Und wieder haben wir es an den Pazifik geschafft. Vor fast genau sechs Monaten waren wir schon mal an der amerikanischen Pazifikküste angekommen. Wir hatten die USA noch nicht mal ganz durchquert, wären wir vom Atlantik an der Ostküste gestartet, hätte es deutlich länger als die 25 Tage damals gedauert. Hier in Costa Rica hätten wir es von der Karibik bis an den Pazifik an einem Tag schaffen können, wenn uns nicht die vielen Vulkane, Nasenbären und Kolibris daran gehindert hätten.
Wir sind auf der Nicoya-Halbinsel im Westen Costa Ricas und wollten uns mal so richtig dem Nichtstun hingeben. In Samara fand sich ein schönes Hotel mit gutem Yoga und ein freundlicher Strand mit schöner Brandung. Unser Zimmer hatte ein Outdoor-Wohnzimmer mit Hängematte, zum hübschen Pool waren es nur ein paar Schritte und es hätte alles so nett sein können, wenn da nicht diese Straße gewesen wäre, die sowohl große Trucks als auch Motorradfahrer angelockt hat. Brumm, brumm machte es während wir einen großen Leguan beobachteten, der an unserem Balkon vorbei kroch, das abendliche Gläschen Rotwein wurde vom lauten Knattern eines angebohrten Auspuffs begleitet. Nö, da wollen wir wieder weg. Also auf zum nächsten Strand nach Nosara. Gerade mal 20 Kilometer entfernt, aber die haben es mal wieder in sich. Zuerst eine Schotterpiste, gut, die kennen wir ja schon. Dann aber auch wieder geteerte Straßenstücke und die sind hinterhältig. Sie gaukeln einem vor, dass man einen Zahn zulegen kann und aufeinmal tauchen riesige Schlaglöcher auf, tiefer als auf jeder Schotterpiste. Und dann stehen wir plötzlich vor einem Fluss. Einem ohne Brücke. Das haben wir im Reiseführer gelesen, dass viele kleinere Straßen durch Flüsse führen und deswegen ein Allradantrieb erforderlich sei. Alles kein Problem, wenn der Fluss nicht zu tief ist. Knietief funktioniert noch, mehr sollte es aber nicht sein. Also steige ich aus und mache den Test. Ich wate in den Fluss hinein, scheint nicht so schlimm zu sein, da kommt eine Amerikanerin in einem Jeep angefahren und grüßt freundlich. Wir sollten hinter ihr her fahren, der direkte Weg sei nicht so gut, man müsse einen leichten Bogen fahren. Und dann sagt sie mir noch, ich sei ja mutig. Aha? Wir folgen ihr und sind in kurzer Zeit am anderen Ufer. Warum fand sie mich denn jetzt mutig? Hat das vielleicht etwas damit zu tun, dass die kleinen Restaurants und Pensionen, an denen wir jetzt vorbei kommen, auffällig häufig den Begriff „Crocodile“ im Namen tragen?
Jedenfalls kommen wir unbeschadet in Nosara an und beziehen unser sehr stylisches Hotel mitten im Dschungel. Aus Containern sind tolle kleine Bungalows entstanden und die nächste Straße scheint meilenweit weg. Wir machen uns erst mal auf zum Strand, der ist ein paar hundert Meter entfernt und ganz in der Hand von Surfern. Ein wirklich schöner Strand, keinerlei Bebauung, tolle Wellen und eine sehr relaxte Stimmung. Morgen leihen wir uns zumindest mal zwei Bodyboards und stürzen uns in die Fluten. Aber für heute tut es ein schöner Spaziergang, denn uns treibt mal wieder der Hunger. Es ist Sonntag und da sind viele Restaurants geschlossen. Zum Glück finden wir einen Open Air-Mexikaner und was dann kommt, ist das beste mexikanische Essen, das wir jemals hatten. Die Fischtacos sind nicht nur wunderhübsch angerichtet, sondern geschmacklich auch noch so fein, so raffiniert. Da können El Chico und Co in der Heimat einpacken. Also, morgen findet ihr uns dann entweder in den Wellen des Pazifik oder kauend und grinsend bei El Chile am Playa Guiones in Nosara.
Zunächst einmal mussten wir unsere Sieben Sachen packen, denn vor dem Vergnügen stand der Check Out. Bis zehn hatten wir Zeit und so konnte alles sehr gemütlich vonstatten gehen. Pünktlich um 10:45 Uhr stellten wir das reisebereite Auto auf dem Parkplatz von „100% Aventura“ ab. Um dort hin zu gelangen fuhren wir mal wieder eine Schlaglochpiste entlang. Das macht tatsächlich Spaß und so langsam mutmaßen wir, dass die Costa-Ricaner die Straßen mit Absicht nicht alle mit Asphalt überziehen…
„100% Aventura“ -„100% Abenteuer“. So nennt sich der Vergnügungspark für den wir uns entschieden haben. Wir sahen schon immer wieder im Land Hinweisschilder für diese Art Park. Sie bieten vor allem zwei Aktivitäten an. Nämlich einmal das Wandeln auf Hängebrücken in den Baumkronen des Regenwaldes und zum anderen Fahrten mit dem Tarzanseil durch und über die Grüne Hölle. Ja, genau die Konstruktion, die man bei uns von den Kinderspielplätzen kennt. Letzteres, so waren wir uns einig, wollen wir erleben.
Und nun war es also soweit.
Eigentlich war in mir nur der Gedanke da gewesen, wie schön das sein muss, durch und über den Dschungel zu gleiten. Was uns aber wohl beiden nicht so ganz bewusst war, das war, dass es auch etwas mit Überwindung zu tun haben würde. OK, vielleicht ein wenig naiv. Aber durchaus nützlich diese Erwartungshaltung 😄. Dies änderte sich aber sehr schnell. Denn kaum hatte ich den Motor abgestellt, da kam auch schon ein dynamischer Mitarbeiter des Parks und instruierte uns in perfektem Englisch und in klaren, präzisen Sätzen, was wir nun als nächstes zu tun hätten. Nun war ich ja nie beim Militär, aber so stelle ich mir das in etwa vor: kurze, klare und bestimmte Anweisungen -man könnte auch Befehle dazu sagen.
„Hallo guys, macht Ihr die Hängebrücken oder Ziplining?“
„Ziplining“
„Ihr lasst alles im Auto zurück! Keine losen Gegenstände! Keine Wasserflaschen oder sonst etwas! Wir tolerieren keine Getränkeflaschen, keinen Alkohol und kein Rauchen auf dem Gelände! Müsst Ihr auf die Toilette, dann geht jetzt! Sie sind dort vorne links. Wollt ihr Fotos schießen, dann muss die Kamera fest an Euch befestigt sein! Eure Hände könnt ihr dafür nicht verwenden, denn die braucht Ihr zum Festhalten. Ihr geht nun hier geradeaus zu den Jungs und macht, was sie Euch sagen. Sie legen Euch die Riemen an.“
Gesagt getan. Also alles wieder ins Auto gebracht, abgeschlossen und Richtung Toilette marschiert. Doch schon auf dem Weg dahin muss ich an den Jungs am Eingangsbereich vorbei und sofort will der erste mich schnappen. Ich schaffe es aber ihn von der Dringlichkeit meines Vorhabens zu überzeugen und verspreche gleich wieder zurück zu kommen.
Und in der Tat lauerte der gleiche Junge mit seinem Trägergestell auf mich, als ich den Rückweg einschlug. Also ergab ich mich und wurde in ein Riemenwerk gesteckt, wie ich es vom einmaligen Klettern mit meinem Freund Armin kenne. Es handelt sich um eine Konstruktion aus Riemen, die so gebunden sind, dass man praktisch wie in eine Hose darin hinein steigt. Dazu noch ein Riemenwerk von oben über den Kopf gestülpt, schnell noch zwei Gleitrollen rechts und links an den Gurten mit Karabinern eingehakt, Helm auf die Rübe und dann Abmarsch zum Buddycheck. Genau -es erinnert mich ans Tauchen. Man legt alles Zubehör an, prüft es selbst und dann lässt man es eine weitere Person noch einmal gegenkontrollieren. Als wir diesen dann passierten, versammelten sich die englischsprachigen Besucher, sorry: Abenteurer, auf einem kleinem Platz im Wald. Wir waren ca. 15 Personen.
Auftritt des nächsten Kommandeurs.
Dieser ist jedoch rhetorisch sehr gut und versucht durch Scherze die Situation zu entspannen. Aber er ist es auch, der einem gleichzeitig die Ernsthaftigkeit der bevorstehenden Unterweisung klar macht. Er geht alle zu beachtenden Handgriffe und Verhaltensweisen mit uns durch: Ihr werdet mit der Rolle in das Tarzanseil gehängt. Eure stärkere Hand, die verwendet Ihr, um zu bremsen. Dafür muss sie hinter der Rolle gehalten werden und zwar möglichst weit von ihr entfernt. Denn wenn Ihr sie zu nahe an der Rolle habt, dann fangt Ihr an, Euch um Eure eigene Achse zu drehen! Und dann wird es nicht so lustig… Die Handschuhe die Ihr bekommen habt, sie sind mit einem dicken Stück Leder versehen. Das ist Eure Bremse. Die andere Hand, die umfasst das Seil, an dem Ihr aufgehängt seid. Bringt diese Hand niemals vor das Laufrad -sonst könnt Ihr Euch die Maniküre sparen… Solltet Ihr auf der Strecke stehen bleiben, weil Ihr zu sehr gebremst habt, dann könnt Ihr versuchen, Euch wie Affen am Seil entlang zu hangeln. Es führt aber teilweise sehr hoch über dem Wald entlang. Oder Ihr wartet, bis einer von uns zu Euch kommt und Euch rettet.
OK. So weit, so beeindruckend. Erst jetzt wurde mir klar, dass man nicht einfach nur hinunter gleitet, sondern dass man auch was für das Gelingen beitragen muss 😳.
Also los, hin zum ersten Seil, das tatsächlich nur die Länge hat, wie ich es aus meiner Jugend kenne. Allerdings ist es auch der Start zu einer fast ununterbrochenen Fahrt von Plattform zu Plattform, die nach und nach immer höher im Wald installiert sind. Zunächst habe ich tatsächlich etwas Probleme, da ich ab und an mit der Bremshand an die Leine gerate und dann zu taumeln beginne. Aber es geht alles gut. Und die Dramaturgie der Anlage ist so gestaltet, dass man sich gar nicht so groß um die immer tiefer werdenden Abgründe Sorgen machen kann.
Und dann, endlich, wartet Superman auf einen! Superman gibt es sogar gleich zwei mal. Dahinter verbergen sich zwei besonders lange Flüge, bei denen man nicht in der Hocke durch den Wald gleitet, sondern rücklings am Seil aufgehängt über den Wald hinweg fliegt! Die eine Strecke ist fast 1,6 Kilometer lang und man hängt bis zu 80 Metern über dem Erdboden an dem Seil. Es werden hohe Geschwindigkeiten erreicht und selber Hand anlegen, das geht da nicht mehr. Man kann die Geschwindigkeit maximal durch ausbreiten der Arme drosseln. Man schwebt eineinhalb Minuten durch die Lüfte. Ich breitete die Arme auch tatsächlich aus, vor allem aber, weil es so ein unglaubliches Gefühl vermittelte, wie ein Vogel zu fliegen. Es war genial!!!
Und dann, nach dem zweiten Supermanflug, stellen einem die Helfer die Gewissensfrage:
„Do you want to do the giant Tarzan swing?“
„Ähm, vielleicht. Ich muss mir das erst mal ansehen.“
„She said yes“, sagt einer von ihnen und zeigt auf Julia.
„Ähm, dann dann bedeutet das wohl, dass ich auch springe“, antworte ich.
Es wird noch einmal alles festgezurrt und dann gehe ich den Weg zum Schafott.
Dort sitzen dann erst einmal einige Leute herum und sehen eigentlich recht entspannt aus. Doch schnell wird klar: Das sind Leute, die dort eine Denkpause einlegen und sich überlegen, ob sie den Sprung wagen sollen oder nicht. Denn ganz schnell sind wir an der Reihe. Wie schon zuvor stelle ich Julia die Frage, ob sie lieber vor oder nach mir starten mag. Sie will erneut vorangehen, verankert den Karabiner samt Seil an dem Geländer und schreitet dann den schmalen Steg entlang, hinaus in die freie Höhe. Einige Sekunden vergehen. Ich warte und einer der mit sich ringenden spanisch sprachigen Touristen meint: „She is very brave.“ Ja, ist sie. Und dann: Ein Schrei! Nein, viele Schreie. Eine Mischung aus Angst und Entzückung, so scheint mir. Weg ist sie, steht nicht mehr auf dem Steg.
„Next!“, lautet der Befehl.
Also bin ich es, der den Karabiner einhakt und schreitet. Es ist wie eine Hängebrücke ohne Ankunft an einem anderen Ende konstruiert, komplett aus Seilen und einem Boden aus Gitterrosten, durch den man in die Tiefe blicken konnte. Man konnte sich aber auch der ungehinderten Sicht hingeben, indem man einfach den Blick seitlich richtete. Ich schwankte immer weiter nach vorne und, habe ich es schon erwähnt, fühlte meine mich ab und an heimsuchende, leichte Höhenangst aufsteigen. Ich meine, zurecht. Als ich am Abgrund stand und die beiden Helfer mich startklar machten, da lagen etwa 45 Meter zwischen mir und dem Erdboden. Ich blickte in die grüne Hölle hinab und ruckzuck öffnete sich die Absperrung, die sich etwa auf Bauchhöhe vor mir befand.
Beine nach hinten und überkreuz verschränkt lassen. Beide Hände sollen das Seil vor mir umklammern. Nicht loslassen, sage ich mir.
Jump! Und ich falle. Ich falle und es ist ein freier Fall, der etwa drei Sekunden dauert.
Ich hab das getan? Bin ich wahnsinnig?
Ich falle und sehe grün. Die Bäume leuchten mir entgegen. Ich bin in einem unbeschreibbaren Zustand. Julia sagt, auch ich schrie beim Fallen und fing dann irgendwann an zu lachen.
Nach den drei Sekunden setzt dann das Pendel ein, das heißt, das Seil hat nun Zug und man durchläuft den ersten Schwung, der einem ein Achterbahngefühl im Bauch verschafft. Und dann pendelt man weiter und nach ein paar Schwüngen wird man von den Jungs am Boden abgefangen.
Unfassbar!
Wir sprangen vom 45 Meterturm, ohne Wasser unter uns, hinab in die Tiefe!
Wir sind jetzt wieder zu Dritt. Ein jeepähnlicher Mitsubishi mit Allradantrieb trägt uns über die Schotterpisten und rüttelt uns ordentlich durch. Jetzt schauen wir mal, was der Nordwesten Costa Ricas so zu bieten hat. Erst mal schauen wir uns den Vulkan Arenal etwas näher an, fahren am Rande des Arenal-Sees und haben (wir sind ja noch in La Fortuna) wieder mal Glück, dass sich die Wolken an der Vulkanspitze für kurze Zeit verziehen. Sehr majestätisch, dieser Berg, und zum Glück seit Jahren nicht mehr ausgebrochen. Kann aber jederzeit wieder passieren und ob sich die Gäste im „Erupciones Inn“ am Fuße des Vulkans dann so wohl fühlen werden? Ist ja fast wie ein „Tsunami Guesthouse“ in Fukushima…
Am nächsten Tag verlassen wir La Fortuna und fahren Richtung Berge nach Monteverde. 150 Kilometer, zunächst über die gut ausgebaute Uferstraße, später jedoch über schlaglochübersäte Pisten, so dass wir für die Strecke über drei Stunden brauchen. Reine Luftlinie sind wir nur knapp 30 Kilometer von La Fortuna entfernt, aber einen direkten Weg verhindern ein großer See und mehrere Berge. Voller good vibrations kommen wir dann im Monteverde Inn an, direkt an einem kleinen Privatdschungel und mit spektakulärem Blick ins Tal. Vom Balkon vor unserem Zimmer entdecken wir einen Nasenbären, der von einem Baum klettert und durchs Unterholz stapft. Hier oben ist deutlich kühler und windiger als im tropischen La Fortuna, aber die Luft ist phantastisch und der Blick genauso, also ziehen wir uns wärmer an und genießen die Aussicht.
Wir sind vor allem wegen des Nebelwalds hier, ein Regenwald, in dem es eigentlich immer feucht ist, weil er in Wolken oder Nebel eingehüllt ist – oder sind die da, weil es immer feucht ist?. Also am nächsten Tag rauf auf die noch holprigere Piste und ab in die Wolken. Eric hat zunehmend Spaß an der Fahrerei und überlegt schon, mal einen Vierradantrieb-Kurs zu machen. Unser Auto ist nur die Billigvariante mit einem Schalter für alle vier an oder aus. Die echten Profis fahren mit diversen Hebeln und Zwischenstufen, aber dafür müssten wir wohl doch noch nach Afrika. Nun denn, wir erreichen den im Dunst liegenden Wald und sind verzaubert. Die Bäume sind moosbedeckt und von diversen Schlingpflanzen umwunden, der Dunst trägt zum märchenhaften Charakter bei. Wir wählen einen gut markierten Weg und wandern durch den Regenwald. Die zauberhafte Atmosphäre führt dazu, dass wir uns langsam und vorsichtig bewegen und uns nur flüsternd unterhalten – so als wollten wir Schneewittchen nicht aufwecken. Uns begegnen kaum andere Menschen und wenn, dann wispern sie genauso wie wir – ein hingehauchtes „Hola“ oder „Hi“ – die Magie scheint alle zu erfassen. Ein Kolibri schwirrt um die Blüten eines Strauches und wir sind erstaunt, wie laut man die Flügelschläge hören kann – die englische Bezeichnung „Humming Bird“ ist da ganz treffend. Der Weg führt tief hinunter und entsprechend auch wieder steil nach oben. Irgendwann beschließen wir, noch einige Kräfte für abends aufzusparen, da gibt es nämlich einen Nachtspaziergang durch unseren hoteleigenen Dschungel.
Mit Taschenlampen bewaffnet stehen wir ein paar Stunden später auf einer dämmrigen Lichtung und erfreuen uns an
Nasenbären und Agutis, recht großen Nagetieren. Der nächtliche Spaziergang ist nett, aber außer einer Maus sehen wir kaum Tiere, die nicht auch am Tage den Wald unsicher machen. Als wir uns schon auf den Rückweg machen wollen, scheppert das Walkie-Talkie unseres Guides Jenaro, „Armadillo“ sagt er und joggt den Weg wieder zurück. Wir folgen ihm im Laufschritt und sehen uns fragend an. Was das wohl sein mag? An einem Gebüsch leuchtet Jenaro ins Unterholz und wir sehen – ein Gürteltier. Wow, das hatten wir nicht erwartet.
Zu viel Dschungel macht müde, also verbringen wir den nächsten Tag vorwiegend an einem sehr schönen Ort unseres Hotels: dem Hängematten-Garten. Auf einer Lichtung im Wald sind mehrere Hängematten zwischen Bäumen aufgespannt und zwar die breiten megabequemen mittelamerikanischen Matten. So dümple zumindest ich mehrere Stunden lesend und in die Baumkronen blickend. Ein kleiner Nasenbär fühlt sich wohl unbeobachtet und schnüffelt über die Lichtung. So kann man’s aushalten.
Aber damit uns nicht zu wohl wird, haben wir für den nächsten Tag das Abenteuer gebucht und zwar gleich 100%. Was wir da über den Gipfeln erlebt haben, das erzählen wir euch ein anderes Mal…
La Fortuna heißt ein kleiner Ort am Fuße des Vulkans Arenal. Nach zweieinhalbstündiger Boots- und vierstündiger Busfahrt werden wir an unserem Hotel abgesetzt. Wir sind etwas außerhalb, inmitten eines wunderschönen Gartens mit bunten Vögeln. Die Entdeckung der Natur muss warten – wir haben Hunger und als wir aus dem Ort zurück kommen, fallen wir ins Bett. Der nächste Morgen begrüßt uns mit Vogelgezwitscher und einem Tipp unserer Vermieterin folgend machen wir uns auf ins Ökoreservat Danaus.
Ein paar hundert Quadratmeter, die einfach der Natur überlassen wurden, die Tiere kamen dann von ganz alleine. Wir sind so gut wie allein dort und machen uns auf den Weg durch den Dschungel. Grellfarbene Vögel sausen über unsere Köpfe, Schmetterlinge flattern herum und nach etwas längerer Suche haben wir auch unseren ersten Frosch gefunden: ein roter Pfeilgiftfrosch mit dunkelblauen Beinen! Ich hätte ihn gar nicht entdeckt, dass er gerade mal daumennagelgroß ist, habe ich nicht gewusst. Aber Eric hat scharfe Augen und wir sehen immer mehr, eine ganze Froschfamilie scheint hier unterwegs zu sein.
In einem See mitten im Reservat dümpelt ein Kaiman vor sich hin und große Vögel sitzen und brüten auf den Ästen am Ufer. Kahnschnäbel heißen sie und sie sehen sehr putzig aus. Nach der ersten Runde durch den Park machen wir eine kleine Pause an einer Futterstation, ein paar aufgeschnittene Bananen reichen aus, um Kolibris, unwirklich bunte Tangaren und andere Piepmätze anzulocken.
Dann starten wir zur zweiten Runde, wir haben noch kein Faultier gefunden. Immer noch begegnet uns niemand und wir nehmen uns viel Zeit, die Bäume abzusuchen. Und wieder ist Eric der Entdecker:
weit oben in den dichten Blättern hängt ein Faultier, man kann kaum ausmachen, wo vorne oder hinten ist, ob wir den Kopf oder das Hinterteil sehen. Jedenfalls ist es sehr pelzig und bewegt gaaaanz laaangsaaam einen Arm. Boah, haben wir Glück! Ist ja auch La Fortuna!
San Jose verließen wir ohne Wehmut und mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Unser erster Bus entließ uns nach etwas mehr als zwei Stunden bei einer Umsteigestation, wo bereits der nächste Bus, nun schon etwas schlichter, auf die Passagiere wartete. Also nichts wie rein und weiter geht die Fahrt. Bald schon verlassen wir die geteerte Straße und holpern über eine Schotterpiste dahin. Endlich wieder frischen Staub in die Lungen lassen -aber das Nepalfeeling kommt nicht recht auf 😄. Schließlich erreichen wir die Anlegestelle und steigen erneut um, dieses Mal in ein langes Boot, in das etwa 20 Personen passen. Und los geht die lustige Bootsfahrt. Das Wasser des durch den Dschungel führenden Flusses hat Niedrigstand und so muss der Kapitän sehr angestrengt nach der schmalen Fahrrinne suchen. Immer wieder verfehlt er sie und wir setzen auf oder rammen einen der vielen Stämme, die, im Wasser liegend, das Unterfangen noch weiter verkomplizieren. Stecken wir fest oder drohen wir die Kurve nicht zu kriegen, so springen einer oder zwei Schiffsjungen in das Wasser und zerren und ziehen das Gefährt. Vorbei geht es an Kaimanen und Vögeln, doch am beeindruckendsten sind die leuchtend grünen Echsen, die immer wieder in der wärmenden Sonne Toter-Mann spielen. Es sind, so schauen wir es später nach, Stirnlappenbasiliske. Sie sehen aus, als hätten hier in Tortuguero die schrillsten Dinosaurier im Miniaturformat überlebt. Oder handelt es sich um entlaufene Darsteller des Films „Jurassic Park“, der ja teilweise in Costa Rica gedreht wurde? Über zwei Stunden dauert die Fahrt auf dem Wasser und nach insgesamt mehr als acht Stunden Reise beschließen wir, am Abend keine Nachttour in den Dschungel mehr zu unternehmen -gemach, gemach.
Am Morgen machen wir uns nach dem Frühstück auf zum Eingang des Nationalpark. 15 $ pro Kopf öffnen uns für diesen Tag die Pforte und wir starten die kleine Wanderung, die man dort auf eigene Faust unternehmen darf. Der Weg führt durch den dichten Wald, lässt einen aber auch auf der östlichen Seite immer wieder den Blick auf den Atlantik, der hier die Karibik ist. Ihre Brandung ist an dieser Küste sehr wild und die Strömungen so gefährlich, dass das Baden darin verboten ist. Bekannt ist der Strand auch für seine Schildkröten, die hier dem Meer entsteigen, um Eier in den heißen Sand zu legen und den Nachwuchs von der Sonne ausbrüten zu lassen. Zur Zeit sind sie aber nicht vor Ort.
Wir schleichen durch den Wald und entdecken weitere Echsen – nicht bunt aber nicht weniger exotisch. Ein wenig mehr hatten wir uns schon erwartet, zugegeben. Aber bevor Enttäuschung sich breit machen kann, werden wir belohnt. Affen!! Zuerst sehen wir Weißschulterkapuzineraffen, die aussehen als hätte man sie künstlich zusammenmontiert. Fast eine Art Chimäre.
Später treffen wir auf Spidermonkeys, also Spinnenaffen. Sie erhielten ihren Namen, weil sie in den Bäumen, alle Fünfe von sich streckend, an Spinnen in ihren Netzen erinnern.
Zufrieden kehren wir zurück und starten abends erneut, doch diesmal mit Roberto, unserem Führer für die Nachtwanderung durch den Dschungel. Er begrüßt uns schon fast entschuldigend mit den Worten, dass er sich natürlich alle Mühe geben werde, dass es aber schwierig sei zurzeit auf Tiere zu treffen. Anhaltende Trockenheit in dieser sonst regenreichen Jahreszeit, lässt die Tiere sich immer weiter in den Dschungel zurück ziehen. Vor allem die prächtigen Frösche seien nicht einfach zu finden.
Und in der Tat ist unsere Ausbeute eher mager an diesem Abend. Ein schmuckloser aber großer Ochsenfrosch, eine schlafende grüne Echse, schemenhaft den sich bewegenden weißen Kopf eines Faultiers in einem weit entfernten Baum und eine leuchtend grüne kleine Schlange in den Blättern über unseren Köpfen. Aber das Gefühl bei dieser Wanderung war dennoch gut. Liefen wir anfangs noch auf einem etwas breiteren Weg, so verließen wir ihn dann irgendwann und es ging direkt in das dunkle Dickicht hinein. Schon eine spannende Vorstellung, inmitten von Tieren zu gehen, die man selber nicht wahr nimmt.
Wir wollten natürlich noch mehr und so starteten wir am folgenden Morgen um 5:45 Uhr zu einer Fahrt in einem kleinen Boot. Hier gab es dann doch sehr viele bunte Vögel und neben Affen gar ein Faultier in einem Baum hängend zu sehen. Das heißt, eigentlich sahen wir weniger das große Tier, sondern wir blickten auf ein pelziges Etwas, in dessen Mitte ein kleiner Kopf herausschaute. Es war ein Muttertier, das sich mit seinem Jungen in den Baum zurückgezogen hatte und das Baby an seinem Bauch trug. Beide waren extrem gut getarnt, so dass trotz der Hinweise Robertos einige Zeit verging, bis wir sie in dem grünen Wirrwarr erkannten.
Plop, machte es in Madrid, als ich ein vermeintliches Steinchen, das wohl irgendwie in die Packung Tropifrutti geraten sein musste, aus meinem Mund zog und auf den Balkon schnippte. Ein Fall für eine Rückrufaktion durch Haribo, scherzte ich, bis Eric meinte, ich solle doch mal meine Zähne untersuchen. Also lutschte ich an jedem Beißerchen entlang und blieb irgendwann mit der Zunge an einem Backenzahn hängen. Das Steinchen war wohl eher eine Zahnfüllung gewesen. Neun Uhr abends in Madrid und noch 12 Stunden bis zum Abflug nach Costa Rica.
Der Versuch, das Problem mit Kaugummi zu lösen, war mehr als untauglich, irgendwann klebten zwar meine Finger, aber die Gummimasse löste sich glatt und geschmeidig in Sekundenschnelle aus dem kleinen Krater in meinem vormals schönen Zahn. Nun denn, mal schauen, was die mittelamerikanischen Zahnärzte so drauf haben.
Zunächst mal nichts. Wir kamen Freitag nachmittags an und am Wochenende sind die Praxen zu. Auch unser Hotel konnte nicht weiterhelfen. Egal, dachte ich, dann halt am Montag, tut ja nix weh. Am Sonntag erfuhren wir, dass der Montag costa-ricanischer Nationalfeiertag ist und wir wollten auf keinen Fall noch länger in der unattraktiven Hauptstadt bleiben. Langsam gewöhnte ich mich an das Löchlein, das würde sicher noch etwas halten. Also, auf in den Dschungel!
Tortuguera liegt auf einer Halbinsel, die auf der einen Seite von der Karibik und auf der anderen Seite von einem Fluß umspült wird. Ein relaxter Ort mit kleinen bunten Häusern, keine Geldautomaten und natürlich kein Zahnarzt. Mittlerweile war’s mir egal.
Doch dann winkte das Schicksal: am örtlichen Supermarkt hing ein Schild, Ortodentista stand drauf und 12. – 14. Abril. Der Zahnarzt scheint in der Stadt zu sein, jetzt gab’s keine Entschuldigung mehr. Ich solle zur Klinik gehen, sagte mir der Kassierer im Supermarkt. Die fand ich neben dem Fußballplatz, ein Warteraum mit vielen Kindern und ein kleiner Schalter, hinter dem der freundliche Organisator saß. Zahnarzttermine gebe es nicht mehr, we are full. Ob ich denn Schmerzen hätte. Nein, sagte ich, ich geh auch wieder, dachte ich. Was denn das Problem sei. Mir ist eine Füllung rausgefallen. Uh, dann würde er mal nachfragen. Tja. Ich saß eine Weile, da winkte er mich zu sich und sagte, ich könnte behandelt werden, ich müsste es aber zahlen. Ja, was denkt er denn, klar, ich erwarte doch nicht, dass sie Touristen umsonst zusammen flicken und außerdem bin ich beim Testsieger auslandskrankenversichert. Erst mal den Pass abgeben, jetzt haben sie mich in der Hand. Ich solle weiter warten. Mach ich, während Eric schon mal meine Kreditkarte aus dem Hotel holt.
Es gibt viel zu gucken, es scheint gerade Kindersprechstunde zu sein, die kleinen Karibikschönheiten flitzen hin und her und scheinen gar keine Angst vor dem Doc zu haben. Ein kleiner blasser Junge wird von seiner noch blasseren Mama hereingetragen, Schweden oder Norweger. Der Kleine ist ein Häufchen Elend, er setzt sich erst mal auf den Boden und ist unglücklich. Herzerweichend! Irgendwann kommt eine Schwester zu mir und kündigt an, dass ich in 30 Minuten dran sei.
Und dann ist es so weit, ich werde in einen Raum geführt, in dem eine Liege steht, rauf da, die Zahnärztin spricht kein Englisch, aber egal. Ich zeige auf den Zahn, sie hakelt drin rum und fängt aufeinmal an, auf ihr Handy einzutippen. Sie wird doch jetzt keine SMS schreiben? Wahrscheinlich rechnet sie aus, was der Spaß kostet. Sie hält mir das Handy hin, ich krame nach meiner Brille, erwarte eine Zahl mit vielen Nullen, aber nein. Google Translate: die Krone sei hin und zudem aus Porzellan, da könne sie nichts machen, steht da auf Englisch. Bissle polieren, mehr sei nicht drin, und irgendjemand soll mir eine neue Krone verpassen. Nein! Füllen, bitte füllen! Ich kenn doch meinen Zahn, den hatte vor Jahren mal ein Zahnarzt trotz Krone aufgebohrt und die Wurzel entfernt. Sein Werk verschloss er mit besagter Füllung, die jetzt auf einem Balkon in Madrid liegt. Und die Konstruktion hielt bis vor wenigen Tagen. Nun gut, sagt die Ortodentista, und ruft ihrer Assistentin irgendwas mit Amalgama zu.
Tage habe ich vor vielen Jahren im Zahnarztstuhl in Tübingen verbracht, um mir das ganze Zeug aus den Zähnen entfernen zu lassen. Jetzt eine ordentliche Portion hineingedrückt, was daneben geht, bleibt im Mund, kein Absauger, kein Becken zum „Spülen bitte“. Und nach zwei Minuten bin ich fertig. Nix essen für eine Stunde, das verstehe ich sogar auf Spanisch. Glücklich verlasse ich das Behandlungszimmer, die Zahnfee kommt noch hinterher und zeigt auf die Toilette: da bitte den Mund ausspülen. Mach ich und denke daran, dass in Deutschland das Abwasser der Zahnarztpraxen als Sondermüll entsorgt wird.
Bei meinem excellent luck lebe ich mit der Füllung und einem leicht erhöhten Quecksilberspiegel noch lange und glücklich. Pura vida, wie der Costa Ricaner sagt!
Von Costa Rica haben wir bisher nur Gutes gehört. Ein Naturparadies und so sicher. Die Schweiz Mittelamerikas. Deswegen haben wir uns nach langem Überlegen auch gegen Südamerika entschieden und außerdem haben wir uns mal wieder von unserem (Schwaben-) Glück inspirieren lassen. In einem Buchladen in Zypern entdeckte ich einen aktuellen Mittelamerika-Reiseführer von Rough Guide für 7,70 Euro. So ein Schnäppchen, da mussten wir zuschlagen.
Also flogen wir von Madrid nach San José, der Hauptstadt Costa Ricas. Mit Avianca, einer kolumbianischen Fluglinie und bisher eigentlich unser bester Flug. Nach einer Zwischenlandung in Bogota kamen wir am Nachmittag an und steckten mit dem Taxi erstmal lange im Stau fest. Als wir uns dann der Straße näherten, in der sich unser Hotel befand, wurde die Gegend immer merkwürdiger, schmierige Bars, Hotels, die ihre Zimmer auf Plakaten stundenweise anpriesen, Fabrikgelände und Parkplätze, die durch hohe Mauern mit Stacheldraht gesichert waren. Auch unser Hotel, ein netter Kolonialbau mit viel Atmosphäre, war hinter Gittern gesichert. Aber wir waren so kaputt von langem Flug und Zeitumstellung, dass wir nur noch ins Bett fielen.
Am nächsten Morgen machten wir uns auf, San José zu entdecken. Sehenswürdigkeiten gäbe es nicht, aber der Ort sei auf den zweiten Blick ganz nett, hatte uns unser Reiseführer vorbereitet. Ein paar Kolonialbauten, der gelegentliche Blick auf die Berge und ein Zentralmarkt mit vielen kleinen Restaurants, das hat uns gefallen. Aber ansonsten fremdeln wir. Während unserer gesamten bisherigen Reise hatten wir das große Glück, fast immer auf sehr freundliche Menschen zu stoßen. Die Menschen in San José sind bestimmt nicht unfreundlich, aber eher desinteressiert. Die Frauen sind hier fast alle übergewichtig und tragen etwas zu enge Hosen, etwas zu hohe Schuhe und etwas zu viel Make-up. Ihr merkt: der Funke ist noch nicht übergesprungen.
Aber, es gab auch tolle Momente. Das Café im Nationaltheater zum Beispiel, ganz im klassischen Stil mit Deckengemälden und schwarz-weißem Marmorboden. Dort wird Kaffeekultur zelebriert. Man hat die Wahl zwischen sechs verschiedenen Kaffeesorten, jede akkurat beschrieben nach Geruch und Geschmack, frisch für jeden Gast gemahlen und am Tisch in einem eigenen Filter aufgebrüht. Ich entscheide mich für „San José“, ein „eye-opener“ zum Abschalten, mit dem Aroma von Holz und dunkler Schokolade und dem Geschmack von Kakao und Grapefruit, sagt die Beschreibung. Eric entscheidet sich für „Karthago“ mit Honig-Nuss Aroma und dem Geschmack von Pflaume und Lebkuchen. So trinken wir unseren Kaffee andächtig wie bei einer Weinprobe und schmecken zum Schluss tatsächlich ungewöhnliche Aromen heraus.
Dann die alte Frau, die ganz selbstvergessen zur Musik einer Straßenband tanzt. Diese unseligen südamerikanischen Panflötenspieler mit elektronischer Verstärkung gibt es nicht nur auf der Stuttgarter Königstraße, sondern tatsächlich auch in der Nähe des vermeintlichen Ursprungsorts. So wirklich Begeisterung ruft die Band bei den Passanten nicht hervor, als jedoch eine alte Dame auf einmal vor die Gruppe tritt und mit erstaunlicher Taktsicherheit und Beweglichkeit Lied für Lied tänzerisch interpretiert, bildet sich eine große Menschentraube. Da können die Pandüdler wirklich froh und dankbar sein.
Und dann vielleicht noch ein Wort zur Küche in Costa Rica. Wirklich große Erwartungen hatten wir nicht. Fleischmengen gegrillt wie in Venezuela oder trockene Tacos wie in Mexiko, unsere einzigen Nicht-US-Amerika-Erfahrungen, mehr Vorstellungen hatten wir nicht. Aber weit gefehlt, das Essen ist klasse. Sehr gut gewürzt, sehr vielfältig und mit vielen vegetarischen Optionen. So genießen wir im Zentralmarkt Abenteuerteller mit vielen verschiedenen Beilagen: Reis mit Bohnen, Bohnenmus, Salat, Kochbananenchips, gedämpftes Gemüse und so weiter. Verhungern werden wir hier nicht!
Was aber stark dazu beiträgt, dass wir uns noch nicht richtig mit Costa Rica anfreunden können, ist unser Sicherheitsgefühl. Man darf einfach nicht so genau im Internet nachlesen… Aber die festungsartigen Parkplätze und die ebenso stark gesicherten Einfamilienhäuser vermitteln uns ganz ohne Horrorstories den Eindruck, dass auch die Einheimischen Angst um ihr Eigentum haben. Dazu ein kleiner Gang durch’s nebenan gelegene Rotlichtviertel und danach die Erlebnisberichte im Internet. Da kommt man schnell in einen gewissen Unbehaglichkeitsmodus. Recht spät abends fällt uns dann noch ein, dass wir Geld holen müssen, wir wollen früh am nächsten Morgen weiter in einen Ort ohne Geldautomaten, also gibt es keine Alternative. Ich ertappe mich dann dabei, wie ich vor dem kleinen Kabuff, in dem Eric den Geldautomaten bedient, Wache stehe und die Vorbeikommenden argwöhnisch beobachte. Natürlich geht alles gut, natürlich kommt keiner auf die Idee, uns zu überfallen. Aber ein gewisses Magengrimmen bleibt. Na, wenigstens sprachlich wäre ich dem gewachsen: Esto es un robo! Dies ist ein Überfall! Den Satz habe ich schon als Teenie von Paul Newman und Robert Redford als Butch Cassidy und Sundance Kid gelernt. Kann man durch entsprechende Betonung ja auch in eine Frage ummünzen. Falls uns eine dunkle Gestalt begegnet und wir nicht sicher sind, ob sie was Böses will. Ab jetzt im Internet nur noch die Seiten mit den guten Nachrichten!
Wir leben noch, Ihr Lieben, und das sehr gut. Aber es gab viel zu sehen, zu bestaunen und zu schwätzen – denn endlich mal war die Kommunikation mit Zuhause nicht einseitig nur hinein ins Internet, sondern direkt von Angesicht zu Angesicht!
Denn kaum ist man in Europa, schon trifft man auf bekannte Gesichter. Da war erst mal Coco, die uns auf Zypern besucht hat und mit der wir drei wundervolle Tage verbracht haben. Sie wird einen Gastbeitrag verfassen, das hat sie uns versprochen. Wir haben viel gesehen, viel geschwätzt, viel gegessen und getrunken und die Zeit sehr genossen.
Den Abschied von Zypern erlebten wir gemeinsam – wir hatten uns für Madrid als nächstes Ziel auf dem Weg nach Mittelamerika entschieden und zufällig den gleichen Flug wie Coco gebucht, zumindest bis zur Zwischenlandung in Wien. So konnten wir den Abschied wirklich noch bis zur letzten Minute hinauszögern – unsere Gates lagen nebeneinander.
Zweieinhalb Stunden später landeten wir in Madrid und am Gepäckband wartet schon jemand auf uns: Sonja! Ich wusste zwar, dass sie zufällig auch in Madrid ist und ebenfalls am späteren Abend ankommt, hätte aber nie damit gerechnet, dass wir uns am Flughafen treffen. So hatten wir das Glück, von einer fachkundigen Expertin durch das Metrosystem der Stadt geleitet zu werden.
Unter der Erde und mitten in der Nacht hatten wir nicht viel gesehen von Madrid und ich hatte keine echte Vorstellung davon, was uns erwartete. Wir fügten uns trotzdem umgehend in den spanischen Tagesablauf ein, wachten um halb zehn auf und starteten den Tag in der gegenüberliegenden Bar. Es war fast elf als wir uns dort an den Tresen setzten und wir waren nicht die einzigen, die um diese Zeit frühstücken wollten. Milchkaffee und ein Croissant, so weit reichte unser Spanisch dann noch. Ob wir die Croissants warm möchten. Ja, das hört sich gut an. Kurz darauf bekamen wir jeder einen Teller mit einem längs aufgeschnittenen und in Butter angebratenen Croissant (das ja seinerseits vorwiegend aus Butter besteht), dazu nochmals Butter und Aprikosenmarmelade. Oh, wie köstlich! Triple-Burro sozusagen, aber Fett ist ja ein Geschmacksträger. Die Bar selber gab uns dann einen ersten Eindruck vom spanischen Alltagsleben. Sonja hatte uns schon gesagt, dass Spanier so gut wie nie zuhause frühstücken. Laufend kamen Menschen herein und setzten sich an den halbrunden Tresen, in dessen Mitte drei ältere Männer mit weißen Hemden und schwarzen Fliegen wirbelten – Kaffee produzierten, fettgebackene „Churros“ dazu servierten, auch schon mal den ersten Wein ausschenkten, ständig in Bewegung und für jeden Gast noch ein paar freundliche Worte übrig hatten. Um diese Tageszeit waren vorwiegend ältere Menschen in der Bar, fein herausgeputzt begannen sie den Tag mit Kaffee oder dickflüssiger Schokolade, eigentlich eher ein Schokopudding, in den die Churros getunkt werden, und einem freundlichen Schwätzchen. Als wir zwei Abende später eine Spanierin befragten, ob es normal sei, dass so viele Rentner vormittags in den Bars sitzen, fragte sie erstaunt „Was sollen sie sonst tun?“.
Und dann begann der Gang durch Madrid und das hatte ich nicht erwartet. Was für eine Stadt! Die durchgehend historische Architektur, die wunderbaren Plätze, Statuen, große Boulevards, die sich mit verwinkelten Straßen abwechseln – wirklich beeindruckend. Bis auf einen Gran Canaria-Urlaub vor vielen Jahren war ich tatsächlich noch nie in Spanien und da habe ich offensichtlich etwas versäumt. Eric wird noch viele schöne Photos nachliefern.
Die Abendgestaltung übernahm Sonja. Ihr Freund lebt seit vielen Jahren in Madrid und sie eigentlich auch schon fast. So kamen wir erst in den Genuss eines wunderbaren Menüs in einem schönen kleinen Restaurant und am Abend drauf bei Bier und Tapas zu einem Fußballerlebnis in einer traditionellen Bar. Real Madrid gegen Wolfsburg in der Champions League und nach einer halben Stunde wäre ich fast zum Wolfsburg-Fan geworden. Die Einheimischen trugen die 2:0 Schmach mit Fassung.
So viel hätten wir noch sehen können, gerade mal eins der wunderbaren Museen haben wir besucht, aber es wird nicht das letzte Mal gewesen sein! Sonja, da habt ihr euch einen sehr schönen Ort ausgesucht!
Ach ja, übrigens: Wir haben es geschafft. Wir sind ein mal rum um die Welt! Aber es geht weiter, denn wir wollen auch noch Mittelamerika sehen. Deswegen auch Madrid. Und so steigen wir am Freitag mal wieder ins Flugzeug und machen uns auf nach Costa Rica. Von dort dann mehr!
Wir sind ganz feige Winterflüchtlinge. Immer dem guten Wetter hinterher und sobald es mal unter 20 Grad hat, was uns glücklicherweise nur in Neuseeland und in Japan passiert ist, flüchten wir uns ins Dampfbad, drehen die Autoheizung auf oder kuscheln uns in die Heizdecken. Deswegen haben wir ihn eigentlich auch überhaupt nicht verdient, den Frühling. Aber wir können ihm hier auf Zypern einfach nicht entgehen. Es knospt und blüht unter einem strahlend blauen Himmel und überall riecht es nach Frühling. Gut, die Abende sind kalt, wären wir nicht so faul, würden wir den Kamin in unserem Häuschen in Gang setzen, aber eine heiße Dusche, eine warme Decke und ein Gläschen Rotwein hilft auch. So beginnen wir den Tag mit Frühstück im sonnigen Innenhof und genießen die Häuslichkeit. Hier macht selbst das Putzen Spaß und nach und nach waschen wir den Nepalstaub aus unseren Klamotten. Eine richtige Waschmaschine, die nicht bereits nach 30 Minuten kurz-durchs-kalte-Wasser-wirbeln den Eindruck erwecken möchte, dass jetzt alles sauber sei.
Ein bissle wollen wir natürlich auch von Zypern sehen, auch wenn es schwer fällt, sich vom Haus zu trennen. Nur einige Kilometer hinauf in die Berge wird es richtig kalt, wir stoßen sogar auf letzte Schneeausläufer. auch wenn die Skilifte schon längst den Betrieb eingestellt haben. Recht verlassen hier oben, zu warm für die Wintersaison und noch viel zu frisch für den Sommer. Auch wir werfen nur einen kurzen Blick in die Bergwelt des Troodos-Gebirges und flüchten uns dann wieder in die Wärme unseres Autos.
Nur kurz hinter unserem Dorf dann ein weiteres Idyll: das verschlafene Dörfchen Laneia, das jedes Zypern-Klischee voll erfüllt. Kleine verwinkelte Gässchen, blaue Holztüren und Fensterrahmen auf schneeweißen Steinhäuschen, nur leider vollkommen ausgestorben und ohne Taverne, von der man das Dorfleben genießen könnte. Ist halt noch Vorsaison.
Also dann auch mal weiter weg, Paphos ist das Ziel, ein archäologisches Zentrum und Badeort vorwiegend für Briten. Nach gut anderthalbstündger Fahrt erreichen wir die Königsgräber, eine Grabanlage der Ptolomäer, direkt am Meer
gelegen und beeindruckend in die Felsen gehauen. Haben sie gut ausgesucht, denn ohne die stadtähnliche Friedhofsanlage wäre auch dieses Gebiet mit Hotels zugepflastert. Ein schöner Ort, um den Anblick des strahlendblauen Meers zu genießen, die kleinen Salamander auf den Sandwegen zu beobachten und sich wie Indiana Jones zu fühlen – nicht nur die Kinder haben einen Riesenspaß, in das Gewirr höhlenförmiger Grabplätze und Verbindungsgänge einzutauchen und an ganz anderer Stelle wieder nach oben zu klettern.
Wir nutzen die Zeit auch, uns Gedanken über die weitere Reiseroute zu machen. Fehlen tun noch Afrika und Südamerika. Wenn ihr euch richtig gruseln wollt, lest doch mal die Reisehinweise des Auswärtigen Amtes – ein Wunder, dass im reisefreudigen Deutschland noch eine Familie existiert, deren Wertsachen nicht Opfer eines Schurken wurden. Dass Individualreisen nach Äthiopien oder Sambia gewisse Gefahren bergen, nun denn, aber noch nicht mal in Italien kann man unbedarft spazieren gehen – wenn es nach dem Auswärtigen Amt geht.
Und auch wir kriegen einen kleinen Eindruck vom europäischen Terrorgeschehen: eine entführte Maschine steht stundenlang auf dem Flughafen in Larnaka, bis es Entwarnung gibt. Es war wohl doch eher eine verzweifelte Liebestat. Einer der wenigen Tage, in denen wir ausflugsbedingt den ganzen Tag ohne Internet waren, so erfahren wir es erst, als schon wieder alles vorbei ist. Die armen Menschen im Flugzeug, sie haben es überlebt, aber wie wird man mit einer solchen Horrorerfahrung fertig?
Wir fragen uns häufig, in was für ein Deutschland wir da überhaupt zurück kehren werden. Wir haben den großen Flüchtlingsansturm nicht erlebt, sind an vielen Orten gelobt worden für Deutschlands Politik, in Neuseeland schüttelte die Vermieterin den Kopf über die Deutschen, „Wie soll das gehen? Das sind in wenigen Jahren so viele Menschen wie es Neuseeländer gibt.“, in Nikosia bedankte sich ein syrischer Flüchtling bei uns dafür, dass Deutschland so viele Menschen aufnimmt, entschuldigte sich aber, dass einige sich schlecht benehmen und bat um Gottes Beistand, damit Deutschland alles meistert.
Es ist schwierig, sich aus der Ferne eine Meinung zu bilden. Unsere Informationsquellen sind vor allem die Zeitungen im Internet und Berichte von Freunden, selber haben wir es aber nicht erlebt, weder die Euphorie am Anfang noch die Ressentiments nach der Silvesternacht in Köln oder die Stimmung nach den Wahlerfolgen der AfD. Alles also nur aus zweiter Hand, eine etwas wackelige Grundlage für eine feste Position. Uns freut es jedenfalls, dass in Deutschland etwas in Bewegung geraten ist und die längst fällige Diskussion über eine anständige Einwanderungspolitik in Gang kommt.
Vier Monate haben wir noch Zeit und die wollen wir nutzen. Mal eine Woche hier, mal zwei dort, das wollten wir ändern. Also gehen wir nach dem Ausschlussprinzip vor. Klima, Lust und Laune, Sicherheit, Kosten, all das wägen wir ab und kommen dann auf – Süd- und Mittelamerika.
Aber dann müssen wir ein weiteres Kriterium dazu nehmen: die mehr als verwirrenden Flugverbindungen, die keiner Logik zu folgen scheinen. Von Larnaka gibt es eh kaum Fernflüge, also starten wir doch von irgendeinem mitteleuropäischen Flughafen. Aber möchte man zum Beispiel von München nach Chile fliegen, muss man mit langer Wartezeit in Düsseldorf zwischenlanden. Ha, vermeiden wir das doch und starten von Düsseldorf aus. Haste gedacht, von Düsseldorf nur über München. Hä?
Die allerletzte Entscheidung ist noch nicht gefallen, aber es sieht gerade sehr nach Costa Rica aus, vielleicht mit einem Abstecher nach Panama und/oder Nicaragua. Spätestens morgen müssen wir buchen, denn wir kriegen Besuch aus Hamburg, auf den wir uns ganz und gar konzentrieren wollen. Wahnsinn, nach acht Monaten ein Stückchen Heimat. Wie das wohl wird? Ihr werdet’s sehen, vielleicht gibt es demnächst ja einen Gastbeitrag oder ein paar weinselige Photos oder beides.
Deutschland im Jahr 2016 ist krank!
Ich fasse es nicht! Wir haben nun ja wirklich nicht so oft die Gelegenheit „echtes“ deutsches Fernsehen zu verfolgen. Aber hier auf Zypern, da haben wir heute Abend die Möglichkeit, ZDF zu sehen. Warum es ausgerechnet das Zweite Deutsche Fernsehen sein muss, dass ist mir nicht klar. Aber da ist noch viel mehr, das mir nicht klar ist.
Es ist Gründonnerstag und wir verließen heute Nikosia, um zu unserem jüngst gebuchten Steinhäuschen in Trimiklini, nördlich von Limassol zu fahren. Nach dem Frühstück packten wir unsere sieben Sachen und machten uns zunächst einmal zu Fuß auf den Weg, um unseren Mietwagen bei der Firma Europcar abzuholen. Das artete dann allerdings doch eher zu einer kleinen Wanderung aus, da ich mich mit den Distanzen in den verwinkelten Straßen Nikosias etwas vertan hatte. Dennoch waren wir nur fünf Minuten nach dem vereinbarten Zeitpunkt am Ziel.
Wir schon, aber das Büro von Europcar war nicht besetzt. Da dieses Büro in Gemeinschaft mit einer Reiseagentur residiert, wendeten wir uns an diese Damen, die uns dann nach einem kurzen Telefonat mitteilten, dass die Mitarbeiterin der Leihwagenfirma unterwegs sei und in 25 Minuten eintreffen werde. Wir sollten doch solange warten. Wie bitte? Gut, das sind dann wohl die Nachteile der zyprischen Gelassenheit. Aber es schockt uns nicht und so überbrücken wir die Zeit in einem Café bei einem Frappé.
Als wir zurückkehren, sitzt eine recht magere und offensichtlich auch schon betagte Dame im Büro. Sie entpuppt sich als die ersehnte Mitarbeiterin von Europcar und noch dazu als waschechte Britin. Sie ist freundlich aber etwas überkandidelt und, ich fasse es nicht, spricht mich immer wieder mit ‚Darling‘ an. Bin ich für so was nicht ein wenig zu -sagen wir mal- „reif“? Aber vermutlich sollten das nur Blendgranaten sein. Doch die üblichen Tricks, mit denen man zu Leistungen überredet werden soll, die man nicht braucht, verfingen bei uns nicht und so ließ sie von diesen Versuchen sehr schnell wieder ab. Vom „Darling“ aber nicht.
Also nichts wie rauf auf die Straßen Zyperns und wieder einmal hinein in den Linksverkehr. Da wir auf unserer Reise bislang die meisten Kilometer auf der „falschen“ Seite zurückgelegt habe, ist es tatsächlich kein Problem mehr, selbst wenn das Auto ein Schaltgetriebe hat. Wirklich
lange dauert die Fahrt nicht, denn so groß ist die drittgrößte Insel des Mittelmeers nicht.
Und nun sind wir also in einem wunderschönen alten Steinhaus inmitten eines kleines Dorfes und genießen ein Glas Wein in der Sonne unseres ummauerten Innenhofs, während die Schwalben über unsere Köpfe zischen.
Als es dunkel und kühler wird, da setzen wir uns nach drinnen und da werden wir Zeugen.
Zeugen eines unglaublich schlechten Fernsehprogramms. Wir erleben die letzten Minuten der SOKO Stuttgart -wie grottenschlecht ist denn das?
Aber es lässt sich toppen. Leider. Denn direkt nach dem Heute-Journal strahlt das ZDF Notruf (gib mir die) Hafenkante aus. Oh ne! Was soll man im Ausland von uns denken?
Und dann müssen wir erkennen: Das Ausland muss denken, dass die Deutschen allesamt krank sind. Denn das ZDF sendet auch Werbung. Zwei Werbeblöcke, die nahezu identisch sind. Und was wird da beworben?
Ich habe es Euch in exakt der Reihenfolge aufgeschrieben, wie es ausgestrahlt wurde: