke-free temple“ und tatsächlich sieht man auf den Straßen bis auf ein paar Touristen so gut wie niemanden rauchen. Das haben sie echt gut hingekriegt.
Ich setze die Tour fort, aber der Tempel bleibt das Highlight. Die Straßen sind breit und teilweise dreispurig, aber der Verkehr ist so gemächlich, dass es überhaupt kein Problem ist, mit dem Fahrrad auch mal gewagte Abbiegemanöver zu unternehmen. Ich erreiche das Nationalmuseum und habe jetzt doch so lange getrödelt, dass es schon halb vier ist und das Museum in einer halben Stunde schließt. Ich gehe trotzdem rein, bei einem Euro Eintrittspreis kann ich ja noch mal wieder kommen. Die Ausstellung lässt sich auch in kürzerer Zeit bewältigen, die englischen Übersetzungen sind eigenwillig, aber eines wird mir deutlich: dieses Land hat seit Jahrhunderten gelitten, Siamesen, Franzosen, Amerikaner, alle haben hier zerstörerisch gewirkt. Die Siamesen haben die meisten Tempel zerstört, die Kolonialherren die Bevölkerung unterdrückt und die Amerikaner so viele Bomben abgeworfen, dass heute noch 80 Millionen Blindgänger im Boden versteckt liegen. In Vientiane gibt es ein Prothesenmuseum, das spare ich mir.
Tja, jetzt habe ich Vientiane gesehen. Die morgige Busfahrt wird mich mindestens sechs Stunden über Land führen und ich hoffe auf einen Bus mit verträglichen Temperaturen und ohne kreischend laute Videos. Wenn mein Ziel Thakhek mich nicht sofort in seinen Bann schlägt, reise ich am folgenden Tag weiter nach Savannakhet, immer auf der Suche nach einem freundlichen Ort, der einen gefangen nimmt und an dem es sich ein paar Tage gut aushalten lässt. Das kann gar nicht sein, dass das hier nicht gelingt!

 

Déjà vu

Eric und ich waren vor vielen Jahren bereits einmal in Luang Prabang, das ist mindestens 15 Jahre her und wir folgten auf unserer Südostasienreise einer spontanen Idee. Auf einem Flugzeug von Bangkok Airways hatte Eric einen ungewöhnlichen Tempel entdeckt und beschlossen, sich den in echt angucken zu wollen. Und so machten wir damals einen kurzen Abstecher nach Laos.

Ich habe noch nie einen Ort erlebt, der sich trotz touristischer Beliebtheit zumindest architektonisch so gut wie gar nicht verändert. Hier ist alles noch beim Alten, selbst das schöne Hotel, in dem wir damals wohnten, sieht noch genauso aus wie vor 15 Jahren. Auf dem Nachtmarkt sind die stimmungsvollen Lampions elektrischen Glühbirnen gewichen und die Nebenstraßen sind besser befestigt – viel mehr hat sich im Stadtbild nicht verändert. Die Touristenschwärme – damals hatten wir immer mal wieder das Gefühl, die einzigen Besucher zu sein – dominieren das Stadtbild noch nicht völlig und haben auch einen guten Effekt: die Zahl der schönen Cafés und Restaurants ist gestiegen.

Ommm – I don’t care

Nach meiner ersten schlechten Übernachtungserfahrung finde ich ein schönes kleines Hotel in einem Holzhaus am Fluss. Was für ein Genuss nach dem Ärger am vorigen Tag. Aber, Ihr Lieben, Eure „Hilfreich“-Klicks haben meine gute Laune sehr befördert… Kleines Update gefällig? Der Eigentümer schrieb unter meinen Kommentar auf TripAdvisor „were I to respond, I too would seem neurotic“, also „würde ich antworten, würde ich auch neurotisch wirken“. Hat TripAdvisor wegen des unangemessenen Inhalts dann gelöscht, eigentlich schade, das beschreibt ihn so wunderbar…

Also, ab jetzt habe ich es nur noch mit netten Menschen zu tun. Luang Prabang ist klein, der Kern mit den wunderbaren Klosteranlagen und der französischen Kolonialarchitektur zu Fuß locker machbar. Die Bauten sind unglaublich prächtig, überall leuchtet es golden, aber leider ist die Sonne hier so grell, dass man die volle Schönheit auf Photos gar nicht so gut einfangen kann.

Die geschachtelten, tief gezogenen Dächer der Wats und die wunderbare Kombination aus dunklen Rottönen und Gold machen die Anlagen absolut einzigartig. Sie sind voll in Betrieb, nachmittags um vier machen sie sich akustisch besonders bemerkbar, denn dann legt sich ein Teppich aus Trommelgeräuschen über die Stadt. Gegen halb sechs schallen die Gesänge der Mönche durch die Straßen und Besucher sind bei der Andacht im Tempel willkommen. Eine sehr schöne Einstimmung für den Abend, eine ruhige Stunde in einem der Tempel zu verbringen.

 

Danach dann ein kaltes Beerlao und ein leckeres Essen in einem der vielen guten Restaurants. Die Einflüsse der Nachbarn Thailand und Vietnam sind spürbar, aber die Küche ist doch eine ganz eigene. Auf dem Nachtmarkt wird man locker für knapp zwei Euro satt: riesige Buffets mit Gemüse- und Currygerichten und allerlei Gegrilltes am Stiel – sehr lecker. Oder man lässt sich an einem der langen Tische nieder, hinter denen Nudelsuppen zubereitet werden, auf Wunsch scharf wie in Thailand und mit vielen Kräuter wie in Vietnam. In klassischen Restaurants gibt es unglaublich raffinierte asiatische Leckereien – geräucherte Auberginenpaste, gegrillter Bambus mit frittiertem Thaibasilikum, Papayasalat, gebratene Pilze mit Kaffirlimettenblätter und Cocos – das ist eine sehr sehr feine asiatische Küche mit intensiven Aromen und ungewöhnlichen Geschmackserlebnissen. Tagsüber trifft man überall auf französische Einflüsse, die Kolonialzeit dauerte 60 Jahre und das Baguette, die Croissants und die Chaussons aux Pommes sind hier genauso präsent und genauso lecker wie in Paris. Überhaupt scheinen sich die Stilsicherheit der Laoten und der Franzosen hier wunderbar zu ergänzen, Cafés und Hotels im Indochine-Stil sind eine Augenweide.

  

Nur durch Kleinigkeiten wird man immer mal wieder daran erinnert, dass Laos noch ein Entwicklungsland ist. Der Stöpsel im Waschbecken lässt sich nicht bewegen, das Wasser dadurch nicht abfließen. Der nette Manager erklärt, dass es sich bei Armatur und Stöpsel um „different companies“ handeln würde und hebelt den Stöpsel pragmatisch einfach ganz raus. Es gibt einen Fernseher (nicht, dass ich hier irgendwie auf Fernsehen aus bin), aber irgendwie keine Programme, einen Wasserkocher, dessen Stromkabel vom Tisch nicht bis zur Steckdose reicht, einen Kühlschrank, der nur laufen kann, wenn man im Zimmer ist, weil nur dann die Stromversorgung funktioniert. Alles wirklich kein Problem und irgendwie ganz sympathisch, Laos ist eben nicht Singapur.

 

Die Altstadt von Luang Prabang liegt auf einer Halbinsel, die vom Mekong und seinem Nebenfluss Nam Khan umflossen wird. Es herrscht Niedrigwasser, den Nam Khan kann man noch auf provisorischen Bambusbrücken überqueren. Der Blick auf den Mekong ist absolut beeindruckend, vorallem vom Berg Phousi aus, dessen Stufen ich erklettere, um den Sonnenuntergang zu genießen. So wenig die Touristenmassen sonst auffallen – hier sind sie alle… Viele Europäer und Amerkaner, durchaus auch Australier und viele Chinesen, die meine Vorurteile wieder heftig nähren – laut, unfreundlich und fordernd erlebe ich sie. Und immer mal wieder Südkoreaner und ich beschließe, dass ich da unbedingt einmal hin muss. So freundlich, so lustig, so nett. Die Gespräche sind zwar kurz, weil sie meist nicht besonders gut englisch sprechen, aber von großer Herzlichkeit getragen. Leider ist es dort gerade noch viel zu kalt, sonst wäre das mein nächstes Ziel gewesen.

Ein einsamer Sonnenuntergang?
Nö….

 

Den Abend beschließe ich meist mit einem Spaziergang über den Nachtmarkt, der jeden Abend auf der Hauptstraße aufgebaut wird. Die schönen Schals, die ich damals in größeren Mengen gekauft hatte, sind leider nur noch selten aus Seide und sicherlich auch keine Handarbeit mehr. Die Stimmung ist aber immer noch entspannt und wenig aufdringlich. Und ganz besonders nett wird es, wenn man wieder in Richtung der Klöster geht. Die Pauschalgruppen sind zurück in ihre großen Hotels außerhalb der Innenstadt, die Backpacker in ihre Partymeile und hier gibt es nur ein paar kleinere Hotels (zum Glück auch meins). Am späteren Abend scheint der Ort hier wieder den Laoten zu gehören, beim Schlendern durch die dunklen Straßen werde ich freundlich gegrüßt, auch eine sehr schöne Atmosphäre.

Aber trotz allem zieht es mich weiter. Vielleicht gerade weil mir Luang Prabang so bekannt vorkommt. Ich fliege morgen nach Vientiane und schaue mal, was die größte Stadt von Laos zu bieten hat. Ich weiß zwar, dass Luang Prabang das touristische Highlight ist, aber ich möchte mehr sehen von Laos. Also noch ein entspannter Abend bei den Mönchen im Wat, ein feines Nudelsüppchen auf dem Nachtmarkt und dann ab in die Hauptstadt.

Was die Leute so meinen

Ich bin im schönen Laos angekommen. Zumindest körperlich, mental bin ich noch nicht ganz da und es läuft auch noch nicht rund. Deswegen lasse ich es erstmal, etwas zu Luang Prabang zu schreiben, es würde dem wunderschönen Ort wahrscheinlich nicht gerecht werden.

Stattdessen möchte ich heute mal ein paar Worte über Reisebewertungen verlieren und welche Macht die entsprechenden Portale in den letzten Jahren bekommen haben.

Geht Euch das auch so? Ihr wollt ein neues Restaurant austesten und schaut erst mal im Internet nach, was andere Leute darüber sagen? Und ändert Eure Pläne danach wohlmöglich sogar? Oder Ihr habt Euch ganz furchtbar über einen Kellner geärgert und gebt jetzt mit leichtem Vergnügen eine schlechte Bewertung auf Yelp oder wo immer ab?

Individuelles Reisen in Zeiten des Internets hat sich grundlegend verändert. Früher habe ich selten ein Hotel vorgebucht. Maximal eine Empfehlung von Freunden oder eines guten Reiseführers und dann auch nur, wenn ich zu einer ungewöhnlichen Zeit an meinem Zielort ankommen würde, konnten mich dazu bringen. Vorher angucken war die Devise und die Wanderung mit schwerem Gepäck durch die heißen Straßen südostasiatischer Städte sind mir in guter Erinnerung.
Heute ist das alles nicht mehr notwendig, ein Blick in Tripadvisor oder booking.com und schon glaubt man zu wissen, was einen erwartet. Und wenn es schief geht und man mit seiner Meinung über ein Hotel vom Mainstream abweicht, eröffnet das Portal auch noch umgehend die Möglichkeit zur Satisfaktion: die eigene Bewertung.

Das hat alles sein Gutes und sein Schlechtes. Einerseits findet man doch recht häufig sehr nette Unterkünfte, die beim eigenen Trip von Hotel zu Hotel vielleicht verborgen geblieben wären. Zudem ist es ja auch angenehm und bequem, vom Bahnhof oder Flughafen sofort die gebuchte Unterkunft ansteuern zu können. Und: seit es Bewertungsportale gibt, ist man den Hoteliers meist nicht mehr hilflos ausgeliefert. Eine gute Bewertung ist häufig fast wie eine Lebensversicherung für Unterkünfte und die Angst vor schlechten Bewertungen verhindert meist, das man mit einer Besenkammer oder überraschenden Zusatzkosten beglückt wird.

Allerdings sorgen Buchungsportale auch dafür, dass man schneller mal mehrere Nächte bucht. „Diese Unterkunft wird voraussichtlich in den nächsten 24 Stunden ausgebucht sein“ ist so ein typischer Spruch bei booking.com, der bei mir dann doch immer wieder dafür sorgt, mir die gut bewertete Unterkunft für mehr als eine Nacht zu sichern. Und ich manchmal dann eine Pleite erlebe wie heute. Oder andersrum: ich ging auf die Suche nach einer neuen Bleibe, tatsächlich wieder so wie in alten Zeiten, das Haus sah von außen nett aus, ich ließ mir ein Zimmer zeigen, fand es schön, verhandelte den Preis – eigentlich alles gut. Danach schaute ich dann auf Tripadvisor nach und die Kritiken waren so verheerend, dass ich mich gegen die Unterkunft entschied. Man kommt halt doch nicht raus aus dem Schwarm…

So langsam bin ich ein Bewertungsprofi geworden und das aus unterschiedlichen Gründen: entweder war mir eine Unterkunft so sympathisch, ein Restaurant so hervorragend, dass ich sie unbedingt unterstützen möchte. Ein Paradebeispiel ist das Sin Yaw Restaurant in Nyaung Shwe in Myanmar – so nette Menschen, so gutes Essen, dieses Restaurant muss dieser Welt bitte für immer erhalten bleiben. Oder aber es war furchtbar schlecht, dann kann es bei mir zwei unterschiedliche Motivationen geben: ich will, dass es wieder gut wird (zum Beispiel das Ganesha West in Stuttgart, einst einer meiner Lieblingsinder) oder ich will schlicht und ergreifend Rache, die Idioten mit ihrer Masche nicht durchkommen lassen und andere davor bewahren.

Dies passierte mir heute hier in Luang Prabang mit meiner Unterkunft und der einzige Grund, warum ich den Eigentümer nicht vor Ort unflätig beleidigt habe war, dass ich mich bereits auf meine Bewertung im Internet freute.
Ein für mich absolut unverständlich hochgelobtes Guesthouse (ich nenne hier natürlich sehr gerne auch den Namen: Manichan Guesthouse in Luang Prabang), ein überteuertes Zimmer, in dem die Farbe von den Wänden bröckelte, Lärm von allen Seiten und das nach einer durchwachten Nacht auf der Reise von Bali nach Laos – hier kann ich keine zweite Nacht bleiben. Uns ist es auf unserer Reise zwei Mal passiert, dass wir vorzeitig aus einem Hotel wegwollten, immer war heftiger Lärm der Grund und beide Male akzeptierte die Unterkunft, dass wir nicht weiter bleiben wollten, indem sie auf die Zahlung der nichtgenutzten gebuchten Nächte verzichteten. So jedoch nicht der unsympathische Amerikaner, der das Manichan Guesthouse betreibt. Seine Arroganz war nur dadurch zu ertragen, dass ich ihm sagte, ich würde für die nichtgenutzte Nacht zahlen – und über meine Erfahrungen großflächig berichten. Ob es ihn kratzen wird, das weiß ich nicht, aber es war sooooo schön, das nächste Café anzusteuern und einen entsprechenden Kommentar für Tripadvisor zu schreiben. Hey, dieses Hochgefühl könnte noch intensiviert werden, wenn jemand meinen Kommentar auf Tripadvisor als „Hilfreich“ markiert. Sind schon sehr niedrige Instinkte, die da zum Vorschein kommen, ich weiß 🙂

Dann nehme ich jetzt mal den zweiten Anlauf, Luang Prabang zu genießen. es wird mir gelingen, da bin ich ganz sicher. Ausgeschlafen und mit einer Unterkunft, in die ich gerne zurück komme, wird Laos bestimmt ein Highlight meiner Reise werden.

Und noch mal Bali

Ich berichtete ja schon, kaum ein Flug von Darwin aus ist so günstig und schnell wie der nach Bali. Zweieinhalb Stunden und schon ist man da. Ein verlängertes Wochenende in Indonesien – kein Problem für Darwinites. Und dann fliegt auch noch AirAsia zu Preisen, mit denen man in Australien kaum mit dem Bus in die nächste Stadt kommen würde. Und trotzdem ist die Crew mit Feuereifer dabei, uns Passagieren den Flug äußerst vergnüglich zu gestalten. Etwa eine Stunde vor der Landung greift der freundliche Steward zum Bordmikrofon, er hat sich Mütze und Sonnenbrille aufgesetzt und eine kleine Gitarre umgehängt, er würde jetzt mal was singen, der späten Stunde angemessen eine etwas ruhigere Ballade. Seine Kollegin hält das Mikrofon und er legt los. Ein weiterer Steward kommt dazu und schwingt die Rassel, die Menge applaudiert und so gibt es sogar noch eine Zugabe. Solche Minikonzerte scheint es immer mal wieder auf der Strecke von Australien nach Bali zu geben, bei Youtube sind einige seiner Auftritte dokumentiert.

Bali selber empfängt mich dann mit der üblichen Taxi-Mafia, eigentlich wirklich schade, dass das häufig der erste Eindruck in einem Land ist. Irgendwann finde ich einen, der mich zwar immer noch überteuert, aber noch erträglich nach Canggu bringt, das soll angeblich ein entspanntes Surfer-Plätzchen sein und auch der Taxifahrer meint, dort sei es eher „quiet“. Es regnet in Strömen, als ich ankomme und es ist spät, also genieße ich noch kurz ein Bier und falle dann ins Bett.

Einer der schönen Orte in Canggu: mein Hotel

Fünf Tage will ich hier bleiben und meine Ansprüche sind eigentlich nur Yoga, Massagen und gutes Essen. All das kriegt man in Canggu wie wahrscheinlich überall auf Bali. Ansonsten ist es kein schöner Ort, viele laute Straßen, Baustellen an jeder Ecke, und kaum noch ein Rest der balinesischen Spiritualität. Der Strand ist ein Witz und man muss schon sehr begeisterter Surfer sein, um hier seinen Jahresurlaub zu verbringen. Das Publikum ist jung, cool und ziemlich uniform: ultrarelaxte Surferboys und -girls. Ab und an zucke ich vor Schreck zusammen, wenn ich in der Ferne und ohne Brille junge Frauen sehen: was für schreckliche Krampfadern in dem Alter, manchmal sogar noch gepaart mit etwas, das Brandwunden oder sogar Pestbeulen sei könnten. Beim Näherkommen und Brille aufsetzen merke ich dann, dass es sich um Tattoos handelt. Wer heute in Laserentfernung investiert, wird in 30 Jahren bestimmt ein gemachter Mann sein 🙂

Ist das ein Frühstück?

Was sie aber gut schaffen im nicht so schönen Canggu, ist schöne Umgebungen zu kreieren, von der netten Hotelanlage mit Holzbungalows und Freiluftbadezimmern über schöne Massagesalons bis hin zu luftigen Yogastudios. Und das mit dem Essen klappt, ebenfalls auf Bali isst immer auch das Auge mit und der Überfluss an leckerem Gemüse und Obst tut mir sehr gut.

Ich bin jedenfalls froh, im Dezember in Ubud ein Bali erlebt zu haben, dass sich seinen eigenen Charakter erhalten hat. Hier in Canggu ist das definitiv nicht der Fall, aber vor lauter Yoga und Massagen komme ich ja sowieso kaum dazu, den Ort doof zu finden 🙂

Abschied

Der letzte Tag in Darwin. Leicht regnerisch und zum Glück nicht so brüllend heiß wie gestern. So wie mich Darwin empfangen hat, verabschiedet es mich auch.

Mein Flug ist erst abends, aus dem Hotel muss ich nach australischer Sitte früh raus, also habe ich Zeit genug, ein letztes Mal die schönen Orte abzufahren, die ich so genossen habe. Das freundliche Parap, wo ich Haus und Hunde gesittet habe, Fannie Bay, mein erstes Stranderlebnis, East Point, der nette Park mit Wallabies, Mangroven und bunten Vögeln. Und natürlich mein Traumstrand Casuarina. Es ist vielleicht etwas schnulzig, aber dieser Ort wird in meinem Herzen bleiben. Solch eine überwältigende Natur, die mich jeden Tag auf’s Neue staunen ließ und ich immer wieder kopfschüttelnd stehen blieb ob dieser unglaublichen Weite, Schönheit und Einsamkeit.

Gestern habe ich mir dann endlich auch die Innenstadt von Darwin angeschaut. Jo, da hält sich die Begeisterung in Grenzen. Bürogebäude, eine Fußgängerzone und die Ruinen historischer Gebäude, die der Zyklon zerlegt hatte. Eine entspannte Waterfront haben sie, es scheint alles relativ neu gestaltet zu sein, mit Apartmenthäusern, Restaurants und dem Versuch, das quallenverseuchte Meer doch zu genießen. Die armen Darwinites sind zwar von der schönsten Stränden mit sanfter Brandung umgeben, so richtig genießen können sie das allerdings nur im Wellenbad…

Es ist unglaublich heiß, schon um kurz nach acht hatte es über 30 Grad und die Sonne brennt in einer Intensität vom Himmel, dass ich eigentlich nur noch von Schatten zu Schatten springe. Den gibt es auf dem Weg zum Pier, von dem aus man einen hübschen Blick über die Bucht hat, leider nicht und als ich endlich dort ankomme, bin ich so geschafft, dass ich lange unter einem Sonnenschirm sitze und mit Schrecken an den Rückweg denke. Nirgendwo habe ich die Sonne bisher als so heftig empfunden wie hier. Die Menschen passen sich an, verlagern ihre Aktivitäten auf früh morgens oder den späten Nachmittag, Fischen ist der Nationalsport und die Hunde genießen es, im Meer zu Seehunden zu werden.

Sie sind schon ein spezielles Völkchen, diese Australier und hier in Darwin ganz besonders. Ziemlich abenteuerlich, die verwegenen Fahrzeuge, die hier durch die Stadt fahren, könnten auch der Requisite von Mad Max entsprungen sein. Darwin scheint ein Sammelbecken für Abenteurer zu sein, das bestätigt mir auch Lorraine, die Besitzerin der beiden Königspudel, die ich ab und an ausgeführt habe. Gestern Abend lud sie mich als Dankeschön zum Essen ein. Sie selber ist in der 60er- und 70er-Jahren in Papua Neuguinea aufgewachsen, ihr Mann Dave stammt ursprünglich von den britischen Kanalinseln, die Familie wanderte in der 60er Jahren nach Australien aus und führte ein jahrelanges Nomadendasein, bis sie sich in Darwin ansiedelten – ein Jahr nach dem Cyclon inmitten der zerstörten Stadt.

Die Gesellschaft in Darwin wirkt extrem international, die Zuwanderung aus Asien ist deutlich sichtbar. Der News-Channel im Fernsehen bringt täglich Nachrichten aus so ziemlich jedem Winkel der Welt in der Originalsprache – Bangladesh, Mazedonien, Zypern, Italien, Indien, Deutschland und viele mehr haben ihre eigenen Sendungen. Nur die Einheit mit den Aborigines, die scheint nicht gelungen. Die Gesellschaft bringe nicht genügend Toleranz auf, solange propagiert würde, dass Aborigines aus biologischen Gründen weniger intelligent seien als die Weißen, könne das auch nichts werden, sagt mir der alte Mann, mit dem ich heute ins Gespräch komme. Er nennt sie „first Australians“ und schämt sich für die Ausgrenzung. Die über 600 verschiedenen Sprachen der Aborigines mache auch die Einheit untereinander schwer, erklärt mir Lorraine. Und alle sind sich einig, dass den Ureinwohnern großes Unrecht widerfahren ist, aber diese Einsicht scheint wenig sichtbare Folgen zu haben. Ich will und kann mir kein Urteil erlauben, aber bei meinen Spaziergängen entlang der wunderbaren Strände dachte ich mir oft, dass diese wilde und ursprüngliche Landschaft fast schon etwas Spirituelles hat und so gar nicht zu der europäisch geprägten Gesellschaft passt.

Ich verlasse Darwin mit Wehmut. Die Stadt hat so viel Unerwartetes für mich bereit gehalten und mich sehr berührt. Was für eine schöne Erfahrung.

Ein Strand wie ein Gemälde

Der Strand von Casuarina am nördlichsten Zipfel von Darwin ist so ziemlich der spektakulärste, den ich je gesehen habe. Morgens gegen halb sieben ist genau der richtige Zeitpunkt für einen wunderbaren Morgenspaziergang und jedes mal präsentiert sich die Landschaft anders, der Strand, der Himmel, das Meer, immer andere Farben und anderes Licht.

  

 

Aber nicht nur der Blick in die Ferne ist phantastisch, auch im Sand finden sich schöne Dinge.

 

 

Heute Morgen teilten sich hunderte von Vögeln den wunderbaren Strand mit mir.

 

 

Und das nach dem tollen Sonnenaufgang, den ich heute Morgen ganz exklusiv auf meiner Terrasse genießen konnte.

 

 

Dieses Australien ist einfach unglaublich!

Bye bye Countryside

Die Landpartie ist schon wieder vorbei. Eine Nacht im Litchfield National Park und ich habe genug. Die Küste und das Meer sind zu schön, zu spektakulär, da können die Wasserfälle von Litchfield nicht mithalten, zumal der Großteil wegen Überflutung gesperrt ist.

Die Fahrt gestaltete sich einfach – allzu viele Straßen raus aus Darwin gibt es nicht und ist man erstmal auf dem Stuart Highway kann man nichts mehr falsch machen außer zu weit zu fahren und in Alice Springs rauszukommen, aber das sind 1500 Kilometer. Mein Handy-Navi ist hier also vollkommen ausreichend und so komme ich mittags in Batchelor an, der einzigen Stadt in der Nähe des Nationalparks. Oder eher das einzige Dorf, hätten sie ihr „town center“ nicht deutlich mit einem Schild markiert, würde es keiner merken und das Litchfield Motel, in das ich einchecke, passt sich voll und ganz in den leicht trostlosen Charakter des Ortes ein. Ich mache mich nach kurzer Pause auf in den Nationalpark, mein Wirt, der vor 40 Jahren aus der Schweiz nach Batchelor kam, hat mich schon gewarnt, viel gesperrt, der Regen…
Die erste Attraktion auf meinem Weg sind die Magnetic Termite Mounds, die so heißen, weil sie exakt in Nord-Süd-Richtung errichtet wurden, und die sind wirklich beeindruckend. Baumhohe Termitenbauten, hunderte davon, geben der Landschaft fast ein außerirdisches Flair. Zumal schwarze Wolken den Himmel verhängen und in der Ferne Donner grollt. Also dann mal weiter, bevor noch der letzte Wasserfall überflutet ist. Litchfield ist berühmt für seine Steinpools, in denen man wunderbar baden kann, wenn man nicht gerade zu der Zeit kommt, zu der ich hier bin. Tja, und was die Wasserfälle angeht, da hätten wir unsere allererste große Reise damals Anfang der 90er einfach nicht nach Venezuela machen dürfen, denn seither kann mich kein Wasserfall mehr so wirklich beeindrucken. Immer mal wieder tröpfelt es und es geht langsam auf den Abend zu, also zurück nach Batchelor. Das Motelzimmer ist muffig und ich bin erleichtert als mir unter der plüschigen Überdecke strahlend weiße Bettwäsche entgegen leuchtet. Einmal Schweizer, immer Schweizer 🙂 Dann halt einen gemütlichen Abend im Bett, Internet gibt es ja auch. Nach einer halben Stunde bekomme ich die Meldung, dass mein Datenvolumen leider aufgebraucht ist. Hm, lesen ist ja auch ganz schön. Und dazu vielleicht einen Tee. Ich gehe ins Bad, um Wasser zu holen und als ich wieder ins Zimmer komme flitzt etwas an mir vorbei in die Zimmerecke. Eine Spinne, etwas kleiner als ein Handteller, schwarz und fleischig. Meine Angst vor Spinnen hält sich mittlerweile eigentlich in Grenzen, aber das ist Australien, haben sie hier nicht eine erkleckliche Anzahl von todbringenden Spinnen? Aber jetzt noch mal anziehen, den etwas durchgeknallten Schweizer holen, der die Begegnung des deutschen Mädels mit der australischen Natur bestimmt ganz besonders lustig findet und dann ist die Spinne sicher eh weg – nein. Also wieder zurück ins Bett, solange sie da in der Ecke bleibt, kann ja nichts – äh, wo ist sie denn? Hups, da sitzt sie auf dem Nachbarbett, ich schrecke hoch, sie rast hinters Bett, die ist echt schnell. Wie machen diese Mörderspinne das eigentlich, greifen die wirklich aktiv an oder verteidigen sie sich nur? Letzteres wäre ja eigentlich logisch, da ich sicher nicht in ihr Beuteschema falle und wenn ich still im Bett liege, habe ich doch nichts zu befürchten, oder? Ich ziehe die Decke fest um mich, die nächtlichen Temperaturen sind zwar hoch, aber lieber gekocht werden als morgens tot aufzuwachen (oh, peinlich, die Insider wissen, was ich da zitiert habe, gelle? Aber dieser Satz fiel ja wenigstens auch in Australien). Es wird eine unruhige Nacht, ich wache früh auf und beschließe, dass ich keine Lust mehr habe auf das australische Landleben. Ich denke an den wunderbaren Strand von Casuarina und das fast insektenfreie Tropical Darwin Resort, da können diese gesperrten Wasserfälle einfach nicht mithalten. Die Spinne hatte sich übrigens vom Acker gemacht…
Also schwinge ich mich in mein Auto und beschließe, auf dem Rückweg nach Darwin einen Abstecher zum Territory Wildlife Park zu machen, die Ausfahrt hatte ich auf dem Hinweg gesehen und das hört sich doch ganz nett an. Um 10 bin ich da und betrete den Park mit einer großen Gruppe australischer Kinder, die im Rahmen ihres Sommerferienprogramms hier vorbei schauen. Die sehen schon witzig aus, alle mit riesigen Hüten, großen Wasserflaschen und käsigen Beinen. Sunblocker gehört hier einfach zur Standardausrüstung. Den Gruppen entkommt man ganz schnell in dem riesigen Park, der wirklich der absolute Knüller ist. Die glücklichen Australier brauchen ja kaum etwas künstlich anzulegen, sie ziehen einfach einen Zaun um die bestehende Natur, nehmen eine paar Waisentierbabys auf und schon ist der Park fertig. Meine erste Station sind die Dingos, noch nie habe ich diese Wildhunde gesehen und der Ranger ist ganz begeistert, dass er mir alles erklären kann. Sie sehen aus wie normale Hunde, vielleicht etwas dünn, aber sie gucken nett und man kann sich überhaupt nicht vorstellen, dass sie auch für Menschen gefährlich werden können. Der Fall des 1980 von Dingos geraubten Babys ging gerade wieder durch die australische Presse, weil der Familienvater kürzlich gestorben ist. Dingos leben seit über 5000 Jahren in Australien, also nix ausgebüxte Hunde der Engländer, wie ich eigentlich dachte. Die schmalen Tiere jagen in Rudeln und können es so erfolgreich sogar mit Riesenkängurus aufnehmen.
Der Park gibt einen Eindruck von den Vegetationszonen des „Top End“, wie die Gegend um Darwin genannt wird – den Mangroven-, Trocken- und Monsunwaldregionen. Regenwald, den kenne ich, Monsunwald ist mir neu, aber eben der Wald, der nur in der kurzen Wet-Season Wasser bekommt und ansonsten vor sich hin dorrt. Überall sind Wanderwege angelegt, die ich fast für mich alleine habe. Ich komme an einem Billabong vorbei, dem australischen Begriff für Wasserlöcher. Bei uns würde man einfach nur See sagen… Pelikane drehen hier ihre Runden, Wasserschildkröten paddeln vor sich hin und hups – da schwimmt auch ein kleines Krokodil vorbei. In der größten Mittagshitze komme ich zum Wallaby-Gelände. Auf einem Schild wird darauf hingewiesen, dass man am späteren Nachmittag die besten Chancen hat, Wallabys zu sehen. Hm, ich dreh trotzdem mal eine Runde, ich kann ja später noch mal kommen. Aber da, mitten auf dem Weg im Schatten der Bäume hat sich eines ausgestreckt. Sie lassen sich gerne kraulen, das stand auch auf dem Schild und tatsächlich – es scheint es durchaus zu genießen und posiert auch gerne für Selfies. Noch zwei weiteren laufe ich über den Weg, absolut zahm und sehr freundlich. Da mag man ja gar nicht mehr weg!

Viel zu warm heute
Ja los, kraul mal
Kriegst auch ein Photo mit mir
Und schon ist es besser

Ich bin jetzt echt froh, dass ich nicht noch weiter Richtung Süden gefahren, sondern hierher gekommen bin. So ein schöner Park mit wunderbaren Tierbegegnungen. Am späten Nachmittag mache ich mich auf den Rückweg nach Darwin und bereue in keiner Weise, das Landabenteuer rasch beendet zu haben.

Freiheit!

So nett es war, ich fühle mich ein wenig befreit: kein Haus mehr, keine Hunde und keine Verpflichtungen – dafür ein silberner Flitzer, dessen Nummernschild allein schon nach Abenteuer riecht: NT (das steht für Northern Territory) und dann: Outback!
Doch das muss noch warten, zunächst einmal ist aber Darwin dran, die Innenstadt hebe ich mir für den Abfugtag auf, aber die Küste und die vielen Strände will ich sehen, bevor ich ins Landesinnere abtauche. So fahre ich einfach mal drauf los, die Straßen sind leer und das Linksfahren ist komischerweise überhaupt kein Problem. Ich komme in die Gegend meines Housesits, da ging’s doch los mit den Stränden und noch bevor ich die Küste sehe, stehe ich plötzlich vor dem „Museum of the Northern Territory“. Ja klasse, da wollte ich auch hin. Die Mittagssonne sticht, das Museum ist umsonst und gut gekühlt, also rein da.

Manche hielten damals aus: Keep out, we still live here

Eine ungewöhnliche Zusammenstellung dessen, was Darwin und das Northern Territory ausmacht: Aboriginal Kunst, die einheimischen Tiere mit Fokus auf die besonders tödlichen, Boote des Pazifik und alles über den Zyklon Tracy, der 1974 die Stadt verwüstete. Gut, dass ich mir das erst jetzt angeguckt habe. In sehr anschaulicher Art werden die Ereignisse der Weihnachtsnacht 1974 dargestellt und mir erst jetzt klar, was für eine Katastrophe damals über die Stadt kam. Die Menschen feierten gemütlich Weihnachten, als sich der Sturm über dem Meer zusammenbraute und Kurs Richtung Darwin nahm. Am frühen Morgen des 25. traf er die Stadt mit voller Wucht und bei diesem Ausmaß der Zerstörung ist es ein Wunder, dass nur 71 Menschen ums Leben kamen. Die Bilder der abrasierten Häuser ähneln in grausamer Weise den Aufnahmen im Museum von Hiroshima, das wir im letzten Jahr besuchten. Darwin wurde später evakuiert, fast die komplette Bevölkerung von über 40.000 Einwohnern wurde ausgeflogen und ich bin wieder mal erstaunt, dass Menschen die Kraft hatten, zurückzukehren und ihre Stadt neu aufzubauen.
An der Tür zu einem kleinen Raum im Museum hängt ein Schild: Menschen, die den Zyklon 1974 miterlebt haben, sollten aus Retraumatisierungsgründen nicht eintreten. Drinnen ist pechschwarze Dunkelheit und ein furchtbarer Lärm – Heulen, Schleifen, Ächzen, Donnern. Die Originaltonaufnahmen des Zyklon. Ein ganz kleiner Eindruck, wie es in der damaligen Nacht gewesen sein muss, stockfinster und diese Horrorgeräusche. Nach fünf Sekunden flüchte ich aus dem Raum.
Alle Wohnhäuser in Darwin müssen seitdem einen gemauerten Raum enthalten, der keine Fenster hat und als Bunker dienen kann. Stimmt, die Waschküche bei meinem Housesit war so ein Raum. Und plötzlich fällt mir auch der Fernsehspot ein, der davor warnt, in der Zyklonsaison Gartenmöbel und Grills draußen stehen zu lassen und vorschlägt, jetzt doch die Bäume beschneiden zu lassen und das Dach auf lose Ziegel hin zu untersuchen. Irgendwie haben sie schon andere Probleme hier.
Dafür haben sie aber eine grandiose Natur. Im Naturschutzgebiet von East Point, vor dessen Toren ich vor ein paar Tagen schon mal umdrehen musste, weil Hunde dort nicht erlaubt sind, beginnt ein paar hundert Meter hinter dem Parkplatz der Mangrovenwald. Bunte Vögel und noch buntere Krebse kann man von Stegen aus beobachten, während die Bäume von der einsetzenden Flut umspült werden. Wieder mal kaum jemand hier, obwohl Sonntag ist, wahrscheinlich gewöhnt man sich rasch an die Schönheit der Natur.

  

Doch das Highlight des Tages kommt noch. Ich beziehe ein Zimmer im Darwin Tropical Resort, der letzte Außenposten der Stadt ganz im Norden. Nur drei Minuten entfernt liegt der Strand von Casuarina , den mir der freundliche Rezeptionist für einen entspannten Sonnenuntergang empfiehlt.
Nur wenige Autos parken am Zugang zum Strand. Wieder sehe ich große Warntafeln, diesmal gelten sie nicht Krokodilen, sondern „Box Jellyfish“, Würfelquallen. Nicht schwimmen. Auf keinen Fall. Und schon gar nicht zu dieser Jahreszeit.
Aber was für ein Strand! Riesig, breit und unendlich lang. Ein wunderbares Licht zu dieser Tageszeit und die paar Menschen, die ihre Hunde hier spazieren führen, verlieren sich in der Weite. Ein leichter Wind, sanfte Wellen, ein perfekter Abendstrandspaziergang. Als die Sonne dann langsam untergeht scheint der Himmel wie in Feuer getaucht. Ein unglaubliches Farbenspiel, die intensivsten Rottöne und ich schwöre, die Bilder sind nicht bearbeitet.
Und das alles quasi in der Stadt. Wie wird das erst, wenn ich aufs Land fahre. Oder gar wirklich ins Outback. Sie haben hier schon ein ganz besonderes Fleckchen Erde, diese Australier. Ganz besonders gefährlich und ganz besonders schön.

Die Rache des kleinen Hundes

Mein Housesit neigt sich dem Ende zu. Übermorgen kommen die Eigentümer zurück und einen Tag später werde ich ein Auto in Empfang nehmen und mir die Gegend um Darwin anschauen. Und Darwin selber. Das Wetter wurde einfach nicht besser, es schüttete teilweise stundenlang, dazu kommt stürmischer Wind und nicht nur einmal stand ich mitten in der Nacht pitschnass auf der Terrasse und versuchte, die Jalousien einzurollen oder den großen Hund zu retten. Jetzt bleiben die Rollos oben und der Hund gleich bei mir im Schlafzimmer, dann reicht eine aus dem Bett gestreckte Hand, um ihn zu beruhigen.
So ein Housesit ist schon sehr interessant, man taucht kurz in das Leben anderer Menschen und wird sofort in den australischen Hausfrauenalltag geworfen. Morgens erst mal mit dem großen Hund raus, danach den Pool leeren (habe ich schon erwähnt, dass es hier viel regnet?), den kleinen Hund bespaßen, endlich mal wieder etwas kochen, viel Wäsche waschen (bei der Feuchtigkeit müffelt einfach alles sofort) und irgendwie finden mein Dogsitterqualitäten Anklang. jetzt gibt es auch noch zwei äußerst agile Königspudel einer Nachbarin, die ich abends mit um den Block nehme. Das alles gepaart mit der Wettersituation hat doch tatsächlich dazu geführt, dass ich über meinen Stadtteil Parap und das angrenzende Fannie Bay hinaus noch nichts von Darwin gesehen habe. Gut, dafür hab ich den ein oder anderen Abend im Pool verbracht und dort auch auf das neue Jahr angestoßen.

Warum hast Du mit das angetan?

Die neue Häuslichkeit stresst meine beiden Hunde… Die arme Mandela habe ich heute Morgen an den Rand eines Herzinfarktes gebracht, der Spaziergang war so nett, dass ich ihn weit ausdehnte, es wurde wärmer und wärmer, der Hund mit seinem dichten schwarzen Fell keuchte zunehmend, meine Abkühlversuche auf einem Spielplatz mit Wasserspender waren nicht sonderlich erfolgreich, ich sah mich schon mit dem großen schweren Hund auf dem Arm durch die heißen Straßen wanken, aber mit Müh und Not kam sie auf allen Vieren zuhause an. Die Arme schaffte es dann aber nicht mal mehr ins kühle Haus, sondern warf sich hechelnd unter den nächstbesten Busch im Vorgarten – ganz kurz befürchtete ich, ich hätte den Hund ermordet. Mittlerweile schnarcht sie aber glücklich neben meinem Bett, ist also noch mal gut gegangen.

Danach musste dann Nellie, der hinreißende kleine Hund, dran glauben. Ja, ich gebe es zu, sie darf bei mir im Bett schlafen. Der viele Regen hat aber auch bei ihr dazu geführt, dass sie trotz ihrer Kuscheltierqualitäten ein wenig nach nasser Hund riecht. Zu ihrem Pech fand ich im Waschraum dann ein Hundeshampoo… Der eigentlich so fröhliche kleine Hund ließ sich zwar gerne einseifen, nass sein mag sie aber gar nicht. In der Badewanne stehend waren ihre großen Augen ein einziger Vorwurf – bis die Rache kam. Ich hob sie heraus, wollte den nassen Hund in ein großes Handtuch wickeln, da schoss sie davon, rein in mein Schlafzimmer, rauf aufs Bett und so lange über die Bettdecke geschrubbert, bist diese nass und der Hund trocken war. Bätsch, schien ihr Blick zu sagen, das hast Du jetzt davon. Ok Nellie, Du hast gewonnen. Aber dafür duftest Du jetzt gut.

Ich werde den kleinen Hund sehr vermissen. So viel Persönlichkeit in so einem kleinen Tier, das ist schon erstaunlich. Auch wenn ich mich nachts immer mal wieder am äußersten Ende des Bettes wieder finde, weil sich so ein kleiner Hund ganz schön lang machen kann, vor allem wenn er quer liegt. Das war eine schöne Erfahrung, dieses Housesitting. Aber: mich hat es auch etwas träge gemacht. Man fühlt sich zwar zuhause, ist es aber doch nicht und bewegt sich wie eine Besucherin, die es besonders gut machen möchte. Und dabei fast zur Hundemörderin wird. Auch wenn mein Herz bluten wird, ich freue mich darauf, ab Sonntag wieder ganz unabhängig zu sein. Vielleicht springt der kleine Hund ja in meinen Rucksack und kommt einfach mit. Ich würde sie nicht daran hindern….

 

Auf den Hund gekommen

Seit Weihnachten bin ich stolze Besitzerin zweier Hunde. Nellie und Mandela sind zwei ganz besonders nette Exemplare, die allerdings unterschiedlicher nicht sein könnten. Nellie ist winzig und äußerst charmant, ein kleiner wuseliger Hund, während Mandela eher groß und recht massiv ist, unglaublich dankbar für jede Art von Aufmerksamkeit und mit einem sehr weisen Hundeblick. Ich kenn mich ja mit Hunderassen so gar nicht aus, aber da scheint auf der einen Seite ein Shih Tzu und auf der anderen ein Labrador beteiligt zu sein. Beide wohnen in einem schönen tropischen Haus mit großer Terrasse und einem himmlischen Pool und für zwei Wochen ist das auch mein Zuhause. Die Eigentümer sind nach Perth geflogen, zuvor haben wir aber noch Heiligabend zusammen verbracht und bei Freunden von ihnen ganz hervorragend gegessen – Garnelen, Austern und „Moreton Bay Bugs“ – ganz herrliche kleine Hummer – als Vorspeise und dem britische Erbe folgend Truthahn und glasierter Schinken als Hauptgang. „When in Rome do as the romans do“ denkt sich mein vegetarisches Herz und ich greife zu. Wir sind zu sechst, alle sind Kollegen aus dem Schulbereich und klagen über ihre anstrengenden Jobs mit 12-Stunden-Tagen. Och, ich wüsste da was 🙂 Wir sitzen auf einer riesigen überdachten Terrasse, es ist selbst am späten Abend noch warm und guter australischer Rotwein fließt in Strömen. Der gibt morgens keinen Kopf und so starte ich einigermaßen gut den ersten Weihnachtsfeiertag, der auch mein erster Dogsitting-Tag ist. Mittags verabschieden sich meine Gastgeber und dann gehören mir Haus, Pool und Hunde. Schon ziemlich unglaublich, wie viel Vertrauen die in mich haben, sie kennen noch nicht mal meinen Nachnamen und überlassen mir ihr Zuhause samt gut gefülltem Kühlschrank. In den folgenden Tagen treffe ich mich noch ein paar Mal mit den netten Menschen vom Heiligabend-Dinner und erkunde mit den Hunden die Umgebung. Wenn es das Wetter zulässt, denn das heiße, trockene Weihnachten war eher eine Ausnahme – hier ist eigentlich Regenzeit. Und deswegen pladdert es mindestens einmal am Tag tropisch vom Himmel. Ich lasse täglich Wasser aus dem Pool, nachdem ich das ein oder andere Palmwedel rausgefischt habe, werde pitschnass beim Hundespaziergang, es ist egal, ob es regnet oder nicht, die hohe Luftfeuchtigkeit sorgt auch ohne Niederschlag dafür, dass ich vollkommen durchnässt zurück komme. Das Meer ist gar nicht weit weg von mir, 15 Minuten und schon bin ich an der Promenade von Fannie Bay. Ein schöner, sehr ursprünglicher Strand und fast menschenleer. Ja, sagt mal, das ist doch ein perfekter Ort für eine rasche Abkühlung. Nein, ist er nicht, erzählt mir Rebecca, eine der Weihnachtsgäste. Krokodile und Würfelquallen machen das Baden hier unmöglich und sie sei in 18 Jahren Darwin nur zwei mal an bewachten Stellen im Meer gewesen. Gut, dann lass ich das lieber. Aber die Küste ist auch so beeindruckend, es ist Zyklon-Saison und über dem Meer brauen sich dunkle Wolken zusammen. Aber keine Sorge, sagt man mir, die Häuser seien alle Zyklon-sicher gebaut, nachdem die Stadt Weihnachten 1974 fast vollständig durch einen tropischen Wirbelsturm zerstört wurde. Na, ob mich das jetzt beruhigt?

Jedenfalls windet es immer wieder heftig, aber durchaus angenehm. Die stechende Hitze von Heiligabend hätte ich jetzt wirklich nicht mehrere Tage lang gebraucht und auch wenn das Haus nachts dann immer mal wieder scheppert und ächzt, finde ich es recht komfortabel. Natürlich bleiben die vielen Ventilatoren im Haus trotzdem im Dauerbetrieb, es gibt zwar auch Klimaanlagen, aber bei der offenen Bauweise wäre das wirklich zum Fenster raus gekühlt. Tolle Häuser haben sie hier, alles aufs Draußenleben angelegt. Beim Spazieren mit den Hunden fliegen Kakadus über meinen Kopf, riesige allradgetriebene Autos, an denen der rote Staub des Outback haftet, fahren durch die Straßen und jeder hat ein Boot vor dem Haus. Aber: so sehr ich die Wärme liebe, ich könnte das nicht, neun Monate im Jahr diese Wahnsinnshitze. Und diese Abgelegenheit, die nächste größere Menschenansammlung findet man auf Bali, aus Darwin führt genau eine Straße hinaus und wenn die überflutet ist, was durchaus mal passiert, kommt man nur noch mit dem Flugzeug weg. Es ist eine schöne, eine sehr multikulturelle Atmosphäre hier, die drei kleinen Supermärkte in meiner Nähe werden von Indern, Griechen und Nordafrikanern betrieben und auf dem kleinen Samstagsmarkt von „meinem“ Stadtteil Parap ist das Angebot an indonesischen Gerichten fast größer als in Ubud. Ein Viertel der Einwohner sollen Aborigines oder Torres-Strait-Insulaner sein, man sieht sie auch durchaus im Stadtbild, aber so wie ich es bisher wahrgenommen habe, scheinen sie eher am Rande der Gesellschaft zu leben.

Und jetzt ist der 31.12. und es geht langsam auf 24:00 Uhr zu. Eigentlich wollte ich zum Ufer laufen und schauen, ob es ein Feuerwerk gibt, geböllert wird bereits, aber unten in meinem Schlafzimmer zittert ein vollkommen verängstigter großer Hund und ich bringe es nicht übers Herz, ihn hier alleine zu lassen. Also werde ich mir um Mitternacht ein Gläschen Weißwein einschenken, in den Pool gleiten und mit der kleinen, äußerst tapferen Nellie auf euch alle anstoßen! Ich wünsche Euch ein wunderbares 2017!!!