Keiner da in Kanada

20160625-Kanada-Nova-Scotia-Cape-Breton-05Die Überfahrt von P.E.I. nach Nova Scotia ist eine kurze und so sind wir pünktlich zum Mittagessen in Pictou. In einem kleinen Restaurant, das schon um kurz vor 12 rappelvoll mit älteren Leuten ist, genießen wir ein wirklich leckeres zweites Frühstück und starten auf diese Weise gestärkt Richtung Cape Breton im Norden von Nova Scotia. Cape Breton ist eine eigene Insel und beherbergt einen viel gelobten Nationalpark. Also hin da! Wie kamen wir eigentlich darauf, dass uns schon irgendwie 20160626-Kanada-Nova-Scotia-Cape-Breton-09eine Unterkunft über den Weg laufen wird? War ja bisher eigentlich nie so in Kanada, dass man irgendwo langfährt und plötzlich auf ein reizendes Hotel stößt, das einen mit günstigen Preisen und freien Zimmern von der Straße lockt. Irgendwann finden wir uns nach Zimmern googelnd und leicht genervt am Straßenrand 20160626-Kanada-Nova-Scotia-Cape-Breton-16wieder, haben aber Glück und beziehen ein wunderbares Bed and Breakfast in Baddeck. Mit Whirlpool im Badezimmer, so was hatte ich ja noch nie. Baddeck liegt am Rande des Nationalparks und so dauert es am nächsten Tag nicht allzu lang bis wir die spektakuläre Küste erreichen. Im Park gibt es mehrere Trails und wir nehmen einen der populärsten, steht zumindest im Reiseführer. Auch die Anzahl der parkenden Autos lässt darauf schließen und anfänglich begegnen wir noch vielen Menschen, bis der Rundweg beginnt. Man kann ihn links oder rechts rum laufen, nehmen wir rechts, ist ja eigentlich egal. Wir studieren zunächst die Verhaltensregeln für Kojoten-Begegnungen (Eindruck schinden und zur Not mit einem Stock verjagen) und hoffen 20160626-Kanada-Nova-Scotia-Cape-Breton-22dann auf Elche, aber die wollen sich einfach nicht zeigen. Es geht durch waldiges Gelände Richtung Küste und wir sind erstaunt, dass wir keine anderen Wanderer mehr sehen. Es ist ein schöner Weg, der nach etwa zwei Stunden zu einer hölzernen Plattform oberhalb des Meeres führt. Und da sind wir dann nicht mehr allein – zu diesem Aussichtspunkt gelangt man in weniger als einer halben Stunde, wenn man den Rundweg links herum nimmt. Das scheinen die meisten zu wissen, denn die Zahl der Flip-Flop-Tragenden auf der Plattform ist groß. Ihr hattet’s vielleicht bequemer, wir dafür aber schöner! Wir fragen uns dann allerdings, wozu viele einen Golfschläger dabei haben, den sie wie einen Wanderstock benutzen. Golfspielen kann man hier eindeutig nicht – das hat doch wohl nichts mit den Kojoten zu tun?

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Wir fahren weiter immer an der Küste entlang und sind kilometerlang die einzigen auf der Straße. Kommt der Name Kanada womöglich von „keiner da“? Am frühen Abend erreichen wir Ingonish, diesmal haben wir vorgebucht, ein kleines Motel, von dem wir eigentlich nicht viel erwarten. Das Motel ist tatsächlich klein, aber mit spektakulären Blicken gesegnet. Vom Bett aus blickt man durch ein riesiges Fenster direkt aufs Meer – sehr schön!
20160628-Kanada-Nova-Scotia-Lunenburg-28Den Nationalpark haben wir damit umrundet, zum Zelten, was hier bestimmt wunderbar ist, ist es immer noch etwas zu kalt, also verlassen wir Cape Breton und fahren nach Lunenburg, eine knappe Stunde hinter Halifax. Eine Gründung deutscher und schweizer Auswanderer und Weltkulturerbe. Wirklich ein 20160628-Kanada-Nova-Scotia-Lunenburg-36reizendes Städtchen mit einem hübschen Hafen und vielen bunten Holzhäusern. Die diversen Kirchen des Ortes sehen von weitem fast ein wenig gotisch aus und tatsächlich nennt sich dieser Baustil „carpenter gothic“, was halt der Zimmermann mit Holz so hinkriegt, wenn er gotische Steinbauten nachbauen will. Ein schöner Ort für einen langen Spaziergang und eines der besten Essen während unserer Kanada-Reise: in Magnolia’s Grill gibt es eine wunderbare Seafood-Chowder für mich und Fishcakes mit einem tollen Salat für Eric. Das Geheimnis ihres Salatdressings wollten sie uns leider nicht verraten…

20160628-Kanada-Nova-Scotia-Annapolis-Royal-01Und weiter geht’s, wir wollen noch irgendwo zwischen hier und Toronto für eine Woche ein Häuschen mieten und in Nova Scotia sind wir nicht fündig geworden. Also buchen wir die Fähre auf’s Festland und wollen dann in die USA. Die Fähre geht um 11, von Lunenburg sind es mehr als zwei Stunden, man sollte auch ein Stündchen vorher dort sein, das ist uns zu stressig, also suchen wir uns eine Unterkunft in Fährnähe und fahren am Nachmittag von Lunenburg aus dort hin. Sowohl das Granvalley Bed and Breakfast als auch der Ort Annapolis Royal sind so entzückend, dass wir es fast bereuen, die Fähre schon gebucht zu haben. Eine äußerst gemütliche Nacht später machen wir uns auf, Kanada erst mal zu verlassen und Richtung Maine aufzubrechen. Aber davon später mehr.

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Bye P. E. I.

20160624-Kanada-Prince-Edward-Island-Stanhope-79Was für eine nette Insel, diese Prince Edward Island oder P.E.I., wie hier jeder sagt und schreibt.  Sanfte grüne Hügel, rote Klippen, schöne Naturstrände, kleine Häfen und immer und überall Hummer. Dazu zwar sehr überschaubar, aber trotzdem abwechslungsreich: ein netter Ort für eine schöne Woche. Unser erstes Häuschen an der Südküste hat einen Traumblick auf das wilde Meer, an dem wir uns kaum sattsehen können – 20160622-Kanada-Prince-Edward-Island-Stanhope-17auch wenn wir zwischendrin für 90 Minuten mal in den Fernseher starren müssen, um ein mageres Unentschieden gegen Polen mitzukriegen. In dieser Gemächlichkeit soll es weitergehen, deswegen suchen wir nach einem weiteren Häuschen im Norden, möglichst nah am Nationalpark. Übers Internet wird man da ja eigentlich immer fündig und dank entsprechender Bewertungsportale wird auch selten enttäuscht – wenn das Internet tut. Und das ist auf unserer Insel leider nicht überall der Fall. Also diesmal keine aufwändige Recherche, ich finde ein Cottage mitten im Nationalpark, die Bilder sehen ganz nett aus, also schreibe ich den Vermieter an. Dies Konversation gestaltet sich etwas umständlich, da hätte ich schon stutzig werden sollen.

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Nein, das war leider nicht unser Cottage

Als wir nach einer Fahrt durch die Insel an den Del Mar Cottages ankommen, begrüßt uns Dave in der muffigen Rezeption und fängt an zu erzählen. Und zu erzählen. Und noch mehr. Anfänglich noch höflich lächelnd (Dave hat die 70 sicherlich überschritten und wir wollen ja freundlich sein) fangen wir nach einer Weile an, von einem Bein auf’s andere zu wackeln, Aufbruch zu signalisieren, Luft zu holen, um einzuhaken – aber er lässt uns nicht. Keine Chance. Als er dann berichtet, dass er, wenn man ihn nur ließe, 200 Cottages hier bauen würde, fällt ihm Eric ins Wort: „Lass uns doch erst mal ein Cottage sehen“, schnappt sich den Schlüssel und befördert 20160623-Kanada-Prince-Edward-Island-Stanhope-52uns hinaus in die frische Luft. Dave kommt hinterher, geleitet uns zur Hütte, erzählt weiter, während wir das Auto entladen, leitet eine neue Geschichte ein, aber jetzt ist gut – wir lassen einfach die Tür der Hütte zufallen. Und nu stehen wir drin und ich fühle mich schlagartig an das Ferienhaus meines Großvaters in Rotenburg an der Wümme erinnert – sorry, Opa – aber diesen Geruch von sehr viel Holz gepaart mit alten Möbeln, altem Mann und wenig frischer Luft – den kenne ich. Es mag zwar sauber sein, aber ich fühle mich einfach unwohl. Spitze Finger sind angesagt in den nächsten Tagen. Draußen gibt es eine große Terrasse – aber da gibt es auch Dave und außerdem hunderte von Stechmücken, die sich auf einen stürzen. Und besonders gerne auf mich. Und da ganz besonders gerne auf meinen Kopf und Hals. Nach kürzester Zeit habe ich zwei Riesenbollen, die sich anfühlen wie gigantische juckende Lymphknoten. Also, wenn im Cottage, dann drinnen im Plüsch…  Dummerweise haben wir schon für drei Nächte gezahlt, aber wir lassen uns die Laune nur kurz verderben. Die Insel ist dafür viel zu schön und es gibt viel zu viele 20160623-Kanada-Prince-Edward-Island-Stanhope-51tolle Orte zu sehen. Und: quasi um die Ecke liegt ein kleiner Hafen und dort Richard’s Fresh Seafood mit unfassbar leckeren Lobster Rolls. Zarter frischer Hummer in einem leichten zitronigen Sößchen in buttrig getoastetem Weißbrot, alles leicht fastfoodmäßig auf einem Plastiktablett und mit Pommes dargeboten – eigentlich ja eine kulinarische Schande, aber so gut. Beim zweiten Mal sehe ich, dass man gegen Aufpreis auch Salat statt Pommes bekommen kann und beim dritten Mal genehmige ich mir noch einen Chardonnay von der Insel dazu. Dafür, dass er in einem Plastikglas serviert wird, ist er sehr lecker – wirklich trinkbarer kanadischer Wein, hätte ich nicht 20160623-Kanada-Prince-Edward-Island-Stanhope-30gedacht. Und so entdecken wir die Insel, finden tolle Strände und Dünen, an denen wir uns zum Lesen niederlassen, zum Sonnen- oder gar Meeresbaden ist es noch zu kalt. Die Kanadier lassen sich hiervon nicht abschrecken und der Golfstrom soll das Wasser angeblich auch wärmen, aber brr – es ist eisig. Dafür ist es unglaublich blau und eine absolute Pracht. Wir besuchen die Hauptstadt von P.E.I., das sehr hübsche Charlottetown, und fahren nach Cavendish, wo das Kinderbuch „Anne auf Green Gables“ entstand und spielt. Historische Leuchttürme, Muschelfarmen und immer wieder Hummer – hier kommen uns die Provinzen der Canadian Maritimes am maritimsten vor. Und 20160623-Kanada-Prince-Edward-Island-Stanhope-59dann finden wir ganz in der Nähe unserer Retro-Unterkunft das einzige Autokino von P.E.I., das Brackley Drive-In, ganz im Stil der 50er-Jahre, und weil Eric noch nie in einem Autokino war, testen wir es aus. Bewaffnet mit Popcorn und Zuckerwatte sehen wir „Central Intelligence“, der dann doch nicht ganz so schlecht ist, wie wir zunächst befürchtet hatten. Ging ja auch nicht um den Film 🙂

 

20160624-Kanada-Prince-Edward-Island-Stanhope-91Die Tierwelt kam ja bisher ein bisschen kurz, zwei Elche an der Autobahn in Quebec und – ich darf jetzt wirklich nicht undankbar sein – die Wale vor Tadoussac. Hier begegnen wir sehr hübschen Füchsen, ganz unerschrocken laufen sie auf der Straße und sind sogar recht neugierig. Und sie sind vor allem lebendig, plattgefahrene Wollknäuel haben wir schon recht oft auf den Straßen gesehen.

Und dann verlassen wir P.E.I., diesmal nicht über die Confederation Bridge, sondern mit der Fähre Richtung Nova Scotia. Schön war’s und das trotz muffigem Cottage. Und zum zweiten Mal während unserer Reise heißt es zumindest für mich „Bye P.E.I.“.

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Voll gechilled

20160618-Kanada-New-Brunswick-Fredericston-02Fredericton, die Hauptstadt von New Brunswick, ist ein sehr gelassener Ort, dem man anmerkt, dass die Menschen gerne dort wohnen und es sich deswegen schön machen. Das wunderbare Wetter verstärkt diesen Eindruck noch und so beginnen wir den Tag mit einem Besuch des Farmer Markets. In und um eine kleine Markthalle werden Produkte der Region verkauft und man hat den Eindruck, als würden hier wirklich die 20160618-Kanada-New-Brunswick-Fredericston-03Hausfrauen der Umgebung ihre Spezialitäten anbieten. Das Brot- und Wurstsortiment ist fest in deutscher Hand: wir kaufen ein paar Landjäger bei Elke, verschmähen dann aber die Laugenbrezeln von Kurt: viel zu groß und ohne knackige Ärmchen, bayrisch halt, und mit seinem Dresdner Bäckerdiplom kommt er eindeutig nicht aus der Expertenregion. Das Keksangebot scheint vor allem schottisch geprägt und ich erstehe „Buttercrunch Oatmeal Shortbread“. Wir lassen uns auf dem Rasen vor dem Markt nieder, so wie viele Familien, und ich teste meinen Einkauf. Der erste Biss zerschmilzt im Mund, Karamell und Toffee mit ganz leicht salziger Unternote und haferflockigem Finish, das doch noch zum Kauen einlädt – das sind die besten, wirklich die allerbesten Kekse, die ich je gegessen habe. Wow!

20160618-Kanada-New-Brunswick-Fredericston-09Wir bummeln weiter durch die Stadt: die Dame vom Wollladen hat Stühle vor ihr Geschäft gestellt und frau trifft sich dort zum geselligen Stricken, auf der Terrasse vor dem Leuchtturm direkt am blauen Fluss erholen sich die Samstag-Nachmittag-Shopper bei Kaffee und Bier, der Fahrradverleih am Ufer ist gut ausgelastet und kleine weiße Motorboote ziehen vorbei. Wir kaufen uns Sushi im Supermarkt und lassen uns in einem der vielen kleinen Parks nieder. Ich liege auf meiner neuen Yogamatte (die letzte steht 20160618-Kanada-New-Brunswick-Fredericston-32bestimmt immer noch in einem Hotelzimmer in Costa Rica) und schaue in den blauen Himmel, nein, eigentlich betreibe ich intensiv Shavasana. Nach so viel Chillen wollen wir uns doch wenigstens noch die andere Uferseite anschauen und überqueren den Fluss. Schon mittags hatten wir von dort Musik gehört, eher nur Getrommel, und je näher wir kommen desto lauter wird es. Ein 20160618-Kanada-New-Brunswick-Fredericston-30kleines Fest, da schauen wir doch mal. Wir schlängeln uns zwischen Ständen hindurch, die Musik wird immer lauter, Menschen in Indianerkostümen tanzen – wir sind in einem echten Powwow gelandet. Angehörige verschiedenster First Nations – die kanadische Bezeichnung für die indigenen Völker – treffen sich, vor allem zum Tanzen, aber auch zur Förderung der Gemeinschaft. Wirklich faszinierend und vollkommen umtouristisch. Was für ein Glück, auch noch diesen Teil der kanadischen Gesellschaft erleben zu können.

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P1080577Das Wetter ist toll, die Landschaft auch – jetzt wäre es doch endlich mal wieder Zeit für ein kleines Zeltabenteuer! Zwei Zelte hatten wir bisher schon, das erste nahm Michael für uns von Los Angeles nach Stuttgart mit, unser schönes Kiwizelt aus Neuseeland erreichte mit dem Schiff von Bali nach zwei Monaten die Heimat. Jetzt also Zelt Nummer drei, günstig aus dem Supermarkt. Wir fahren an die Bay of Fundy, der Bucht zwischen New Brunswick und Nova Scotia und finden dank der netten Dame aus der Touri-Information einen schönen Campingplatz am New River Beach. Neugierige Eichhörnchen und ein Hase begrüßen uns in einem kleinen Märchenwald, ein nettes Plätzchen ist sofort gefunden, aber warum ist es eigentlich so kalt hier? Sommerliche Temperaturen in Fredericston und auch noch im 30 km entfernten St Andrew bei der Touristen-Info. Na, das wird schon. Einen Streit später steht das neue Zelt und wir brechen zu einem Abendspaziergang ans Meer auf. Eine ziemlich steife Brise weht hier und wärmer wird es dadurch nicht. Ein Gläschen Rotwein wird’s vielleicht richten und dann ziehen wir halt was vernünftiges an. Mit Leggings, Socken, T-Shirt, und Fleesejacke bekleidet schlüpfe ich in den Schlafsack, darüber noch die Decke aus Nepal – aber so richtig kuschelig wird’s nicht in der P1080586Nacht. Erholsam ist was anderes und so kriechen wir am Morgen aus dem Zelt und fühlen uns auf eine ganz andere Art gechilled als am Vortag. Wir beschließen, die nächste Nacht in jedem Fall wieder in einem Haus zu verbringen. Irgendwo in Nova Scotia, der angrenzenden Provinz. Beim Frühstück im warmen Tim Hortons mit einem großen heißen Kaffee entscheiden wir uns dann doch für Prince Edward Island oder, as we say in Canada,  Pi -I – Ei. Eine lange Brücke bringt uns übers Meer und jetzt sind wir in Kanadas kleinster Provinz. Unser warmes Häuschen ist innen eher schlicht – aber ansonsten einer der schönsten Orte der Welt. Was für ein toller Blick übers Meer! Wir werden berichten.

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Reisen durch das Braunschweiger Land

Kanada ist doch nicht blöd! 20160613-Kanada-Quebec-11

Nachdem Toronto ein netter Einstieg war, sprang der Funke im französischen Quebec so gar nicht über. Gut, das Wetter war schlecht. Und die trotzdem vorhandenen Stechmücken wahre Ungeheuer, die für riesige Quaddeln an meinem Hals sorgten, die immer noch nicht weg sind. Und die Landschaft wenig abwechslungsreich. Klar, dafür können sie nichts, die Quebecer. Wofür sie aber was können, ist ihr sagen wir mal etwas rauer Charme. Unsere freundlichen Versuche, mit ihnen französisch zu reden, wurden entweder damit quittiert, dass sie in rasender Geschwindigkeit antworteten oder gleich meinten, wir sollten doch besser englisch sprechen. Und diese Konversation beschränkte sich dann meist auf das Notwendigste.

20160616-Kanada-New-Brunswick-42Richtig aufgeregt hat mich die  Fahrerei. Anfangs hielt ich es ja noch für eine anarchistische Marotte, wenn sie konsequent mindestens ein Drittel über der erlaubten Geschwindigkeit durch die Landschaft düsten. Sollen sie ruhig, ist ja ihr Land. Aber, dass sie einem dabei fast auf der Stoßstange hängen, das nervte dann schon zunehmend. „Sorry for obeying your laws.“ hätte ich mir am liebsten hinten ans Auto gehängt.

Ihr merkt, es machte nicht so richtig Spaß. Sie sind nicht unfreundlich, aber eben nicht so herzlich und locker wie die Costa Ricaner oder auch die Amerikaner. Wahrscheinlich sind sie weniger amerikanisch und eher europäisch. Und wir sind’s nicht mehr gewöhnt…

20160616-Kanada-New-Brunswick-16Jedenfalls fassten wir den Plan, Quebec Richtung Süden zu verlassen und dann zu entscheiden, ob wir in die USA fahren. Die Grenze zu Maine ist nicht weit weg und die Neuengland-Staaten waren immer schon ein Wunschreiseziel von mir, wenn auch eher zum Indian Summer. Also brachen wir Richtung Fähre über den Sankt Lorenz-Strom auf und siehe da: strahlend blauer 20160616-Kanada-New-Brunswick-29Himmel. Als wollte uns Quebec doch noch von
seiner Schönheit überzeugen, zog es, an der Anlegestelle angekommen, alle Register: vom Ufer aus konnte man in der Ferne die schneeweißen Belugawale dabei beobachten, wie sie ihren Spaß im nährstoffreichen Fluss haben. Der wolkenlose Himmel, der tiefblaue Fluss, die Wale, die wie Delfine durch die sanften Wellen plantschten – doch noch ein schöner letzter Eindruck von Quebec.

Die Fahrt ans andere Flussufer dauert etwas mehr als eine Stunde und von der Anlegestelle in Riviere du Loop nochmals etwa genauso lang bis zur Grenze zu 20160616-Kanada-New-Brunswick-44New Brunswick, einer der drei Seeprovinzen Kanadas. Benannt nach dem Königshaus Braunschweig geht es hier sehr britisch zu – obwohl diese Provinz die einzige offiziell zweisprachige Kanadas ist. Die Landschaft ist fast lieblich – Hügel, Wald, Wiesen, Seen und reizende bunte Holzhäuser prägen das Bild. Und: sie jagen einen nicht mehr unerbittlich über die Straßen, sondern halten britisch-höflichen Abstand. Uff… Fast schon amerikanisch ist die stolze Freude der Kleinstädte an Superlativen: wir passieren 20160616-Kanada-New-Brunswick-33Florenceville, „French Fry Capital of the World“, weil hier McCain seinen Firmensitz hat und Hartland mit der längsten gedeckten Brücke der Welt. In Grand Falls erwartet uns eine Miniausgabe der Niagara Fälle, allerdings mit etwa derselben Wassermenge. Mit unglaublicher Wucht donnern die Wassermassen über 20 Meter in die Tiefe. Ein ziemlich beeindruckendes Schauspiel.

Endlich kommen wir dann in Woodstock an, fünf Kilometer von der US-amerikanischen Grenze entfernt und sind ganz erstaunt, wie spät es geworden ist. Schon halb elf, komisch.

Am Morgen lassen wir uns Zeit, Checkout ist ja erst um 11, das reicht ja locker für das Spiel Italien – Schweden zum Frühstück, nachdem wir den lahmen Kick unserer Jungs gegen Polen am Tag zuvor verpasst haben. Um halb 11 klingelt das Telefon: ob wir vielleicht mal auschecken möchten? Ähm, ja klar, in einer halben Stunde. Um 11 halt. Das sei es vor einer halben Stunde gewesen, hier gelte Eastern Time. Haben die uns doch glatt beim Grenzübertritt eine Stunde geklaut und wir haben’s nicht gemerkt…

20160617-Kanada-New-Brunswick-54Also schnell weiter. Wir bleiben erst mal in Kanada, New Brunswick macht einen guten Eindruck und der verstärkt sich im Laufe des Tages nur noch. Das Wetter ist wieder traumhaft, die Landschaft absolut idyllisch, da wundert es uns kaum noch, dass uns mitten auf der Straße zwei Rehe freundlich entgegen schauen. Satte grüne Wiesen direkt am Fluss, dazwischen pittoreske Farmen und Wohnhäuser, die Garagen fast größer als das eigentlich Haus, umgeben von perfektem englischen Rasen. In Nackawic erwartet uns ein weiterer Rekord: die weltgrößte Axt. Ja, wow, unfassbar, was man hier alles erleben kann 🙂
20160617-Kanada-New-Brunswick-56Am Ufer vor der Axt legen wir einen Picknick-Stopp ein, der Fluss ist hier besonders breit, es weht ein leichter Wind und die Sonne scheint auf uns herab – perfekt für einen entspannten Nachmittag. Im Supermarkt gegenüber werden wir freundlich begrüßt und verabschiedet – es ist so deutlich anders hier.

Am Abend erreichen wir dann Fredericton, die Hauptstadt von New Brunswick. Was für eine hübsche Stadt, viktorianische Häuser, wieder einmal direkt am Fluss und eine sehr entspannte Atmosphäre. Wir finden eine fast britischen Pub mit sehr gutem Bier und leckerem Essen. Ach, hier gefällt uns Kanada sehr!

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Von einer europäischen Stadt, einem Chaosverein und einem Happy Ending

20160613-Kanada-Quebec-05Québec ville, in das es uns wegen des Formel 1 Rennens verschlagen hatte, begrüßte uns zunächst mit Regenwetter und so verhielten wir uns sehr nordamerikanisch und fuhren am Abend unserer Ankunft jeden Meter mit dem Auto, alleine um nicht nass zu werden. Denn anders als in Costa Rica, wo es so warm war, dass es keine Rolle spielte nass zu werden, war es in Québec doch kühl und windig.
20160613-Kanada-Quebec-06Der nächste Morgen begrüßte uns aber tatsächlich trocken und so ging es ab in die Stadt -natürlich mit dem Auto, denn dort wo sich unser Motel befand, da gibt es keine öffentlichen Verkehrsmittel. Also parkten wir den Wagen in der Rathausgarage und waren so mitten im historischen Zentrum der Stadt. Und was soll ich sagen, es ist eine schöne und für Nordamerika recht ungewöhnliche Stadt, die recht europäisch wirkt, und wie eine Mischung aus einer französisch-englischen mittelgroßen Stadt wirkt. Das ist nett, aber für einen Europäer eigentlich tatsächlich nicht so spektakulär -abgesehen von 20160613-Kanada-Quebec-23ihrerLage hoch über dem schon für sich genommen gigantischen Sankt-Lorenz-Strom. Und so umrundeten wir die große historische Festungsanlage, indem wir die Promenade des Gouverneurs entlanggingen, den Strom zur Linken. Recht schnell hat man das Zentrum besichtigt und zum Abschluss landeten wir in einem Bistro und mussten feststellen, dass entweder nichts vom kulinarischen Erbe der Franzosen übrig 20160613-Kanada-Quebec-18geblieben war oder aber, dass die vielgelobte französische Küche sich im Mutterland erst ausgebildet hatte, nachdem sich die Auswanderer über den Großen Teich davon gemacht hatten. Das Ergebnis ist Poutine, das Pommes-mit-Bratensauce-und-Käse-Essen, das Julia ja bereits beschrieben hatte. Heute nahmen wir es beide, nämlich Poutine de jour. Es wird mein letztes bleiben…
20160614-Kanada-Tadoussac-41Am Tag später machten wir uns dann auf den Weg noch weiter Richtung Osten, nach Tadoussac. Die Strecke dort hin führt entlang des Sankt-Lorenz-Stom und wieder durch weite Wälder. Kurz vor dem Ziel unterbricht der Saguenay-Fjord die Straße. Es gibt keine Brücke, dafür aber eine kostenlose Fähre, auf der man die zwei Kilometer lange Strecke zurücklegt. Der Blick den Fjord hinauf ist faszinierend und als wir später noch ein wenig am Ufer spazieren, da taucht die abendliche Sonne alles in ein sehr schönes Licht.
20160614-Kanada-Tadoussac-0820160614-Kanada-Tadoussac-07Tadoussac ist auch bekannt dafür, dass sich hier alle möglichen Wale tummeln. Nicht zu jeder Zeit alle zugleich, aber dennoch sollen auch wir die Chance auf Sichtungen haben. Und unsere Chancen wollen wir am Tag darauf mit einer Bootstour erhöhen und so buchen wir über das Internet für 12:00 Uhr bei einem Veranstalter in einem 30 km entfernten Ort. Wichtig war: Es sollte keine Massenveranstaltung sein und so kam nur eine Fahrt auf einem so genanten 20160614-Kanada-Tadoussac-23Zodiac in Frage. etwa zwei Stunden nach der Buchung kam ein eMail des Veranstalters, in der ohne jede Form einfach geschrieben stand: „Hi, is it possible for you to make a 10 am départure instead 12h Thanks“
Nein, war es nicht und das schrieb ich dann auch zurück und hörte nichts mehr von ihnen.
Tags darauf standen wir dann pünktlich bei Les Écumeurs du Saint-Laurent auf der Matte und was erwartete uns dann? Eine Dame, die ganz profan mitteilte, dass wir die einzigen beiden Gäste seien und die Tour darum nicht statt finden würde. Ob für uns statt 12:00 Uhr auch eine Tour in fünfeinhalb Stunden, also um 17:00 Uhr in Ordnung sei.
Wie bitte? Hatte ich bis eben aus Höflichkeit auf französisch geradebrecht, so sagte ich nun 20160614-Kanada-Tadoussac-12auf Englisch, das es vielleicht ganz gut gewesen wäre, das vorab mitgeteilt zu bekommen. Gibt es so was? Da stimmen wir unseren Tag auf dieses Ereignis ab, zahlen über das Internet vorab, fahren eine dreiviertel Stunde und dann sollen wir 330 Minuten in einem Fischerdorf totschlagen?
Die Dame merkte wohl, dass das so nicht ging und telefonierte mit der Konkurrenz. So bekamen wir dann immerhin einen Termin auf einem Boot, das um 14:30 Uhr von einer wiederum 16 km entfernten Bucht ablegen sollte. So hatte es die Dame zumindest auf dem Ticket vermerkt. Wir hatten nun also zweieinhalb Stunden, in denen wir das Fischerdorf abklapperten und uns in einem Supermarkt mit Baguette und Käse 20160615-Kanada-Tadoussac-53versorgten, was wir dann auch gleich zur Stärkung zu uns nahmen. Irgendwann einmal beschlossen wir, dass wir ja schon einmal zum Ziel fahren und uns dort noch ein wenig umsehen könnten . Und so erreichten wir den kleinen Hafen bereits kurz vor 14:00 Uhr. Schon als wir ausstiegen begrüßte uns ein freundlicher Herr und fragte, ob wir sein Büro suchten und als wir bejahten, da winkte er uns auch schon herein. Wir präsentierten unsere von der Dame des anderen Veranstalters ausgestellte 20160615-Kanada-Tadoussac-93Reservierungskarte und zahlten dann auch gleich. Dann sagte ich zu der Dame an der Kasse, dass wir jetzt noch unsere warme Kleidung aus dem Auto holen würde, worauf sie meinte, ob wir nicht Kleidung von ihnen nehmen wollten, denn schließlich würde das Boot ja in zwei Minuten starten.
Bitte??? Aber warum denn? Auf dem Reservierungsticket steht doch 14:30 Uhr drauf und jetzt ist erst 14:00 Uhr! Sie schaute ungläubig auf das Ticket und meinte, dass das falsch sei und das Boot jetzt startet.
20160615-Kanada-Tadoussac-91Unglaublich: Nicht nur, dass die uns bei Les Écumeurs du Saint-Laurent böse versetzt hatten, war nun auch noch die Zeitangabe für die Ersatztour falsch gewesen. Nur weil wir früh dran waren, hatten wir das Boot nun gerade noch rechtzeitig erreicht. Also schnell das Fleece angezogen, rein in die gelbe Öllatzhose und die Rettungsweste an und dann nichts wie runter zum Boot.
Ab da machte es Spaß! Das Zodiac war nur halb gefüllt und sauste über die glatte 20160615-Kanada-Tadoussac-76Wasseroberfläche dahin. Man merkte, wie es dem Kapitän Freude bereitete, die Schnauze des Schlauchboots gen Himmel zu recken und links und rechts in die Kurven zu werfen. Wir waren etwa zweieinhalb Stunden auf dem Wasser unterwegs und sahen mehrere Finnwale und auch Minkwale, dazu noch nette Seehunde. Die hier auch lebenden Belugawale sollten wir aber erst am Tag darauf bei unserer Überfahrt Richtung New Brunswick von der Fähre aus sehen. Es wurde trotz der Widrigkeiten doch noch ein wirklich guter Tag.
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Dans les forêts du Canada

Wir wollten es kühl, jetzt haben wir den Salat: die Temperaturen sind ins Einstellige gesunken und es kommt noch ein fieser Nieselregen dazu, der mich fatal an Hamburg erinnert. Wir haben uns einen schwarzen Flitzer zugelegt (gut, es ist ein Jetta…) 20160610-Kanada-Johnstown-04und Toronto Richtung Osten verlassen. Bis Kingston, und das sind immerhin über 250 Kilometer, fahren wir am Ufer des Ontario-Sees, dahinter beginnt der Sankt-Lorenz-Strom, der hier die Grenze zu den USA bildet. In Johnstown, einem Örtchen etwa eine Stunde vor Ottawa, beziehen wir ein freundliches Motel mit Blick auf eine imposante Brücke in die USA und eine noch imposantere Angeltechnik: in Kanada fischt man offensichtlich mit Pfeil und Bogen.

Ottawa muss am nächsten Tag dann ausfallen, denn es ist noch kälter geworden und unsere tropentaugliche Kleidung muss dringend ergänzt werden. Ein Outlet-Center ist schnell gefunden und so verbringen wir einen Vormittag beim Shoppen.

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Aufwärmen am Kamin beim kanadischen McDonalds „Tim Hortons“

Montreal soll sowieso viel netter sein. Die Hotels dort sind aber ungewöhnlich teuer und sowieso ist fast alles ausgebucht, also entscheiden wir uns für ein reizendes Bed and Breakfast in den Wäldern Kanadas. Das „Pantoufle et Confiture“ ist nur über unbefestigte Straßen zu 11150930_611881522282229_7733720557170180286_nerreichen und so gemütlich, das wir fast nicht mehr weg wollen. Wir sind jetzt eindeutig im französischen Teil Kanadas angekommen, Suzanne, unsere Vermieterin, spricht noch leidlich Englisch, ihr Mann Philippe gar nicht. Die beiden sind sehr herzlich und wir haben uns sehr wohl gefühlt. Suzanne löst dann das Rätsel um Montreal: der Formel 1-Grand Prix findet heute dort statt. Uh,  das ist ja so gar nix für uns. Vor vielen Jahren, als wir Borneo besuchten, begrüßte uns ein jaulendes Rennauto in Kuching, das anlässlich eines Rennens in Sepang extra vom Festland eingeflogen wurde, um uns zu nerven. Wir beschließen also, Montreal zu umfahren und gleich Quebec anzusteuern, auch wenn Suzanne in Montreal extra eine deutsche Kneipe für uns rausgesucht hat, in der wir das Deutschland-Spiel gucken können.
P1080563Die Fahrt zieht sich, ewig lang geht es durch Wälder und in Quebec verfahren wir uns auch noch. So ist die erste Halbzeit fast vorbei als wir endlich unser Hotelzimmer stürmen und einen Kanal finden, der das Spiel überträgt. Der Portier schaut etwas irritiert als ich um halb vier nachmittags zwei Bierflaschen aus dem Automaten in der Lobby ziehe, aber es ist EM. 2:0 ist doch ein guter Start!

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Look at my new Canada t-shirt! Regarder mon nouveau Canada t-shirt!

Beim Abendessen im Restaurant um die Ecke stoßen wir wieder mal an unsere Sprachgrenzen. Was mit unserem McSpanish in Costa Rica gut funktionierte, klappt hier überhaupt nicht. Gut, ich war nie eine Leuchte in Französisch, aber bisher kam ich eigentlich meistens durch. P1080567Und Eric erst recht. Aber was hier gesprochen wird, hat nur sehr wenig mit dem Französisch zu tun, das wir kennen. Die Aussprache ist eine vollkommen andere, sie verstehen uns schlecht und wir sie gar nicht. Na, das kann ja spaßig werden. Englisch ist hier nichts mehr, noch nicht einmal die Schnellimbisse. Na, was mag wohl PFK sein? Pommes und Fleisch aus Kanada? Ne: Poulet Frit du Kentucky! Oh, ca va être amusant…

 

 

Multikulti in Toronto

20160608-Kanada-Toronto-32Wir wollten die Kälte, jetzt haben wir sie. Neun Grad, sagt unsere Wetter-App für heute morgen, und da kochen wir uns doch lieber einen warmen Kaffee und bleiben noch etwas im Bett.

Zu Kanada kamen wir eigentlich nur, weil wir mal wieder bei der Einreise in Costa Rica ein Weiterreiseticket vorzeigen mussten und bei der Suche im Internet einen Billigflug nach Toronto fanden. Unsere Kanadaerfahrungen beschränkten sich bisher bei mir auf eine Nacht an den Niagarafällen Anfang und bei Eric auf ein Wochenende am Eriesee Ende der Achtziger. Aber langsam entwickeln wir eine Vorstellung, was wir hier so erleben können.

20160608-Kanada-Toronto-25Unsere erste Quelle war Mathieu, der im Flugzeug neben uns saß und mit seiner insgesamt siebenköpfigen Familie auf dem Rückweg von Costa Rica in die Heimat war. So ein echter Kanadafan ist er wohl nicht, ja, der Westen sei schön, aber wenn wir im Osten bleiben wollen (wollen wir), dann auf Richtung Montreal! Aber wenn wir die irische Küste gesehen haben, dann wäre die kanadische nicht so spektakulär und wenn wir die europäischen Städte kennen, dann seien die kanadischen auch nicht so interessant. Und vier Tage Toronto (wo er seit 16 Jahren lebt), oh je, da gäbe es überhaupt nichts zu sehen. Wir entlocken ihm dann aber doch einige Tipps, Wale soll es an der Küste geben und nein, wir glauben ihm einfach nicht, dass Kanada nur bereits Bekanntes bereit hält. Zumal er selber in Europa nur Bosnien gesehen hat 🙂

Toronto ist tatsächlich nicht gerade gepflastert 20160608-Kanada-Toronto-26mit Sehenswürdigkeiten, dafür aber mit einer recht einmaligen Atmosphäre: Multikulti! Der Taxifahrer, der uns abends um 10 an der einsamen S-Bahn-Station aufliest, ist ein älterer, sehr feiner Herr aus Eritrea, unser Vermieter Alejandro spricht Englisch mit spanischem Akzent, unser erstes Frühstück nehmen wir in einer portugiesischen Bäckerei um die Ecke ein und das Straßenbild prägen Asiaten. Weiße sind hier eher die Minderheit, insgesamt dominiert ein fröhlicher Kulturmix. In der Mädelsclique, die gemeinsam shoppen geht, scheinen alle Ethnien vertreten zu sein, alles mischt sich bunt und gemeinsam sind sie stolze Kanadierinnen und Kanadier. Für uns Außenstehende sieht es nach perfekt gelungener Integration aus, der Wohlstand scheint sich auf alle Rassen zu verteilen und unter den wenigen Obdachlosen, die wir sehen, dominieren 20160608-Kanada-Toronto-20eher die Weißen. Wir lesen dann später, dass Toronto die multikulturellste Großstadt der Welt sei und das ist für uns eigentlich fast spannender als Sehenswürdigkeiten aus Stein und Beton. Allzu schön sind die Gebäude in Downtown nicht unbedingt, in den Sechzigern wurde reichlich Beton verbaut und auch das Wahrzeichen Torontos, der Fernsehturm CN Tower, haut uns nicht um.

20160608-Kanada-Toronto-34Kulinarisch hätten wir hier bestimmt die Möglichkeit, mehrfach um die Welt zu reisen, aber ich will „Poutine“ probieren, das mir Mathieu im Flugzeug als die kanadische Spezialität angepriesen hatte: Pommes mit quietischigen Käsestücken und Bratensoße. So populär, dass es selbst bei McDonalds im Angebot ist. Ein wenig Angst hab ich ja schon, aber am zweiten Tag sehe ich einen Stand, der mehrere Varianten im Angebot hat. Als überzeugte Vegetarierin entscheide ich mich für Poutine mit Pulled Pork, fasrig gekochtem Schweinefleisch, und es ist (etwas) besser als gedacht. Aber, allzu häufig muss ich es nicht haben und geschmacklich ist es keine große Überraschung: Pommes, Käse und Soße bleiben Pommes, Käse und Soße.
Das 20160608-Kanada-Toronto-13kühle Wetter führt auch dazu, dass wir die Kuschligkeit unseres kleinen Souterrain-Appartments genießen und lange Abende auf dem Sofa verbringen – das hatten wir schon sehr lange nicht mehr. Aber morgen werden wir uns auf die Straße werfen und Toronto Richtung Osten verlassen. Mal sehen, was das ländliche Kanada für uns bereit hält. Mathieu hat uns seinen Mailadresse gegeben, er sei gespannt, ob wir hier wirklich fünf Wochen verbringen. Es gäbe günstige Flüge in die Karibik, das sollten wir in Betracht ziehen. Nein, ich glaube, das wird spannend hier. Und in Bosnien war ich noch nie, also kann hier eigentlich nur Neues auf mich warten.

 

Sonntagnachmittags in Alajuela

Beine_hochBye-bye schöne Karibik. Ein letzter schweißtreibender Gang durch Puerto Viejo, diesmal mit schwerem Gepäck, und dann trug uns der Bus entlang der Küste und hinein ins Landesinnere. Auf den bequemsten Sitzen ganz hinten und direkt vor dem Ausgang konnten wir uns lang strecken und die Füße auf dem Geländer ablegen, fast wie in einem Liegesitz. Die viereinhalb Stunden bis San Jose gingen in Windeseile vorüber (warum hatten wir auf dem Hinweg mit unserem Auto eigentlich so viel länger gebraucht?). Weil aber der Flughafen und das weltbeste Tex-Mex-Restaurant in Alajuela liegen und wir San Jose sowieso nicht mögen, haben wir uns für eine Unterkunft in der viertgrößten Stadt Costa Ricas, die gerade mal 20 km von der Hauptstadt entfernt liegt, entschieden. Eine weitere Busfahrt später haben wir unser Ziel erreicht und sind ganz überrascht, dass wir noch den ganzen Nachmittag haben – es ging alles deutlich schneller als geplant. Und so schlendern wir durch die Stadt, die keine Attraktionen aufzuweisen hat, genießen die regnerische Kühle und einen typischen Sonntagnachmittag.
Mittelpunkt der Sonntagsaktivitäten scheint der P1080547Park im Stadtzentrum zu sein, der von den wenigen historischen Gebäuden der Stadt umgeben ist. Vor der Kathedrale parkt ein Leichenwagen mit Blumenschmuck, ein paar Treppenstufen darüber im Kircheneingang steht der geöffnete Sarg, an dem die Trauergemeinde P1080548vorüberzieht. Später, nachdem die Trauerfeier vorbei ist, schauen wir uns die Kathedrale genauer an, ein recht ungewöhnlicher roter Kuppelbau macht sie besonders reizvoll. Die Deckenmalerei im Inneren ist kitschig bunt, wie in vielen katholischen Kirchen in tropischen Gefilden findet sich ein kleiner Wasserfall als Hintergrund einer Jesus-Darstellung.

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Draußen bevölkern Papageien die riesigen Mangobäume und machen einen Wahnsinnslärm. Die Musik in einer Ecke des Parks wird davon fast übertönt. Eine Band spielt lateinamerikanische Rhythmen und ältere Paare tanzen dazu, sie haben sich schön gemacht und sind sehr
ernsthaft bei der Sache. Als das Lied vorüber ist, setzen sich die Frauen auf eine Bank und die _DSC0031Männer stehen in Gruppen zusammen. Keine Paare – das ist ein Ball der einsamen Herzen! Als die Musik wieder beginnt, fordern die Herren die Damen ihrer Wahl auf und es wird eifrig weitergetanzt.

IMG_0472Der Hunger treibt uns zu Jalapenos Central, dem zumindest mal allerbesten Mexikaner Costa Ricas. Wir haben hier schon mit Jonathan geschlemmt und werden auch diesmal nicht enttäuscht. Satt und glücklich laufen wir noch ein wenig durch die gänzlich unspektakulären Straßen, freuen uns am Alltagsleben und landen schließlich noch da, wo jeder gute Sonntagnachmittag enden sollte: in einem Café bei Cheesecake und Milchkaffee. Ein netter Ausklang eines ganz normalen Wochenendes in Costa Rica.
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Rumtrödeln in der Karibik

Es ist heiß. So heiß, dass sogar ich mir langsam vorstellen kann, den kühlen Wind an Kanadas Ostküste zu genießen. Zudem nähert sich die Regenzeit mit Riesenschritten und beschert uns, dankenswerterweise meistens nur nachts, einen ordentlichen Guss. Der sorgt allerdings für eine ständige Luftfeuchtigkeit, die nichts mehr richtig trocknen lässt. Der leicht modrige Geruch hängt in der Bettwäsche und den Handtüchern fest, unsere Klamotten und Schuhe sind nach 10 Monaten Dauerbelastung und meist nur halbstündigen Kaltwaschgängen sowieso nicht mehr zu retten. Also, gut, dass Ihr uns nicht riechen müsst 🙂

Puerto Viejo hat uns mit seiner Gelassenheit und dem leicht verfallenen Karibikcharme so entschleunigt, dass wir beschlossen haben, gar kein anderes Ziel in Costa Rica mehr anzusteuern. P1080544Unser Bungalow hat alles was wir brauchen (Ventilator, Kaffeemaschine, Hängematte, Kühlschrank) und manchmal auch ganz anständiges Internet. Von unserer Terrasse beobachten wir andere Touristen kommen und gehen, sie bleiben im Schnitt etwa drei Tage, werden morgens von Tourbussen abgeholt und abends wieder gebracht. Hier kann man tolle Sachen erleben, es gibt Delfin- und Schnorcheltouren, Ausflüge nach Panama und Dschungelwanderungen, aber wir sind glücklich und zufrieden mit einem Kaffee in der Hängematte, einem karibischen Reisgericht im P1080526Restaurant um die Ecke und ab und an mit einem winzigen Ausflug in die Umgebung. Genau zwei mal haben wir die Strände im Süden besucht, einmal mit Fahrrädern, die genauso relaxt wie der Ort sind: schwere stabile Beachcruiser ohne Gangschaltung und Licht, dafür aber mit bequemem Sattel und Lenker. Die Strände sind schön, doch mit denen an der Pazifikküste können sie nicht ganz mithalten. Aber egal, für ein Planschen in den Wellen reicht es trotzdem und unser Lieblingsplatz ist sowieso die Hängematte.

P1080514So ganz langsam gehen uns nur die Viecher hier etwas auf die Nerven. Natürlich nicht die Brüllaffen, die wir abends aus dem Dschungel grunzen hören und auch nicht die wunderschönen Vögel, die durch den Garten schwirren. Aber wir werden gestochen und es juckt furchtbar. Das Moskitonetz beschert uns einigermaßen ruhige Nächte, aber so viel Insektenspray gibt es gar nicht, um sich die Plagegeister vom Leib zu halten. Winzige rote Ameisen haben heute Nacht unser Müsli überfallen und hinterlistig darauf gewartet, dass Eric leckere Bananen schneidet. Kaum hatte er die Flocken übers Obst geschüttet, kamen sie heraus und wir mussten uns geschlagen geben. Schweren Schwabenherzens überließen wir ihnen alles und fanden dafür einen viel besseren Platz für’s Frühstück. Bätsch!

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Gute Miene zum bösen Spiel
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Böse Miene zum guten Spiel

 P1080541Die Karibikseite Costa Ricas besticht vor allem durch ihr – wer hätte es gedacht – Karibikflair. Bunte Häuschen, Strand und Meer, Reggae und Cocktails und alles geht ein bisschen langsamer. Die dunklen Wolken, die spätestens am Nachmittag aufziehen, und das abendliche Dauer-Donnern schaffen eine fast schon gemütliche Atmosphäre. Und so lassen wir uns einlullen von dem „laid back feeling“, das über dem Ort liegt, freuen uns, wenn uns die Frau im Supermarkt um P1080543die Ecke schon wie Stammkunden begrüßt, testen immer mal wieder das Essen in anderen Restaurants, um reumütig in „unser“ Soda (so heißen die kleinen, einfachen Restaurants mit costa-ricanischer Hausmannskost) zurückzukehren. Morgen hat die Idylle dann aber ihr Ende, um 9 geht der Bus nach San Jose und übermorgen fliegen wir nach Toronto.

Wir hätten beide nicht gedacht, dass wirP1080518
so lange in Costa Rica bleiben. Liebe auf den allerersten Blick war es ja nicht und wir können nur davon abraten, einen Urlaub hier mit San Jose zu beginnen. Aber die Natur und Tierwelt sind absolut begeisternd, die Fahrten durchs Land abenteuerlich, das Essen und vor allem die tropischen Säfte lecker, die Unterkünfte sauber und alles viel stressfreier, als wir es von Mittelamerika je erwartet hätten. Also, insgesamt eine gute Entscheidung. Natürlich hätten wir
auch noch Panama besuchen können, aber dahinter liegt dann Kolumbien und das soll auch so schön sein, und dann ist man eigentlich schon in Südamerika und Peru wollten wir immer mal und und und. Es gibt noch so viel zu sehen und zu bereisen, damit könnten wir die nächsten fünf Jahre locker füllen. Also: wir sind megazufrieden mit dem Land, freuen uns aber auch schon auf Kanada. Maximal 23 Grad hat’s da am Montag und die Woche bleibt wohl so. Bin mal gespannt, wann ich mich in die Hitze Puerto Viejos zurückwünsche.

Der Frosch über dem Bett

20160524-Costa-Rica-La-Fortuna-20Das Bett ist überspannt mit einem großen Moskitonetz. Darauf liegen bereits etliche tote Insekten. Ich kann nur vermuten, dass sie im Wasserdampf umkommen, den wir in der Nacht herausschwitzen -anders kann ich es mir nicht erklären. Vermutlich ist es für sie so, als würden sie über einen brodelnden Wasserkocher fliegen und -zack!- ist das Leben ausgehaucht. Wie dem auch sei, heute schien am Abend ein doch sehr großes Exemplar auf dem Netz seine vorläufig letzte Ruhestätte gefunden zu haben. Doch bei genauerer Betrachtung schien das Tier doch etwas ungewöhnlich: Es hatte zwei große Augen und einen breiten Körper. Ein Frosch (nicht der von den Fotos) hatte offenbar den Insektenfriedhof erspäht, sich auf das Moskitonetz gesetzt und sich sicher im Paradies gewähnt. Wir haben versucht, ihn zum Gehen, ähm, Hüpfen zu bewegen -vergeblich. Also durfte er bleiben wo er war, nämlich außerhalb des Bettes und auf dem Netz. Mal sehen, ob er seine Arbeit gut erledigt und uns die Plagegeister vom Leibe hält -wenn ja, dann hat er einen Job. Immerhin schon mal einer von uns Dreien 😁.

20160524-Costa-Rica-La-Fortuna-25Die Fahrt vom Flughafen in San Jose dauerte sechs Stunden und darin ist eine halbe Stunde Pause enthalten. In dieser Zeit haben wir sagenhafte 250 km zurückgelegt. Sehr weit im Südosten Costa Ricas sind wir nun. Der Ort nennt sich Puerto Viejo de Talamanca und wie schon bei unserem ersten Abstecher an die Karibikküste des Landes fällt auch hier auf, dass die Bevölkerung sich sehr von der des restlichen Landes unterscheidet. Die Menschen haben hier vermehrt afrikanische Wurzeln und man sieht schon die eine oder andere Rastafarifrisur und die Damen sind durchweg knapp und sehr körperbetont bekleidet, Reggae-Musik schallt aus den Bars und es duftet nach Gras -einfach alles so, wie ich mir klischeehaft zum Beispiel Jamaika vorstelle.
Auch die Küche bietet etwas Abwechslung zum sonstigen Casado. Hier kann man den Reis in Kokosmilch gekocht bestellen und zu den Gerichten werden jeweils verschiedene karibische Saucen gereicht. Es ist sehr lecker. Haben wir eigentlich schon einmal die genialen Fruchtsäfte erwähnt?
Unsere Tage gestalten wir hier extrem entspannt, das bedeutet, wir gönnen uns den Luxus und tun nichts. Na ja, nicht ganz nichts, aber fast. Julia war heute immerhin beim Yoga und gemeinsam waren wir nachmittags beim Essen und abends beim Abholen unserer gereinigten Wäsche. Also ein voll ausgelasteter Tag. Aber Julia juckt es schon wieder in den Beinen -oder sind es die Füße?- und so droht sie mit einer Fahrradtour für den morgigen Tag. Ich erinnere mich an unsere letzte Fahrradtour. Das war auf holprigen Pfaden und schließlich auf 20160524-Costa-Rica-La-Fortuna-31staubigen und vielbefahrenen Straßen in Nepal. Die Räder waren Schrottreif und meine Kette sprang mehrfach aus dem Radkranz. Die Sitzhöhe war nicht verstellbar und so kam ich nicht nur mit total schwarzen und verölten Händen endlich am Ziel an, sondern hatte danach auch nicht mehrere Tage Probleme im Gesäß. -Nicht nur ich… Na ja, dann schaumermal, was der morgige Tag so bringt. Bin ja schließlich allem aufgeschlossen und in der Not würde mich Superjulia sicher retten. Würde eh mal wieder Zeit für einen Einsatz.
Wir sind nun schon seit siebeneinhalb Wochen in Mittelamerika unterwegs. Spanisch ist die Sprache der Region und wir können nicht anders als zu sagen: Jawohl, wir sind wirklich Meister geworden! Was auch immer zu regeln ist, wir haben kein Problem damit uns mit unserem perfekten McSpanish verständlich zu machen. McSpanish, das ist unsere Bezeichnung dafür, sich ein Wort aus irgendeiner uns bekannten Sprache auszusuchen, von dem man glaubt dass es in den Kontext passt und es dann möglichst spanisch klingend auszusprechen. Erinnert Ihr Euch noch an Los Wochos?? Genau so funktioniert das . Und das erstaunliche: Es funktioniert genau so! Wir bekommen was wir wollen und wir können sogar auf Fragen an der Supermarktkasse antworten, von denen wir nicht ein Wort verstanden haben.
Somos grandes! Y hasta la próxima. (Lo confieso: que era Google-Translate)