Ausgeyogt

Nun bin ich also in Ubud, dem künstlerischen Zentrum Balis. Wobei Kunst hier eher relativ ist, das traditionelle Kunsthandwerk ist beeindruckend, was die vielen Läden anbieten weniger. Viele fühlen sich zum Maler berufen und scheinen die urlaubliche Verklärtheit der Touristen ausnutzen zu wollen. Die schönen Reisfelder rings um das Städtchen und die günstigen Unterkünfte haben über die Jahre eine sinnsuchende Klientel angezogen und so wurde Ubud auch zu einem Zentrum für Yoga und Spiritualität. Und dann kam noch „Eat, Pray, Love“ und der Kessel war geflickt.

Also tauche auch ich mal in die Szene ein, verlasse nach einer Woche meinen schönen Holzbungalow in den Reisfeldern und ziehe in ein freundliches Guesthouse in der Stadt. Der absolute Marktführer ist die „Yoga Barn“ mit einem riesigen Angebot vor allem an Yoga und Meditationen. Inklusive Restaurant mit allem, was gerade in ist in der Szene – vegan, glutenfrei, raw food, wheatgrass und und und. Das ganze ist perfekt organisiert, an einer großen Rezeption kaufe ich mir eine 5er-Karte, mir wird ein IPad entgegengestreckt, um meine Daten einzutragen und kriege dann eine aufgeladene Scheckkarte. Zum Einstieg teste ich Yin Yoga aus und betrete einen riesigen Saal mit zum Schluss sicherlich über 100 Leuten. Der Yogalehrer erfüllt alle Klischees – von den Rastalocken über das wild hineingeschlungene Tuch bis hin zur einfühlsamen Stimme. Aber er ist nicht allein, in der Ecke sitzt ein Musiker mit einem elektronischen Cello, eine feenartige Querflötistin hat neben ihm Platz genommen. Noch halte ich das Ganze eher für Yoga-Disneyland. Bilder von meinem Aufenthalt in einem Ashram in Rishikesh gehen mir durch den Kopf, die schlichte Halle, in der ich nach der frühmorgendlichen Stunde schweißgebadet und mit schmerzenden Schultern Richtung Basic-Unterkunft marschierte. Das ist doch das wahre Yoga. Immer diese westliche Yogaverweichlichung… Und dann beginnt der Kurs und ich muss zugeben, nach fünf Minuten bin ich dann doch sehr ergriffen. Die sphärische Musik, der schöne Saal mit riesigen Fenstern in den sattgrünen tropischen Garten, die spirituelle Atmosphäre und das sehr lange Halten von Yogapositionen – das tut einfach gut. Westlich hin oder her.

In den folgenden Tagen teste ich aus, was das Angebot hergibt. Ich hänge an Gurten kopfüber in der Luft („Fly high Yoga“), singe inbrünstig Mantras beim Kirtan, verausgabe mich beim Vinyasa Flow, erhole mich inmitten tibetischer Klangschalen und beobachte das Yogaleben. Leute über 30 sind hier eher selten, die Yoga Barn ist voll in der Hand der Generation Z und die ist ja besonders gesundheitsbewusst. Und so finde ich mich an einem Sonntag Vormittag beim „Ecstatic Dance“ wieder und bin dann doch erstaunt, zu welchem Spaß man nur mit Ingwertee und organischem Müsli in der Lage ist. Es sind schon witzige Typen unter dem Publikum, so wie die schöne Russin, die beim Yin Yoga neben mir liegt und die Aufforderung des Lehrers, man möge so richtig entspannt ausatmen und dabei auch ruhig ein bisschen stöhnen, sehr brav befolgt. Sie gibt Geräusche von sich, die einen kurz bevorstehenden Orgasmus befürchten lassen. Ich schaue kurz hin, sie hat beschlossen, die anstrengenden Yin-Posen durch entspanntes Sitzen, anmutige Handbewegungen und eben dieses Stöhnen zu ersetzen. Ich unterdrücke ein Kichern, schon beim Ecstatic Dance hatte ich gemerkt, dass es den Youngsters hier nicht nur um Yoga, sondern durchaus auch um Zwischenmenschliches geht.

Aber ich falle ja zum Glück aus der relevanten Zielgruppe und kann mich so ganz dem Wellness-Erlebnis hingeben. In Ubud werden an jeder Ecke Massagen angeboten und so kommt zum wohligen Stretching-Erlebnis auch noch ein kräftiges Durchkneten mit duftigen Ölen. Hier kann man sich wirklich wohl fühlen. So manch einer findet gar nicht mehr den Absprung, im Guesthouse treffe ich auf eine Münchnerin, die seit zwei Jahren hier lebt. Im Hotel wohlgemerkt. Aber bei den Preisen, dem schönen Pool und den sehr netten Leuten ist das auch wieder nicht so vollkommen aus der Welt.

Aber, mich zieht es weiter. Australien ist quasi gleich um die Ecke und ich habe doch tatsächlich die Möglichkeit, für zwei Wochen zur House- und Hunde-Sitterin in Darwin zu werden. Wer weiß, wenn die Muskeln ziehen, kann ich immer noch auf dem Rückweg einen Zwischenstopp im schönen Bali einlegen.

Es gibt Reis, Baby

Nach dem Surfertrubel Südbalis habe ich p1010772beschlossen, meine Zeit in Ubud etwas ruhiger zu starten und ich finde, ich habe eine hervorragende Wahl getroffen mit dem Nur Guesthouse. Mitten in den Reisfeldern habe ich fast den Eindruck, ganz weit weg von Ubuds Gewimmel zu sein und dabei ist es gerade mal ein fünfminütiger Spaziergang zur Hauptstraße. So weit muss ich noch nicht mal, die Infrastruktur um mich herum hat alles, was das Herz begehrt: ein Massagesalon schräg gegenüber, p1010783verschlungene Pfade durch die Reisfelder und nette Cafes und Restaurants zwischendrin. Wenn ich überhaupt weg will, denn mein Bungalow ist ein balinesischer Traum, ganz aus Holz mit Blick in die Reisfelder, eine schöne Terrasse und ein tolles Restaurant mit kleinen Pavillons. Da kann man schon mal den ein oder anderen Nachmittag verbringen und den heftigen Regen abwarten. Alles wäre perfekt, wenn da nicht diese fiesen Moskitos wären…  p1010806Das Yogazentrum um die Ecke ist toll gelegen, vermittelt mir aber einen ersten Eindruck vom professionellen Management der Hauptattraktionen Ubuds: Spiritualität und Yoga. Nicht erst seit „Eat, Pray, Love“ ist Bali das Ziel westlicher Sinnsucher und Ubud wiederum dessen Epizentrum. Ich steuere also das Ubud Yoga House an, 15442113_1240860652626328_7726120204437818388_ndass für seine persönliche Atmosphäre gelobt wird und finde mich mit doch einer Reihe von Leuten in einem hübschen Pavillon wieder, bei der kurzen Vorstellungsrunde stellt sich raus, dass viele zum ersten Mal in ihrem Leben Yoga machen, weil es in Ubud halt irgendwie dazu gehört. Was ja ok ist, aber eben doch eine eher flüchtige Atmosphäre aufkommen lässt. Also wende ich mich mehr der Hauptattraktion meiner Unterkunft zu: der spektakulären Lage in den Reisfeldern. Ich wandere über die kleinen Wege zwischen plätschernden Bewässerungsgräben und bin gerade rechtzeitig dran: die Ernte hat begonnen. Und die ist absolute Handarbeit, vom Schneiden der Reishalme bis zum Dreschen.

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Die Felder sind kaum durch echte Straßen erschlossen, also wird alles auf kleinen Mopeds über die Pfade balanciert – sowohl Arbeitskräfte als auch das Ernteergebnis. Die Leute sind freundlich, winken und lächeln mir zu und irgendwann finde ich dann auch noch das perfekte kleine Café, in dem ich mir einen „Good Morning Detox“ gönne, denn selbst in den abgelegeneren Gebieten von Ubud kann man dem vegan-organisch-glutenfreien Superfood nicht entkommen.p1010766

Schön ist es hier, aber jetzt will ich richtig eintauchen in die Szene. Die „Yoga Barn“ ist die Location mit über 100 Kursen in der Woche. Dafür muss ich rein in die Stadt und so sage ich meinem freundlichen Guesthouse terima kasih – vielen Dank – und mache mich auf ins ultimative Yogaabenteuer.

Kleine Zeitreise

Es regnet und das schon seit einigen Tagen. Nicht schlimm, denn es ist warm, ich habe einen wunderschönen Bungalow mitten im Reisfeld und direkt daneben ein freundliches Restaurant – so halte ich es auch mal ein paar Tage eher stationär aus. Und wenn man nichts großartig erlebt, hat man auch die Muße, sich über andere Dinge als das Reisen Gedanken zu machen. Mir ist es ein Bedürfnis, heute einen Beitrag meiner Tante Lisbeth zu widmen, die einen gewissen Anteil an dieser Reise hat und eigentlich eine frühe Globonautin war.

Lisbeth wäre heute 95 Jahre alt, lisbeth1sie starb im Juni vor 11 Jahren und hinterließ mir vor allem eine Lebensversicherung, die sie schon vor langer Zeit für mich abgeschlossen hatte und die just drei Monate vor Beginn unserer Reise fällig wurde. Als hätte sie’s geahnt, die Gute.

Ahnenforschung ist ein großes Hobby von mir, leider habe ich mich zu Lebzeiten meiner Angehörigen nicht sonderlich dafür interessiert, wo sie so herkamen, aber in den letzten Jahren habe ich viel rekonstruiert und jetzt ein besseres Bild davon, wie sie gelebt haben müssen.

Lisbeth war die älteste Schwester meines Vaters, sie wurde 1921 in Pommern geboren, in der Nähe von Schivelbein, heute Swidwin, wo eigentlich alle meine Vorfahren väterlicherseits seit Jahrhunderten lebten. Ich war letztes Jahr dort, die Stadt ist von der Zerstörung gekennzeichnet, das Schloss ist wieder aufgebaut, auch der Dom, das Steintor und das ein oder andere historische Haus, aber die Innenstadt, wo Lisbeth aufwuchs, ist kaum noch zu erkennen. Ich hatte einen alten Stadtplan, versuchte, die Mittelstraße zu finden, in der meine Großeltern lebten, aber noch nicht einmal die historischen Straßenverläufe sind mehr dieselben, die Zerstörung war äußerst gründlich.

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Der Schivelbeiner Dom vor 1945
Der Schivelbeiner Dom 2015
Der Schivelbeiner Dom 2015

Von der deutschen Vergangenheit der Stadt ist kaum noch etwas zu spüren, vor dem städtischen Friedhof die Reste einige alter Grabsteine und ein Schild in brüchigem Deutsch: Zum gedachtnis deren die hier vor uns lebten“ Das waren unter anderem meine Vorfahren, die Familien Krüger und Henke, Völz und Becker und noch eine Generation weiter zurück Ott, Polzin, Brunn, Radünz und Wilm. Alle lebten in oder im Umkreis von maximal 20 Kilometern um Schivelbein. Und das hätte Lisbeth wohl auch getan, wenn der Krieg sie nicht gezwungen hätte, Pommern und sogar Deutschland zu verlassen.

Meine Großeltern väterlicherseits waren sehr einfache Menschen, mein Großvater Reinhard kämpfte im ersten und zweiten Weltkrieg und war ansonsten Transportarbeiter. Es gibt ein Bild von ihm mit kurz geschorenen Haaren und Nazibärtchen, eigentlich ein erschreckendes Bild, aber es ist alles, was ich von ihm weiß oder habe, über ihn wurde wenig gesprochen. Mein Großmutter Meta habe ich sehr lebhaft in Erinnerung, sie starb vier Monate vor ihrem 103. Geburtstag und hat mein Leben doch eine ganze Weile begleitet.

lisbeth-als-kind-kopieLisbeth war zwar das erste Kind von Meta und Reinhard, sie kam zwei Monate nach der Hochzeit zur Welt und blieb bis sie fast sieben war ein Einzelkind. Aber sie wurde in eine große Familie hineingeboren, neun Onkel und Tanten und einer ihrer Onkel wurde sogar erst nach ihr geboren. Sie ging in Schivelbein zur Schule, fing dann an, bei der „Schivelbeiner Buchführung- und Beratungsstelle“ als Buchhalterin zu arbeiten und die einzige Ausbildung, die sie genossen hat, scheint ein sechsmonatiger Kurs in allerlei Kaufmännischem gewesen zu sein. Doch dann kam der Krieg und ging verloren.  Die Zeitzeugenberichte, die ich aus Schivelbein habe, lassen vermuten, dass die Zeit unter russischer und polnischer Besatzung vor allem für die Frauen furchtbar gewesen sein muss. Auch darüber wurde nicht gesprochen, aber meine Tanten waren nie verheiratet und ich fürchte, sie hatten ihre Gründe.

Lisbeth floh mit ihrer Tante nach Berlin und schlug sich dort eine Weile durch. Meine Großmutter blieb mit ihrer jüngeren Tochter und meinem Vater im polnisch besetzten Schivelbein, bis sie im April 1946 ausgewiesen wurden. Sie haben kaum etwas mitnehmen können, die Flucht hat sehr überstürzt stattgefunden und am schlimmsten war wohl, dass sie den Großvater und das Haus, dass die ganze Familie zusammen gebaut hatte, zurücklassen mussten. Der Großvater, also mein Urgroßvater August Krüger, starb zwei Monate nach der Ausweisung seiner Familie. Für mich war es der emotionalste Moment meiner Reise nach Pommern, dieses Haus wiederzufinden.pribslaff-stary-przybyslaw-kopie

Lisbeth und ihre engsten Angehörigen fanden sich in einem Aufnahmelager in Ratzeburg wieder. Die einstige Großfamilie war in alle Winde zerstreut, zwei Onkel tot, der Vater in Gefangenschaft, andere Onkel und Tanten im Ruhrgebiet. Lange Zeit lebten sie in sehr beengten Verhältnissen und ohne Vater. So übernahm Lisbeth die Rolle der Ernährerin, sie erzählte, sie habe in der Gutsverwaltung in Damp an der Ostsee gearbeitet und dann wagte sie den ganz großen Schritt: sie ging für zwei Jahre nach England. Ende der 40er Jahre muss das ein riesiges Abenteuer gewesen sein, sie arbeitete in einem Krankenhaus in Poole. Danach wurde sie in Norderstedt sesshaft und arbeitete bis zu ihrer Pensionierung bei der Commerzbank in Hamburg.

Lisbeth war kein einfacher Charakter, aber sie hatte auch kein einfaches Leben. Die Jugend durch Nazizeit und Krieg dominiert beziehungsweise ruiniert, traumatische Erlebnisse während der Besatzung und Vertreibung, dann die Unterstützung ihrer Mutter und Geschwister. Ihr eigenes Leben blieb dabei auf der Strecke. „Dass ich keinen Mann habe, habe ich nie bereut. Aber keine Kinder, das bereue ich sehr.“ sagte sie mir einmal. Lisbeth war ein zäher Typ, der Menschen vorsichtig begegnete. Sie wirkte auf mich immer ein bisschen wie aus der Zeit gefallen – in Pommern tickten die Uhren einfach anders. In Schivelbein gehörte sie sicherlich eher zur moderneren Jugend – keine Arbeiterin, wie ihre Eltern, Groß- und Urgroßeltern, sondern Buchhalterin und den Mut, zwei Jahre im Ausland zu leben hätte dort sicherlich kaum jemand aufgebracht. In Hamburg war sie dann aber eine Frau, die den Einstieg in ein eigenes Leben verpasst hatte.

Sie schien einerseits altmodisch, lisbeth2war aber andererseits neugierig auf die sich wandelnden Zeiten. Doch irgendwie blieb sie dabei immer nur Zuschauerin, wenn auch interessiert und wissbegierig. Wir haben erst in den letzten Jahren ihres Lebens etwas näher zueinander gefunden und leider habe ich das Gefühl, sie erst nach ihrem Tod verstanden zu haben. Ich wäre gerne gemeinsam mit ihr durch Schivelbein spaziert und tiefer eingetaucht in eine untergegangene Welt. Tante Lisbeth hat mir viel Gutes getan und ich hoffe, sie findet gut, was ich so treibe. Jedenfalls, liebe Lisbeth, eine Befürchtung kann ich Dir vielleicht nehmen: Du bist nicht vergessen.

 

Andere Welten

Das Schöne am Reisen ist, dass man immer 20161123-myanmar-yangon-26wieder die Gelegenheit hat, in andere Welten einzutauchen. Kurz reinschnuppern, mitmachen und dann auf in die nächste Welt. Ganz extrem habe ich das in den letzten Tagen in Singapur und Bali erlebt.

Die Globonautentrennung in Yangon war nicht einfach und jetzt ist die gemeinsame Reiserei wirklich endgültig beendet. Eric düste zurück Richtung Europa und ich nach Singapur. Dort p1010725wohnt die Freundin einer alten Schulfreundin aus Hamburg und ich durfte für zwei Nächte einen Eindruck davon gewinnen, wie die Expats so leben in dieser Stadt. Und, ich geb’s jetzt mal offen zu, ich bin ein ganz kleines bisschen neidisch. Auch wenn ich mich natürlich freue, liebe Inken, dass Ihr da so ein schönes Leben habt. Ap1010730llein schon diese Wohnung, ein echter Tropentraum, durch die Balkone wirkt sie offen nach allen Seiten, morgens kommt ein Hornbill vorbei, um etwas Papaya zu stibitzen und im Kühlschrank lacht einem trotzdem Europa entgegen, mit Vinho Verde, Käse und Duplo, denn die Versorgungslage ist perfekt in Singapur.

Ich habe eigentlich nur einen Tag und den verbringe ich in primär unter und in vier Shopping Centern. Mittlerweile baut man diese auch mehrere Stockwerke in die Erde, so dass dort eine glitzernde Konsumunterwelt p1010694entstanden ist. Oben die Straße überqueren? Nix da, runter in die Gänge der Malls. Ist auch besser, denn es schüttet wie aus Kübeln. Inken ist übrigens gerade bei einem Open Air Konzert… Gen Abend treibt es mich dann aber doch hinauf auf die Orchard Road, denn: es ist ja bald Weihnachten. Und da lässt man sich in Singapur nicht lumpen, die Dekorationen sind beeindruckend, auch wenn es 30 Grad und gefühlte 99 Prozent Luftfeuchtigkeit hat. Kein Schnee? Doch kein Problem hier, ich sehe zwei Varianten: entweder kauft manp1010721 für mehr als 500 Dollar ein und darf dafür in ein Plastikzelt, in dem Kunstschnee herab rieselt (sagen sie zumindest, ich hab bestimmt eine halbe Stunde davor gewartet, aber keiner kam). Oder man schließt sich den Kindern an und macht eine Schaumball-Schlacht im Weihnachtsdorf. Ist ja eh angenehmer als dieses eiskalte Zeugs auf der Haut.
Nach Myanmar ist das hier alles fast ein kleiner Kulturschock, denn ich bin ja immer noch in Asien. Der stolz zur Schau getragene Reichtum, die beeindruckende Architektur, die Sauberkeit, alles wirklich ein ganz krasser Gegensatz zu Yangon.

p1010744Am nächsten Tag geht es dann weiter nach Bali, mein Wirt holt mich vom Flughafen ab, die Unterkunft war ein Tipp des Sohnes meiner Yogalehrerin. Und so komme ich in den Genuss einer weiteren anderen Welt – ich bin mitten in der coolen Surferszene gelandet. Ich wohne in einem Homestay der eher einfacheren Kategorie mit sehr netten Vermietern und merke schon am ersten Tag, dass ich mich einer meiner Ängste stellen sollte, wenn ich hier eine Woche lang Spaß haben will. Die Wege sind weit, die Gegend hügelig, die Straßen eng und Fußgänger nicht vorgesehen. Deswegen fahren alle Mofa oder Scooter, wie das hier heißt. Uh. Hinten drauf durch Bagan düsen und Eric dafür verantwortlich machen, wenn wir in den Schlamm rutschen, ist ja eine Sache. Aber ich hab wirklich etwas Angst. Vermieter Wayan gibt mir einen Automatik-Roller und eine sehr intensive Einführung. Dann muss ich das Sträßlein zum Homestay einmal hoch und runter fahren, er ist zufrieden, aber bitte noch eine Runde auf der etwas größeren Straße. Als ich auch das zu meiner eigenen Überraschung meistere, entlässt er mich in den balinesischen Straßenverkehr. Und – es klappt. Man kann doch mehr als man denkt…

Ich finde schöne Strände, die ich aber nur p1010743von oben betrachte – es regnet viel und meine Gelüste, im nassen Sand zu liegen, halten sich in Grenzen. Die Alternative sind die coolen Surfer-Lounges an den Klippen – toll! Alles sehr lässig, natürlich bio, regional und vegan, das scheint zum Wellenreiterleben dazu zu gehören, entspannte Musik und der Blick auf die Surfer draußen, die auf die Wellen warten – wow! So ganz passe ich ja nun wirklich nicht in die Szene, aber lustig, das mal für eine Woche zu erleben.

p1010735Am Abend sitze ich dann aber doch lieber in einem bestimmt regionalen, wahrscheinlich nicht-bio und sicherlich nicht-veganen Warung, einem einheimischen Lokal, und genieße Indonesisches. Das Warung ist gleichzeitig Tankstelle für Mofas, der Sprit wird hier literweise in Schnapsflaschen ausgeschenkt, Klappe auf, Trichter rein, ein oder zwei Liter obendrauf, fertig. Der Tankwart neben mir steckt sich erst mal eine Zigarette an, um dann in aller Ruhe Benzin aus einem Fass in die Schnapsflaschen abzufüllen. Ich sitze etwa zwei Meter daneben und überlege, ob ich lieber die Flucht ergreifen sollte. Das gute Essen hat mich dort gehalten und ich hab’s überlebt…

Und dann merke ich doch, dass das freundliche p1010736Bali Teil des korrupten Indonesiens ist. Ich düse mit dem Mofa durch ein Städtchen, links eine Polizeiwache, davor drei Polizisten. Einer winkt mich raus, ich halte, grüße ihn freundlich und er fragt nach meinem Führerschein. Ich wusste gar nicht, dass man den überhaupt braucht, hab ihn auch nicht dabei, da grinst er und sagt, dass sei doch überhaupt kein Problem, mit 500.000 Rupien sei das Problem aus der Welt. Das sind 35 Euro. Oder zwei Übernachtungen in meinem Homestay. Oder 50 Liter Benzin in meinem Warung. Ich tue geschockter als ich es bin, versuche eine kleine Charme-Offensive, da bietet er 300.000 an. Du kleines A**, denke ich mir, tue trotzdem weiter hilflos, murmele, so viel hätte ich nicht, ob er vielleicht gnädig sein könne. Bei 100.000 ist dann Schluss bei ihm, er sagt, wenn ich das nicht zahle, würde er mit mir rein gehen und eine offizielle Anzeige produzieren. Ne, lass mal… Ich gebe ihm die 100.000, sie verschwinden in seiner Hosentasche und ich auf die andere Straßenseite. Dem will ich nicht noch mal in die Arme fahren. Mein Vermieter freut sich nachher, das hätte ich gut gemacht, die deutschen Jungs, die letzte Woche hier waren, hätten die 500.000 sofort gezahlt.

Nach einer Woche ist gut mit Surferleben, ich steuere Ubud an, spätestens seit „Eat, Pray, Love“ sicherlich kein Geheimtipp mehr, aber es wird Zeit für ein wenig Yoga und schöne Reisterrassen. Die nächste Welt wartet….

Mingalabar!

20161119-myanmar-inle-see-195Wir hatten uns drei Wochen Zeit für Myanmar genommen, viel mehr lässt die Visumsregelung auch nicht zu, und wollten eigentlich in touristisch wenig erschlossene Regionen vorstoßen. Letztendlich haben wir „nur“ die Touristenattraktionen in Yangon, Mandalay, Bagan und am Inle-See besucht und sind so froh, dass wir uns die Zeit genommen haben.

In Yangon unterhalten wir uns am Frühstückstisch mit einer Spanierin, sie kommt tatsächlich aus Mallorca und arbeitet ganz untouristisch als Sozialarbeiterin. Sie war vier Wochen in 20161123-myanmar-yangon-13Myanmar unterwegs und als wir sie fragen, wo sie überall war, zählt sie eine Batterie von Orten auf, deren Namen wir noch nie gehört haben. Toll, sie hat sicherlich viel erlebt und unvergessliche Eindrücke bekommen, aber wir sind trotzdem zufrieden mit 20161123-myanmar-yangon-18unserer Gemächlichkeit. Erst mal wird Eric seine Kräfte für den Jobbeginn am Donnerstag noch brauchen und außerdem wollten wir die Zeit haben, die Atmosphäre aufzusaugen, in Restaurants oder auf unserem Balkon zu sitzen, durch die Straßen zu schlendern und einfach die Leute zu beobachten. Und die sind in Myanmar eigentlich die Hauptattraktion – so freundlich, so ursprünglich, so eins mit ihren Traditionen. Die traditionelle Kleidung wird selbst von der Großstadtjugend noch getragen, die helle Thanaka-Paste schmückt die Gesichter der Frauen, bis auf die obligatorischen Taxifahrer ist kaum jemand auf p1010673Beschiss aus, die Leute wollen sich mit uns Ausländern unterhalten und vor den Tempeln musste ich das ein oder andere Mal für die Photoalben der Einheimischen posieren. Wo wir hinkamen, wir wurden mit einem herzlichen „Mingalabar“, – möge Segen über Dich kommen – gegrüßt. Myanmar ist nicht nur ein sehr freundliches, sondern auch ein sehr sicheres Land. Die tiefe Gläubigkeit der buddhistischen Bevölkerung ist sicherlich eine Ursache dafür.

Wäre es während unseres Aufenthaltes nicht zu massiven Übergriffen auf das Volk der Rohingya im Westen Myanmar gekommen, wir würden wahrscheinlich auch von der Toleranz und dem guten Funktionieren des Vielvölkerstaates schwärmen. Nur aus dem Fernsehen erfuhren wir, dass es an der Grenze zu Bangladesh zu Gewalttätigkeiten kam, die hunderte von Mitgliedern einer muslimischen Minderheit das Leben kostete und zu Massenvertreibungen führte. Da das Militär ausländischen Organisationen und der Presse den Zutritt zu dem Gebiet verweigert, gibt es lediglich Luftbilder von zerstörten Dörfern und Zeugenberichte. Die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi äußert sich dazu nicht und wir hoffen, dass internationaler Druck etwas bewirken kann. Die Rolle des Militärs in Myanmar können wir nicht beurteilen, wir waren erstaunt, wie wenig Soldaten auf den Straßen zu sehen waren, aber das Militär hat eine Machtposition und die ist in diesem Konflikt nicht zu unterschätzen.

Myanmar ist eine Gesellschaft im Umbruch, das ist überall deutlich zu spüren. In Yangon wachsen die ersten Shopping Malls in den Himmel, auf den Straßen fahren deutsche Nobelkarossen und die neue Mittelschicht gibt sich selbstbewusst. Andererseits erzählt uns die nette Restaurantbesitzerin in Bagan, die uns nach dem Essen noch durch ihr Dorf führt, dass die Schulpflicht fünf Jahre beträgt. Die Lehrer sind so schlecht bezahlt, dass die Stellen in manchen Schulen über Jahre hinweg nicht besetzt werden können. In den Straßenrestaurants Yangons sehen wir Jungen, die nicht älter als 11 sein dürften, die bis in die Nacht unter dem Kommando eines rüden Chefs schuften.

„She is our biggest hope“ sagte der Taxifahrer in Yangon über Aung San Suu Kyi. Ich hoffe sehr, dass sie sich nicht nur auf den wirtschaftlichen Aufschwung Myanmars beschränkt, sondern das tut, wofür sie den Friedensnobelpreis bekommen hat, nämlich für den Kampf gegen Unterdrückung und soziale Ungerechtigkeit. Diesem schönen Land und seinen herzlichen Menschen ist es sehr zu gönnen!

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See-Zeit

Wir wollten die gemeinsamen Tage in Myanmar geruhsam gestalten, da waren wir uns einig. Für Eric das letzte Luftholen vor dem Wiedereinstieg ins Berufsleben, für mich, weil ich’s gar nicht mehr anders gewohnt bin 🙂 Yangon, Bagan, Mandalay, vielleicht noch ein Strand, das war der Plan, aber wer braucht schon einen See, auf dem die Fischer mit einem Bein rudern? Dachten wir. Dann war aber das Angebot an Weiterflügen von Bagan doch etwas eingeschränkt und so entschieden wir uns für den Flughafen Heho, einen kleinen Ort in der Nähe des Inle-See, und Nyaung Shwe als Ausgangsbasis für die Seeerkundungen. Nach sechs Tagen hier können wir mal wieder sagen: alles richtig gemacht. Nyaung Shwe ist ein überschaubarer, freundlicher Ort mit gutem Essen und hervorragenden Massagen, es liegt zwar nicht direkt am See, aber an einem Zubringerfluss und hat genau die Gemächlichkeit, die wir gesucht haben.

20161119-myanmar-inle-see-199Wir mieten uns Fahrräder und radeln durch kleine Dörfer ans nordwestliche Seeufer. Viel Wasser sieht man zunächst nicht, es scheint, als ob rund um den See viel Schilf wächst. Unsere Wirtin hat uns empfohlen, irgendwann ein Boot anzuheuern, das uns und die Fahrräder auf die andere Uferseite bringt und das machen wir dann auch gegen Mittag. Das schmale Holzboot knattert zunächst durch eine Art von Kanäle, links und rechts viel Grün und uns wird langsam klar, dass es sich hier nicht um Schilf oder grüne Inselchen handelt, sondern schwimmende 20161119-myanmar-inle-see-202Gärten. Manchmal ist es doch ganz sinnvoll, ein wenig im Reiseführer zu lesen und so erfahren wir, dass der See berühmt für diese Anbauform ist. Auf einem Gemisch aus Wasserhyazinthen und Erde sehen wir vor allem, wo die leckeren Tomaten wachsen. Plötzlich öffnet sich der Kanal dann auf den offenen See. Und wir sehen, dass die berühmte Rudertechnik kein touristisches Spektakel, sondern die normale Fortbewegungsart der 20161119-myanmar-inle-see-152Fischer darstellt. Was für ein Anblick, der glitzernde See, die Fischerkähne, in der Entfernung ganze Dörfer auf Pfahlbauten, drumherum die grünen Gärten und in der Entfernung die Shan-Berge. Unser Bootsmann lässt uns an einem langen Holzsteg raus, wir schwingen uns wieder aufs Radl und fahren auf der Ostseite Richtung Nyaung Shwe zurück. Mittlerweile ist es Nachmittag und unsere Wirtin erwähnte ein Weingut, das sich wunderbar für den Sonnenuntergang eignen würde. Wein in Myanmar? Nach etwa zehn Kilometern sehen wir ein Schild, das nach rechts weist „Red Mountain Winery“. Wir folgen dem Pfad und stehen plötzlich mitten in den Weinbergen. Bei mir entsteht ein Bild vor meinem inneren Auge: ein eiskalter Riesling und dazu eine Käseplatte. Ach, ein bisschen vermisse ich Europa schon… Der Weg steigt an, wir sehen ein Haus, zu dem eine Treppe führt. Das muss sie sein, die Winery. Oben angekommen fühle ich mich kurz wie im Schwärzloch in Tübingen: auf Holzbänken und an Holztischen sitzen vorwiegend westliche Touristen, alle mit einem Glas Wein in der Hand, die Sonne produziert mittlerweile ein goldenes Spätnachmittagslicht, das die Weinreben p1010514-1und den See in der Ferne in Orangetöne taucht. Wir ergattern eine Bank ganz vorne, der Kellner bringt die Karte, wir bestellen Sauvignon Blanc und – ich kann es nicht fassen – sie haben eine Käseplatte! Die wird gleich zu einer der besten werden, die ich je gegessen habe, nach langem Käseentzug lasse ich den sicherlich objektiv nur mittelmäßigen Cheddar und Blauschimmelkäse im Mund zergehen als sei es feinster Roquefort und Gruyere. Der Wein hat eine ziemlich schwefelige Note, aber hier ist alles perfekt. Die Sonne versinkt hinter den Shan-Bergen, wir genehmigen uns noch einen Shiraz und treten äußerst beschwingt den Rückweg an.

Nach diesem ersten Vorgeschmack auf den See mieten wir uns einen Kapitän für einen p1010656ganzen Tag und starten früh am Morgen. Wir tuckern begleitet von Möwen über den Fluss, es ist ganz schön frisch und wir frösteln im Fahrtwind. Als wir an einer Werkstatt für Silberschmuck ausgeladen werden, sind wir zunächst etwas skeptisch: haben wir eine Kaffeefahrt gebucht? Aber dieser Besuch und die folgenden in einer Weberei, bei Zigarrendrehern und einem Schmied lassen uns staunen über die Ursprünglichkeit des Kunsthandwerks, für das
20161119-myanmar-inle-see-125die Seeregion berühmt ist. Unglaublich die Herstellung von Stoffen aus Lotus – die Stengel werden auseinander gebrochen, im Inneren befinden sich feinste Faser, die unendlich aufwändig zu einem Faden verdreht werden. Keiner drängt uns, etwas zu kaufen, die Menschen präsentieren stolz die alten Techniken, die hoffentlich noch lange erhalten bleiben.

20161119-myanmar-inle-see-167Im See gibt es mehrere Dörfer, Holzbauten auf Pfählen, eigentlich wunderbar idyllische Orte, wenn da nicht die knatternden Boote wären. Gut, wir sitzen selber in einem, aber der größte Teil scheint noch dem Transport von Waren und Passagieren zu dienen. Wir sind kurz froh, dass wir uns nicht in einem der recht exklusiven Hotels im See eingemietet haben – der Lärmpegel ist extrem hoch. Zwei leckere Seefische wandern am Mittag in unsere Bäuche und weiter geht die Fahrt vorbei an Häusern und Gärten, winkenden Kindern und freundlichen Fischern. Eine große Pagode mitten im See zieht die Gläubigen an und obwohl durchaus einige Touristen unterwegs sind, scheint alles noch fest in der Hand der Intha, der „Leute des Sees“, zu sein.

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Nach fast einer Woche in Nyaung Shwe haben wir uns fast schön häuslich eingerichtet. In unserem absoluten Lieblingsrestaurant Sin Yaw werden wir wie alte Stammgäste begrüßt, gleiches gilt für die Damen vom Massagesalon. Heute müssen wir Abschied nehmen. So gut, dass wir hier waren. So ein See kann schon etwas ganz besonderes sein.

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Druckpunkt

20161116-myanmar-iphone-38Am 16.11. sind wir von Bagan nach Heho gereist. Wir entschieden uns dazu, die Strecke mit dem Flugzeug zurückzulegen, da die Fahrt mit dem Bus unverhältnismäßig lange gedauert hätte. Eigentlich lieben wir es ja so zu reisen, wie es die meisten Menschen eines Landes tun. Aber die Tage sind nun doch schon knapp und vor allem ich möchte den Abschluss der großen Reise doch eher gemächlich ausklingen lassen. Also landeten wir nach gerade einmal vierzigminütigem Flug mit einer kleinen Propellermaschine in Heho. Der Flugplatz ist so klein, dass man über die Treppe aus dem Flieger steigt und einfach über das 20161116-myanmar-iphone-39Rollfeld zum Flughafengebäude läuft. Dort wartet man dann, bis nach kurzer Zeit einige Männer die zwei Wagen mit dem Gepäck heranrollen und die Koffer in das Gebäude stellen. Da braucht es kein Laufband. Es braucht beim Check-In auch keine Computer. Eine ausgedruckte Liste der Passagiere wird einfach nach und nach abgehakt und die Tickets von Hand ausgefüllt. Sitzplatz wird keiner eingetragen -jeder sucht sich den aus, der ihm gefällt -allerdings gab es auch mehrPlätze als Passagiere. Immer bekommt man einen Sticker ans Rever geklebt, anhand dessen die Flughafenmitarbeiter dann jederzeit wissen, wohin sie einen schicken müssen oder 20161119-myanmar-iphone-57wann sie einen dazu auffordern sollen, zu boarden. Das funktioniert in diesen beschaulichen Dimensionen alles wunderbar und so ist es ein recht entspanntes Fliegen.

Grundsätzlich sind die Burmesen sehr ehrlich und die Preise noch moderat. Aber wie überall sitzen mit die schamlosesten Menschen eines Landes hinter dem Steuer eines Taxis (ok, China und Japan sind hiervon ausgenommen). Jedenfalls haben die Fahrer schnell die Abhängigkeit der Touristen erkannt und fordern einfach einmal unerbittlich 2/3 mehr für die Fahrt vom Flughafen. Als der Fahrer dann noch wissen wollte, wann wir denn wieder zurückfliegen würden, um uns seine Dienste erneut anzubieten, da antworte ich ihm, dass wir dann ein günstigeres Taxi suchen würden. Ganz unschuldig reagierte er und eröffnete uns, dass das kein Problem sei. Für die Fahrt zurück zum Flughafen würde er ja auch den regulären Preis, also 15.000 Kyat statt 25.000 nehmen. Sehr pragmatisch 😃.

20161112-myanmar-iphone-20Arg viel haben wir dann nicht mehr unternommen. Wir liefen in den Ort hinein und nahmen noch eine Kleinigkeit zu uns. Was wir uns aber noch gönnten, das war am
Abend eine burmesische Druckpunktmassage. Und das ist teilweise so schmerzhaft wie es sich anhört. Mein Masseur widmete sich besonders meinen Beinen und zwickte und knetete an vielen Stellen. Leider hatte ich ausgerechnet da eine lange Hose an. Sie ist nun die am besten massierte Hose weit und breit… Aber nichtsdestotrotz kam genug der Massage auch bei mir an. Höhepunkt war, als der Junge einfach auf mir herumspazierte und so noch einmal jeden Muskel mit dem vollen Körpergewicht platt machen konnte. Ultimativ war dann allerdings der gezielte Stand in die Hauptblutzufuhr zunächst der Oberschenkel und dann der Oberarme. Das Blut gelangte für jeweils vierzig Sekunden nicht mehr an die Extremitäten, bis es dann mit einem Mal in sie hineinschoss!
Es tat gut, so sehr es nach Folter klingen mag.
Das müssen wir unbedingt wiederholen!!

Burmese delights

p1010424Wir müssen dann natürlich auch übers Essen in Myanmar sprechen.  Sonst wären wir ja nicht die Globonauten. So richtig hohe Erwartungen hatten wir nicht, in fast jedem Reiseführer findet sich die Aussage, das Essen sei nicht mit Thailand zu vergleichen, eher fettig, wenig scharf und so weiter. Tja, wenn man thailändisches Essen möchte, ist man – wen wundert’s – wohl am besten in Thailand aufgehoben. Aber kulinarisch darben muss man in Myanmar auf keinen Fall. Zunächst mal sollte man Hunger mitbringen, wenn man sich für ein burmesisches Curry p1010520entscheidet. Denn kaum hat man Huhn, Fisch oder Rind gewählt, wird der Tisch vollgestellt: sehr viel Reis, mehrere Schälchen mit Gemüse, scharfen Soßen, salzigen Pasten, was dem Koch sonst noch so einfiel und eben dem ursprünglich bestellten Curry. Dies ist meistens tatsächlich eher fettig, aber sehr aromatisch und selten auf Gemüsebasis: we need the vegetable for the side dishes, sagte mir die Bedienung in einem Straßenrestaurant. Aber er könne mir einen Tomatensalat machen. Gut, warum nicht. Und dann kam sie, meine kulinarische Entdeckung in Myanmar: eher grünliche Tomaten mit viel Zwiebeln, Knoblauch, ein paar grünen Chillies und einem wunderbaren Dressing aus zerstoßenen Erdnüssen und Limette. Wow!

Die Märkte quellen über vor leckerem Gemüse, die schwimmenden Gärten hier auf dem Inle-See sind eine Pracht, vor allem Tomaten scheint die Schunkelei auf dem Wasser zu gefallen und an den Hängen der Berge rund um den See gedeiht sogar Wein, der gar nicht mal so schlecht ist.

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Fisch gibt es eigentlich immer und meist aus dem regionalen Gewässer, an dem man sich gerade befindet. Der absolut beste wurde uns in Mandalay serviert – knusprig gegrillt, mit p1010317viel Knoblauch, hmmm! Aber auch er war nicht alleine, wir besuchten ein Restaurant mit Shan-Buffet und diese Volksgruppe aus dem nördlichen Myanmar ist dem feinen Essen sehr zugetan. Mindestens dreißig Töpfe mit allerlei Leckerem stehen zur Wahl, man sucht sich drei bis vier Gerichte aus und sie bringen es mit reichlich Reis und einigen Sößchen an den Tisch. Auch hier: unmöglich, alles aufzuessen! Preislich ist man mit Bier zu zweit bei unter zehn Euro, wie bei den meisten Restaurant-Besuchen hier. Ein Feschtle für den Schwabenmagen…

Die verschiedenen Volksgruppen in Myanmar sorgen für unterschiedliche kulinarische 20161119-myanmar-inle-see-130Genüsse. Die Shan haben es gerne mal scharf, am Inle-See ist viel frischer Ingwer im Spiel und wer dann doch nicht ohne Thai-Food auskommt, dem mixt man gerne Kokosmilch ins Curry. Gestern Abend hielt eine nette Familie auf der Straße an, Vater, Mutter, Kind auf dem Mofa, wir zu Fuß am dunklen Wegesrand. Der Mann wollte sich mal unterhalten, er möchte ein Restaurant eröffnen, am besten mit westlichem Essen, was wir denn davon halten. Hm, sagen wir, warum nicht burmesisch? Was wir denn zu indisch sagen würden, seine Eltern wären aus Nepal eingewandert. Oh, unbedingt, das soll er tun! Hoffentlich vertraut der Mann den Ergebnissen seiner Straßenbefragung. Wir hatten hier zwar durchaus auch schon mal Pizza, sie war gar nicht schlecht, aber kein Vergleich zu den einheimischen Köstlichkeiten, auch wenn sie asiatischen Migrationshintergrund haben.

Oh, und noch eine kulinarische Entdeckung darfp1010503 ich nicht unerwähnt lassen: Tamarinden-Flakes. In Bagan wurde uns nach dem Hauptgang ein Tellerchen mit – so dachten wir – Bonbons hingestellt. In dem weißen Papier befanden sich kleine runde Plättchen, die auf der Zunge zergehen. Sehr fruchtig schmecken sie fast ein bisschen wie äußerst feiner Traubenzucker und wir lieben es! Tamarinde und Zucker sind die Hauptbeteiligten, sagte uns der Kellner, und wir sind froh, uns in Bagan damit eingedeckt zu haben, denn es scheint eine dortige Spezialität zu sein, die wir am Inle-See nicht finden.

p1010428Wir haben in vielen Straßenrestaurants gegessen, mit offenen Küchen, ohne fließendes Wasser und mit Eiswürfeln unbekannter Herkunft. Magenprobleme hatten wir nie. Die Leute waren immer freundlich und freuten sich, dass wir ihre Küche mochten. Wir können also nur empfehlen, hier alle kulinarischen Köstlichkeiten mitzunehmen!

Land der tausend Pagoden

20161115-myanmar-bagan-292Bagan! Pagoden, so weit das Auge reicht. Ein sehr mystischer Ort und das absolute Highlight unserer bisherigen Reise. Aber der Reihe nach.

Wir verlassen Mandalay am frühen Morgen mit dem Boot – der Irrawaddy verbindet die 20161110-myanmar-bagan-39beiden Orte und scheint uns deutlich reizvoller als die holprigen burmesischen Straßen. An Bord bleiben die Touristen unter sich – de nervigen wie die netten. Eine kleine deutsche Reisegruppe hat sich sofort die besten Plätze draußen unter dem Sonnensegel, das zu dieser frühen Stunde auch als Regenschutz dient, gesichert. Eine Dame belegt gleich drei Plätze – auf einem sitzt sie, auf dem anderen ihr Rucksack und auf dem dritten ihr Fuß. Nein, hier sei nichts mehr frei und im übrigen gehörten ihr auch drinnen mehrere Sitze. Wenigstens sorgt sie damit dann gleich für Gesprächsstoff mit den anderen, ebenfalls deutschen Mitreisenden. Und bei acht Stunden Fahrtzeit freuen wir uns über die Gespräche mit netten Menschen aus Freiburg und Düsseldorf. Die Landschaft zieht vorbei und ein ganz klein wenig enttäuscht sind wir – der Fluss schlängelt sich unspektakulär durch die fast langweilige Ebene, aber Unterhaltung gibt es ja und unsere Kapitäne versorgen uns hervorragend erst mit Kaffee und Toast, später dann mit einem scharfen Curry. Wir kommen gut voran und gehen fast eine Stunde früher als gedacht von Bord. Immer noch kein Wow-Erlebnis, lange Verhandlungen mit der Taxifahrer-Mafia, wir teilen uns zu viert ein Auto und kommen im Dunkeln im Hotel an. Noch ist der Funke nicht ganz übergesprungen.

20161114-myanmar-bagan-221Den nächsten Tag gehen wir gemütlich an, laufen durch das staubige New Bagan mal in die eine Richtung zu einer Pagode am Fluss, mal in die andere zu einem schönen Restaurant, aber hm, so richtig faszinierend ist es immer noch nicht. New Bagan ist, wie es der Name vermuten lässt, eine Neugründung, und zwar eine zwangsweise – 1990 beschloss die Regierung, dass Old Bagan mit seinen archäologischen Haupttempeln geräumt werden sollte, um exklusiven Hotels Platz zu machen. Burma hat eine raue Vergangenheit…

Aber dann! Am 20161111-myanmar-bagan-64nächsten Tag schwingen wir uns auf eine chinesische Elektro-Vespa und düsen zu den Tempeln, die nicht fußläufig zu erreichen sind. Wir besteigen die Shwesandaw-Pagode und sehen zum ersten Mal, wie viele Tempel aus der Landschaft ragen – über 2000 sind es insgesamt. 20161111-myanmar-bagan-81Staunend stehen wir in der Hitze und können uns kaum losreißen von dem wunderbaren Blick. Kleine Pagoden, die eine 20161113-myanmar-bagan-173geheimnisvoll lächelnde Buddhafigur beherbergen, verfallene Klosteranlagen mit uralten Wandmalereien, goldene Stupas und große Tempelkomplexe, die meisten in goldbraunem Ziegelstein und die ältesten an die tausend Jahre alt. Bagan ist einerseits ein sehr historischer Ort, eine alte Königstadt des 11- bis 13. Jahrhunderts, aber andererseits eine sehr lebendige Stätte religiöser Verehrung. Dieser Eindruck entsteht nicht nur die vielen burmesischen Pilger, die sich nach den Gebeten neben den Tempeln zum Picknick niederlassen, sondern auch durch die Menschen, die neben und teilweise sogar in den Ruinen leben.
20161113-myanmar-bagan-185Stupas werden laufend neu erbaut, den bestehenden historischen Gebäuden ganz unhistorische Elemente, wie goldene Tempelspitzen, aufgesetzt, mehrere Erdbeben, zuletzt im August 2016, verändern das Gesicht der Anlage laufend. Bagan ist kein Weltkulturerbe, es gibt diverse politische Gründe dafür, aber uns wird klar, dass dieser Ort kein museumsgleiches Areal sein kann, sondern auch durch den steten Wandel lebt.

20161113-myanmar-bagan-189Am schönsten ist Bagan in den späten Nachmittagsstunden, das Licht lässt die Tempel und die Landschaft besonders golden leuchten und die Sonnenuntergänge sind absolut spektakulär. Das wissen aber nicht nur wir, sondern viele andere Touristen auch, weswegen auf den großen Tempeln schon ab halb fünf ein großes Gedränge herrscht, kurz vor fünf dann die letzten Reisebusse ankommen, wild in der Landschaft parken, keuchende Touristen die oberen Plattformen erreichen und hektisch nach 20161112-myanmar-bagan-170dem besten Platz für den Sonnenuntergang suchen. Klar, allen wäre es am liebsten, sie könnten die magische Abendstimmung einsam erleben, wir wissen es: wir stehen nicht im Stau, wir sind der Stau und 20161114-myanmar-bagan-213nur weil wir ohne Gruppe reisen, sind wir nicht die besseren Touris. Aber trotzdem brauchen wir einen anderen Ort und finden den eher zufällig auch auf dem Dach eines verfallenen Klosters neben einem winzigen Dorf freundlicher Menschen. Hier sind wir zwei Abende ganz allein, strecken uns ein Stündchen auf den warmen Steinen des 20161115-myanmar-bagan-258Daches aus und bekommen dann auch noch einen Supermond zu sehen, der uns fast den Atem raubt. Wir nehmen uns Zeit für Bagan und sind froh, diese auch zu haben – die hektischen Reisegruppen, die die Tempel im Schnelldurchlauf absolvieren, sehen zwar sicherlich etwas mehr, aber uns ist es egal, ob wir jetzt 2 oder 5 % der 2000 Gebäude besichtigt haben.

Und wie überall in Myanmar stellen wir fest, dass der Tourismus zwar bereits voll und ganz angekommen ist, die Atmosphäre aber trotzdem noch freundlich und gelassen bleibt. So viel Lächeln, Menschen, die uns so neugierig bestaunen wie wir sie: wir genießen Myanmar!