Stromlos

New Pokhara Guesthouse, abends, kurz nach 8. Im dämmrigen Licht einer Energiesparlampe liegen zwei traurige Globonauten auf den Betten und werfen einen letzten wehmütigen Blick in ihre Laptops, wohlwissend, dass die Akkus dem Vergnügen ein baldiges Ende bescheren werden. 20:09 Uhr: ein lautes Rattern ertönt, so, als ließe jemand ein Mofa auf Hochtouren laufen. Es kommt Leben in die Bude, die Globonauten schauen sich unsicher an, das ist doch, Mensch probier mal – Eric drückt den Lichtschalter, die Neonröhre flackert, fängt sich, leuchtet! Jetzt kommt Bewegung in die Szenerie, hast Du das Ladekabel, her damit! Ich hab noch 23 %, ich darf zuerst! Und tatsächlich, das Kabel wird angeschlossen und das Lämpchen leuchtet auf! Das ist unser Generator, der da draußen lärmt, nicht der vom Nachbarn. Gerettet…

Beim Einchecken drückte uns unser Wirt IMG_0356einen Zettel in die Hand, „Load-Shading Time Table“ steht drauf, damit können wir wenig anfangen und er erklärt, das seien die Zeiten, zu denen es keinen Strom gibt. Na ja, die ein oder andere Stunde können wir ja durchaus verzichten. Wir werfen einen ersten Blick darauf, 13 Stunden am Tag keinen Strom. Zweimal in 24 Stunden gibt es welchen, mitten in der Nacht und dann noch mal gen Nachmittag. In den Zimmern hängen zwei Lampen, die 24h trübe leuchten können, eine im Bad und eine im Schlafraum. Der Ventilator, den wir bei den angenehmen Temperaturen sowieso nicht brauchen, und der altersschwache Fernseher, den wir erst recht nicht nutzen wollen, sind also eher Dekoration.

Die Energierestriktionen sind nicht Folge des Erdbebens, sondern der Energiepolitik des Landes. Das Load-Shading heißt eigentlich Load-Shedding, bedeutet so viel wie Lastabwurf und existiert schon so lange, dass es bereits Apps gibt, die den täglich wechselnden Stromkalender für jede Region anzeigen. In Kathmandu merkte man nicht so viel davon, weil die Hotels, Restaurants und Läden häufig eigene Generatoren haben, hier in Pokhara, immerhin der drittgrößten Stadt des Landes, schlägt es voll zu. Die Läden bleiben dunkel, in den Restaurants wird auf offenem Feuer gekocht und no power, no milkshake. Bittere Realität seit vielen Jahren für die freundlichen Nepalesen. Alle scheinen es trotzdem mit Gelassenheit zu nehmen. Wir haben eh immer eine Taschenlampe dabei und jetzt eben auch unser Ladekabel, sollten wir auf ein Café oder Restaurant mit Generator treffen. Warum uns unser Wirt gerade heute Abend die Gnade des außerplanmäßigen Stroms zukommen lässt, bleibt ein Rätsel, kommt aber wie gerufen – wir haben uns nämlich im Stundenplan vertan und Power gibt’s offiziell erst heute Nacht um eins. Mal wieder excellent luck gehabt.

Ziegen, die auf Ziegen starren

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Wie unglaublich interessant waren doch unsere ersten acht Tage in Patan und in Kathmandu! Es war wie eine Reise in eine andere Welt. Das Gefühl haben wir sonst oft auf unseren Indienreisen gehabt, insbesondere als wir vor einiger Zeit Varanasi besuchten. Hier, in dieser Doppelstadt in Nepal, gab es dieses Gefühl also auch ganz stark und wir genossen es uns dort einfach durch die Gassen treiben zu lassen und diese Atmosphäre in uns aufzusaugen. Ein wenig geordneter und vor allem hygienischer geht es in Nepal dann allerdings doch zu 😄.

Nun sind wir also in Pokhara angekommen, dem Ort, den nicht nur unser Taxifahrer vom ersten Abend in Nepal uns als Paradies anpries. Und was soll ich sagen -es gibt zweifelsohne verschiedenste Vorstellung von einem Paradies. Diese würde für mich nicht dazuzählen. Vielleicht liegt es an dem diesigen Wetter, das die Berge um den See vor unseren Blicken verbirgt. Aber es liegt ganz sicher auch daran, dass Pokhara ein Ort ohne eigentliche Attraktion ist und in erster Linie als Startpunkt für diverse Trekkingtouren dient. Dazu hat sich hier eine umfangreiche Infrastruktur gebildet, die sich wieder einmal in allen Punkten den Bedürfnissen der Massen angepasst hat und jeden Trend aufnimmt. Spätestens wenn die Essensstände mit organic Food werben oder Gluten free Speisen anbieten weiß man, dass man die Gegend zu spät besucht.
20160225-Kathmandu-Nikon-158Unsere Busfahrt gestern war eine eher gemächliche siebeneinhalbstündige Tour durch hügelige Landschaften. Anders als in vielen Ländern der Region wurde der Bus nicht von einer Klimaanlage heruntergekühlt und es gab auch kein Entertainment, das einen laut beschallte.
Zunächst aber klapperten wir einige Stadtteile und Vororte Kathmandus ab und lasen einige Fahrgäste auf. Insgesamt waren sieben Ausländer an Bord, die man ganz einfach bei einem Blick über die Sitzreihen erkennen konnte. Immer wenn man einen Kopf die Nackenstütze überragen sah, handelte es sich um einen Westler.
Schon bald gerieten wir in einen Verkehrsstau, der aber eigentlich auf der Gegenspur stattfand. Aber er wirkte sich auch auf uns aus, denn auf den engen und kurvigen Straßen konnten die Fahrzeuge oft nicht aneinander vorbeikommen und so standen auch wir immer wieder.
Überall auf der Strecke fällt der sorglose Umgang mit Müll auf, der vor allem bei Plastik zum Problem wird. Hinzu kommt eine scheinbar das ganze Land überziehende Staubschicht, die sich auf alles niedergelegt hat.
Unser Busfenster fungiert oft wie ein Schaufenster in eine andere Welt, eine andere Zeit. Das Leben spielt sich auf der Straße ab und so sieht man die Menschen auf Teppichen sitzen, die auf dem Boden ausgebreitet wurden. Eine Gruppe Mädchen speist ganz selbstverständlich vor der Haustüre auf dem Boden -bei uns wäre es ein Picknick.
Zwei Frauen und zwei Männer sitzen und liegen auf Matten, eine von ihnen laust den anderen den Kopf.
20160228-Kathmandu-Nikon-451Ein altes Paar sitz vor seiner Hütte auf dem Betonboden und an einem dort aus dem Boden ragenden Wasserhahn. Er hat seinen Oberkörper entblößt und sie schrubbt ihm den Rücken.
Andernorts zerstößt eine Frau in einem großen Mörser Gewürze -auch sie sitzt auf der Erde.
Eine Kuh wagt sich neugierig zu nahe an einen Holzkohleofen heran, schreckt zurück und galoppiert davon.
Große schwarze Ziegen stehen vor einem Holzverschlag und schauen interessiert in diesen hinein. Bei genauerem Hinsehen erkenne ich, dass es sich um einen Schlachter handelt und die Zaungäste einen Blick in ihre traurige Zukunft tun und auf ihre zerkleinerten Artgenossen in der Auslage starren.
Und immer wieder sieht man Menschen, die mit Stirngurten schwerste Lasten auf dem Rücken transportieren.

20160303-Nepal-Pokhara-05Und nun Pokhara, das für bedeutend mehr Touristen bereit ist als zurzeit hier sind. Vor einem Jahr, so bekommen wir immer wieder gesagt, war die Tourismuswelt hier noch in Ordnung. Vor dem Beben und der Versorgungskrise. Wir bemerken letztere eigentlich nur an den überall zu bestaunenden ewig langen Warteschlangen für Benzin, die aber tatsächlich schon in der Zeit unseres Aufenthaltes deutlich kürzer geworden sind. Und an den sehr kurzen Verfügbarkeiten von Strom, die uns mit all unserer Elektronik doch ein wenig zu schaffen macht.
Aber schon im kommenden Jahr, da sind wir sicher, werden viele Touristen auch Nepal wieder auf dem Plan haben. So wie wir bereits jetzt.

Fahrt nach Pokhara

Nach acht Tagen ist Schluss mit dem schönen wilden Patan. Der Entschluss ist gefasst, am nächsten Morgen nehmen wir den Bus nach Pokhara. In unserem Guesthouse haben wir Stephanie kennengelernt, eine Rechtsmedizinerin, die in Chemnitz lebt und interessanterweise recht bald nach der Wende vom Westen in den Osten gegangen ist, auch nicht so häufig. Sie will ebenfalls nach Pokhara, dann machen wir die Reise doch zu dritt.
Der Bus startet um sieben Uhr morgens und zwar von Kathmandu. Um ganz sicher zu gehen, sollen wir um sechs ein Taxi nehmen. Uuuuh…. Aber egal, wir können ja ganz früh ins Bett gehen…

Schon beim Frühstück sehen wir, dass die P1080019Einheimischen ein Fest auf dem Platz vor unserem Hotel veranstalten werden. Eine Straßenküche wird aufgebaut, ein großes Festzelt kommt dazu. Es ist die Zeit der großen Hochzeiten, wir sehen jeden Abend festlich geschmückte Menschen durch die Straßen laufen und zwei Deutsche, die wir ebenfalls im Guesthouse kennengelernt haben, sind extra für eine Hochzeit von Freunden angereist und berichten uns, dass es astrologisch ein perfekter Monat zum heiraten sei.
Also freuen wir uns darauf, Zaungäste einer nepalesischen Hochzeit zu sein, mit traditionellen Kleidern, Tänzen und Gesängen. Nach unserem letzten Spaziergang durch Patan kommen wir ins Hotel zurück, wollen noch ein wenig ausruhen, bevor wir zum gemütlichen Abendessen auf der Dachterrasse übergehen. Das Hochzeitsfest scheint gerade zu pausieren, nur wenige Menschen sitzen im Zelt. Na gut, dann schauen wir halt nachher mal vorbei.
Eric klärt noch etwas an der Rezeption, ich sinke aufs Bett, freue mich auf ein kurzes Spätnachmittagsschläfchen, schließe die Augen, räkele mich in den Laken als plötzlich – BUMM BUMM BUMM. Wilde Technobeats lassen das Bett vibrieren, die historischen Fenster bieten keinen Schutz vor der Party, ich würde mich nicht wundern, wenn Scooter neben mir im Bett sitzen und mir Hyper, Hyper ins Ohr brüllen würde. Ich schaue kurz hinaus, die Lautsprecher sind perfekt auf unser Zimmer ausgerichtet. Von traditionellen Gesängen und Tänzen keine Spur. Die wollen Spaß und zwar richtig!
Um acht gehen wir hoch auf die Dachterrasse und bekommen ein leckeres nepalesisches Curry serviert. Die Gemeinde unten ist mittlerweile bei „We will rock you“ in der Techno-Hardrockvariante angekommen. Wir schauen vom Balkon aus runter, sie tanzen und johlen, es gibt ein DJ-Pult, auf dem sich mehrere Leute tummeln und die Menge anheizen.
Um viertel vor neun sind wir wieder unten in unserem Zimmer, mir schwant schon, dass unsere Ohrstöpsel hier wenig ausrichten werden. Aber ist ja noch nicht mal neun (obwohl ich recht müde bin, ich könnte jetzt schlafen, wenn nicht BUMM – How – BUMM – is – BUMM – the -BUMM – fish). Wollen wir mal nicht spießig sein, geheiratet wird idealerweise nur ein mal im Leben und es ist erst neun. Gut, nehm ich halt meine Kopfhörer und guck mir auf Youtube mit maximaler Lautstärke einen Tatort an (es gibt fast alle mit Hansjörg Felmy, 70er-Atmosphäre pur!). Gegen zehn fallen mir zunehmend die Augen zu, ich probier’s jetzt einfach. Ich quäle mich noch mal aus dem Bett, suche nach den Ohrstöpseln, stecke sie so tief wie möglich in die Ohren, lege mich wieder hin, brülle Eric ein „Gute Nacht!“ zu, ziehe die Decke dicht über die Ohren, seufze tief und – Ruhe. Mitten im Song haben sie abgebrochen. Ganz traue ich dem Frieden nicht, der DJ braucht eine kleine Verschnaufpause, ein Stromausfall, die Ruhe vor dem endgültigen Sturm. Aber nein – es bleibt ruhig! Wow!!! Ich kann mich kaum darüber freuen, weil ich umgehend in Tiefschlaf verfalle.
Um 5 klingelt der Wecker und wie gerne würde ich noch mal unter die Decke kriechen. Aber nein, auf nach Pokhara. Zu dieser frühen Stunde kriegen wir trotzdem ein leckeres Frühstück, das Taxi wartet bereits auf uns, wir sind – natürlich – viel zu früh an der Bushaltestelle. Ein sogenannter Touristenbus, um den wir sehr froh sind, DCIM100MEDIAnachdem wir später einige Local Busses überholen, die sehr gut gefüllt sind. Der Bus hält alle zwei Stunden an Raststätten mit sauberen Toiletten und gutem Essen, die Sitze lassen sich komfortabel nach hinten klappen, ein kleines nepalesisches Mädchen in der ersten Reihe sorgt für allerbeste Unterhaltung. So ein fröhliches Kind, sie grinst mir zu, wir spielen über mehrere Reihen hinweg Verstecken hinterm Sitz, sie präsentiert lachend ihre leckeren Chips, ich kontere mit meinen noch Leckereren und einer Mandarine, sie sticht mich mit Weintrauben aus. Die Fahrt geht über eine holprige Gebirgsstraße mit anfänglichem Stau, die Überholmanöver unseres Busfahrers sind Präzisionswunder, manchmal passiert er die entgegenkommenden Fahrzeuge mit nur wenigen DCIM100MEDIAZentimetern Abstand. Wir fahren in die Berge, der Dunst bleibt, aber die Szenerien werden ländlich – kunstvoll aufgetürmte Heustapel, Bauern, die dem von zwei Rindern gezogen Holzpflug folgen, Stephanie berichtet von zwei Geiern, die am Ortseingang saßen. Mit anderthalb Stunden Verspätung kommen wir in Pokhara an, egal, es war eine angenehme Fahrt. Die Stadt ist der Ausgangspunkt für Treks rund um den Annapurna. Eric und ich haben ein Hotel vorgebucht, Stephanie kommt mit und mietet sich für eine Nacht ein. Sie wird morgen in aller Frühe zu einem 220 km langen Trek aufbrechen, ganz alleine. Wir werden es uns in Pokhara wohl erst mal gemütlich machen. Wir verabschieden uns, sie ist uns echt schon ans Herz gewachsen. Viel Spaß und Erfolg, liebe Stephanie!

Tag der Gegensätze

Wir sind seit fünf Tagen in Kathmandu, 20160225-Kathmandu-Nikon-153besser gesagt in Patan. Dieser einst selbstständige Ort vor den Toren der Hauptstadt bildet nunmehr mit ihr zusammen eine Doppelstadt, aber immer noch mit ganz eigenem Charakter. Nachdem wir einen ersten Ausflug nach Thamel, dem Touristenzentrum von Kathmandu unternommen haben, sind wir sehr froh über die Lage unseres Guesthouse im aufregenden Patan.

Aber auch das Umland bietet einige Sehenswürdigkeiten und nachdem wir erste Bekanntschaft mit dem öffentlichen Nahverkehr gemacht haben, trauen wir uns jetzt auch zu, das fünf Kilometer entfernt liegende Pashupatinath zu besuchen. Ausgestattet mit einer Anfahrtbeschreibung unseres Gastgebers starten wir zunächst zu Fuß auf der Hauptstraße Richtung Ringstraße, auf der die Busse fahren. Busfahren in Nepal ist etwas sehr Spezielles. Sie sind alt, verbeult und meistens heillos überfüllt. Häufig sind es „Mikrobusse“, kleine für etwa 15 Personen ausgelegte Fahrzeuge, die man hier aber locker mit der doppelten Zahl Menschen füllt. Ein Fahrer steuert stoisch durch den chaotischen Verkehr, der „Schaffner“ 20160226-Kathmandu-Nikon-330hängt meistens außerhalb des Busses in der Tür, brüllt den Wartenden am Straßenrand das Ziel zu, bekommt von den Fahrgästen einen Zuruf, wenn sie aussteigen wollen, haut dann wie wild von außen an die Bustür als Signal für den Fahrer, kassiert ab und sorgt dafür, dass jeder Quadratzentimeter des Busses mit Passagieren gefüllt wird. Wenn man nicht am Anfang der Route einsteigt und so vielleicht einen Sitzplatz ergattert, verbringt man die Fahrt irgendwie stehend und bei unserer Größe mit eingezogenem Kopf, überzeugt, dass der Bus jetzt voll ist. Doch der Schaffner lässt weiter anhalten, wenige steigen aus, mehr wieder ein. Als erste aufs Dach klettern, schreitet der Fahrer ein, in die offene Tür hängen, o.k., aber runter vom Dach.
Wir erreichen Pashupatinath, schaffen es, den Bus zu verlassen und gehen einen breiten Weg, der bald von vielen bunten Verkaufsbuden gesäumt ist, weiter, bis wir zum Eingang kommen. Wir gehen davon aus, dass wir hier einen wichtigen Hindutempel zu sehen zu bekommen, sehen und riechen aber gleich hinter dem Eingang im Zentrum der großen Anlage mehrere Verbrennungsghats.
Vor drei Jahren waren wir in Varanasi, der heiligen indischen Stadt am Ganges, in der P1080058Leichenverbrennungen stattfinden. Einigermaßen indienerfahren hatte uns Varanasi trotzdem außergewöhnlich berührt. Der Schmutz, die Menschen, die in dem ganzen Dreck auf der Straße dahinvegetieren und nur zum Sterben gekommen sind, die aus unserer westlichen Sicht unwürdigen Bestattungszeremonien, bei denen herumlaufende Ziegen den Toten die Blumenkränze vom Hals fressen, Hunde gern mal ihr Beinchen heben und die eigentliche Verbrennung ohne sichtbare Anteilnahme der Angehörigen vonstatten geht.
Die Szenerie hier ist insofern ähnlich, als dass direkt am Fluss, der zu dieser Jahreszeit kaum Wasser führt und voller Müll ist, Treppen, die sogenannten Ghats, nach oben zu den eigentlichen Verbrennungsstätten führen. Auf rechteckigen Steinemporen wird Holz aufgeschichtet, darauf kommt der in orangefarbene Tücher gehüllte Leichnam und darauf wieder Holz und Reisig. Der älteste Sohn, nur mit einer Hose bekleidet, umschreitet P1080057dann den Scheiterhaufen und setzt ihn in Brand. Stundenlang brennt das Feuer dann, betreut von einem weißgekleideten Kremateur, bis nur noch Asche übrig ist, die in den Fluss geschüttet wird. WIr beobachten drei Männer, die etwas unterhalb eines Ghats für die höheren Kasten im Fluss stehen und die Schlacke untersuchen – wir hoffen, sie haben nur etwas verloreen, fürchten aber eher, dass sie nach Schmuck oder Goldzähnen suchen. Affen turnen am Fluss, irgendetwas scheint auch für sie abzufallen. Die Trauergemeinden gehen für unsere Begriffe würdiger mit der Zeremonie um, sie sitzen still dabei, einigen Männern werden die Haare bis auf einen winzigen kleinen Zopf am Hinterkopf geschoren. Gegenüber der Ghats auf der anderen Seite des Flusses befinden sich Terrassen, die gut besucht sind. Es scheinen fast Familienausflüge zu sein, Menschen haben sich niedergelassen, Getränke werden verkauft und den Verbrennungen zugeschaut. Es ist einfach eine ganz andere Welt, die wir nie verstehen werden und deswegen auch nicht beurteilen wollen. Durch Varanasi sind wir vorbereitet und erleben das Ganze nicht als verstörend. Immerhin ist es das große Ziel eines jeden Hindus, an einer besonders heiligen Stelle verbrannt zu werden, und wer das in Varanasi und hier in Pashupatinath schafft, kann sich im Himmelreich glücklich schätzen.
Nach zwei Stunden haben wir uns die Anlage angeschaut und die Atmosphäre verdaut. Wir machen uns zu Fuß auf zum nächsten Ziel, einer riesigen Stupa etwa 2 km von hier entfernt. P1080048Wir laufen durch staubige Straßen, finden zwischendurch ein nettes Restaurant mit köstlichen Momos und kommen erst am späteren Nachmittag in Boudha an. Gleich am Eingang sehen wir: die Stupa wird renoviert, die Spitze ist abgebaut, der Putz abgeschlagen, so ein Pech. Als wir dann aber den Platz um die Stupa betreten, sehen wir, dass die eigentliche Attraktion hier die Menschen sind. Der Platz ist von Häusern umrundet und um die Stupa bewegt sich ein steter Zug von Menschen in vorwiegend tibetischer Kluft, die im Uhrzeigersinn um das Heiligtum herum laufen, heilige Verse murmelnd. Zwei tibetische Tempel direkt am Platz kommen mit ihrer ganzen tibetisch-buddhistischen Schönheit daher, riesige bunte Gebetstrommeln, farbenprächtig geschmückte Buddhastatuen und das Gefühl, überall herzlich willkommen zu sein. Gesänge einer Gruppe von Nonnen locken mich 20160228-Kathmandu-Nikon-500in einen Tempel, ich setzte mich hinein und höre ihnen eine Weile zu. Alles etwas anders als bei den Hindus, die keine Andersgläubigen in ihre Tempel lassen.  So viele interessante Menschen, viele lassen ihre Gebetsmühlen kreisen, vor allem die alten Frauen mit ihren freundlichen sonnengegerbten Gesichtern und ihrer tiefen Spiritualität beeindrucken mich. Nur zwei Kilometer entfernt hat sich hier eine andere Welt aufgetan. Fasziniert drehen wir ein paar Runden 20160228-Kathmandu-Nikon-502um die Stupa mit, verabschieden uns dann aber, weil ja noch der Rückweg ansteht. Vorbei an einem Nobelhotel und angrenzendem Elendslager finden wir die Ringstraße wieder. Hier fahren leider nicht alle Busse zu unserem Ziel, also springen wir auf jeden herannahenden Bus zu, brüllen „Patan?“ und beim fünften Bus haben wir Glück. Der Schaffner nickt, wir ergattern zwei Sitzplätze ganz hinten, entgehen so auch dem einsetzenden Regen und sind nach einer halben Stunde zurück in unserem Stadtteil. Nach einer leckeren Nudelsuppe laufen wir durch den Regen zu unserem Guesthouse und fallen ins Bett. Dieser Tag muss erst mal verarbeitet werden.

Kathmandu

Im Flugzeug deutet es sich schon an – es wird anders werden. Die Stewardessen haben ihre Not, die nepalesischen Fluggäste im Zaum zu halten. Kaum hat sich das Flugzeug Richtung Rollbahn in Bewegung gesetzt, steht ein Mann auf und will auf die Toilette. Fünf Stunden später landen wir etwas ruppig auf dem Flughafen von Kathmandu. Es ist halb elf abends, in Bangkok ist es viertel vor zwölf. Eine Zeitverschiebung im Viertelstundentakt hatten wir auch noch nicht. Wir sind auf alles gefasst, ein Visum haben wir noch nicht und im Internet war von langen Schlangen vor den Schaltern die Rede. Um so erstaunter sind wir als uns in der Ankunftshalle ein Mann an einen Automaten heran winkt, unsere Pässe dort einscannt, uns bittet, ein paar wenige Angaben einzutippen und uns für ein Photo in Position zu bringen. Dann ab zum Zahlschalter, 40 Dollar pro Person, dann zur eigentlichen Einreise und nach zehn Minuten sind wir drin in Nepal. Auf das Gepäck müssen wir unwesentlich länger warten und vor dem Flughafengebäude erwartet uns schon der Fahrer unseres Guesthouse. Das nächtliche Kathmandu ist vor allem dunkel, Straßenbeleuchtung gibt es kaum und nur wenige fahrende Autos – dafür um so mehr wartende. Eigentlich sieht es aus, als würden die Fahrzeuge am Straßenrand parken, unser Fahrer sagt uns aber, dass das die Warteschlange für die Tankstellen seien. Die Grenze nach Indien ist seit Monaten blockiert, durch einen Generalstreik einer ethnischen Minderheit, die sich durch die Verfassungsreform benachteiligt sieht, oder durch Indien selber, so ganz sicher ist das nicht. Und da alle Benzinlieferungen über den Landweg aus Indien ins Land kommen, ist eine strikte Benzinrationierung die Folge. Drei Liter pro Fahrzeug alle elf Tage, sagt uns der Fahrer, und hierfür ist ein Vielfaches des normalen Preises und eine extrem lange Wartezeit erforderlich. Dass die Blockade auch die Versorgung mit Gas beeinträchtigt, merken wir später in unserem wunderschönen Guesthouse. Warmes Wasser nur morgens und abends zwischen sieben und neun, „due to the gas crisis“.

Ach, unser Guesthouse. Der Fahrer parkte auf 20160223-Kathmandu-Nikon-04dunkler Straße neben einem Haus, das in Folge des Erdbebens mit Holzlatten abgestützt ist. Er führte uns zu einem verschlossenen Holztor, dass von zwei großen steinernen Löwen eingerahmt wurde. Was für ein Eingang zu einem Hotel, dachte ich. Er musste zunächst per Telefon jemanden herbeirufen, der das Tor aufschloss. Dahinter aber befand sich ein Platz, umgeben von schmalen mehrstöckigen Häusern, in der Mitte kleine Stupas, Buddhafiguren und allerlei anderes. Wir liefen über den dunklen Platz zu unserem Guesthouse in einem wunderbaren historischen Gebäude. 20160224-Kathmandu-Nikon-06Verschlafen grüßte uns der Rezeptionist, schlug vor, dass wir die Formalitäten am Morgen erledigen könnten und führte uns über eine schmale Holztreppe in den ersten Stock zu unserem Zimmer. Holzfußboden, dunkle Holzdecke, Backsteinwände, ein Traum! Und blitzesauber. Zwei Fenster auf den Platz raus sorgen für Überblick und er zeigte uns eine Art Steppdecke, die man vor die Fenster hängen kann. Nicht damit die Kälte draußen bleibt, sondern zur Schallisolation. Lärm können wir uns hier gar nicht vorstellen, es ist so still wie schon lange nicht mehr. Wir sinken ins Bett, kriechen unter die warme Decke und sind sofort eingeschlafen. Etwa um fünf Uhr morgens verstehen wir dann, warum es diese Steppdecken gibt: der Tag wird mit einer religiösen Zeremonie im wahrsten Sinne des Wortes eingeläutet, eine große Glocke wird geschlagen, die Hunde fangen an zu heulen, jemand bläst ein Horn, Gesänge setzen ein. Gut, die Glocke ist laut und durchdringend, sie verstummt zum Glück nach etwa fünf Minuten. Wir drehen uns um und lassen uns von den Gesängen in den Schaf wiegen.

Drei Stunden später beginnt der P1070960Tag mit einer heißen Dusche und einem wunderbaren Frühstück auf der Dachterasse. Ein warmer Haferflockenbrei ganz nach meinem Geschmack, Toast und Ei, gute Grundlage für einen aufregenden Tag. Recht bald treten wir durch das Tor auf die Straße und beginnen unsere Wanderung durch die Stadt. Was wir denn heute machen wollen, fragte uns der freundliche Rezeptionist. Einfach mal schauen, antworteten wir.

20160224-Kathmandu-Nikon-09Was für eine Stadt! Es gibt sie doch, die Zeitmaschine. Hohe Häuser, enge Gassen, buntgekleidete Frauen, kleine Läden, über allem der Duft von Räucherstäbchen. An jeder Ecke ein kleiner Tempel, immer wieder tritt man durch Tore in große Innenhöfe oder Plätze wie der, an dem unser Guesthouse liegt. Das Leben scheint gemächlich, Menschen sitzen zusammen, Kinder spielen drumrum, die Händler kommen in die Innenhöfe, auf Fahrrädern präsentieren sie ihre Waren, Wäsche wird gewaschen, an großen Zisternen Wasser geholt und es wird viel gebaut. Viele Häuser werden noch abgestützt, bei einigen stehen noch Grundmauer, andere sind ganz verschwunden. Bauen ist hier absolute Handarbeit, die Backsteine scheinen 20160224-Kathmandu-Nikon-15selbst fabriziert, es wird mit Hacken und Schaufeln gearbeitet, Bagger oder gar Kräne sieht man nicht. Wahrscheinlich haben wir Glück, dass der Verkehr durch die Blockade reduziert ist, trotzdem hupt es überall um uns 20160224-Kathmandu-Nikon-24herum. Durch unsere Indienaufenthalte sind wir ja einiges gewohnt und bewegen uns mit Gelassenheit über die chaotische Hauptstraße. Die Luft ist staubig, viele Menschen verwenden Schutzmasken und auch uns juckt der Dreck in Nase und Hals. Ansonsten liegt zwar viel Müll herum, aber uns scheint es deutlich sauberer als Indien, Kühe gehören hier nicht zum Straßenbild und entsprechend auch nicht ihre Ausscheidungen und die Kloakendüfte, die sogar in Thailand immer wieder durch die Straßen waberten, riechen wir hier nicht.
Wir finden einen Buchladen und kaufen uns einen Reiseführer, ein 20160224-Kathmandu-Nikon-40klein bisschen Orientierung ist dann doch nicht schlecht. In einem Café genießen wir unseren ersten Gewürztee und am Mittag in einem Restaurant nahe des zentralen Durbar, einem der drei Königsplätze in der Stadt, die ersten Momos. Die gefüllten Teigtaschen kennen wir schon aus Indien, diese sind voller knackigem Gemüse und mit einer köstlich-scharfen Linsensoße.20160224-Kathmandu-Nikon-61

Eigentlich möchte man sich stundenlang auf einen der Plätze setzen und nur Menschen und Szenerien betrachten. Aber: warum eigentlich nicht? Erschlafft von den vielen Eindrücken beschließen wir heute, es sehr gemütlich angehen zu lassen und genau das zu tun. Also, weitere Berichte werden folgen!

 

 

Distanzlos

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Eine Stunde noch und unsere Malaysia Airlines Maschine wird in Kathmandu landen. Gerade überfliegen wir Bangladesh, eigentlich auch eines meiner Ziele auf der Reisewunschliste bevor wir von zuhause aufbrachen.
Aber im Moment ist uns eigentlich eher nach einem ruhigen und geordnetem Ort zumute.
Ich gebe es zu: Kathmandu und Nepal überhaupt, werden dieser Sehnsucht garantiert nicht gerecht. Als wir uns die letzten Tage darüber Gedanken machten, wohin wir in der uns so offen stehenden Welt als nächstes reisen werden, da kamen in der Tat ernstgemeinte Überlegungen zu Italien auf. Vielleicht ist es ja so, dass wir anstrengende Länder doch eher in Einmonatdosen bewältigen? Unsere Reisen können ansonsten sehr gerne nach Indien, Sulawesi oder Kambodscha führen. Aber klar -nach vier Wochen hatte man wieder sein geregeltes Zuhause.

Und jetzt? Jetzt landen wir gleich in Nepal,
Schon im Flieger stellen wir einen Wandel fest. Außer uns sind vielleicht gerade einmal noch fünf andere Westler an Bord. Der Rest sind auffallend kleine und braungebrannte, sehr dünne Menschen, die einem, sagen wir mal recht eigenwilligen Modetrend folgen: T-Shirt, enge und am Hintern tief sitzende Jeans über spindeldürren Beinen, Kunstlederjacke und Baseballcap.
Sie haben alle Freude daran, die Klingeltöne ihrer Handys laut abzuspielen und unterhalten sich im Flieger von Reihe zu Reihe geradewegs so, als kommunizierten sie von Berggipfel zu Berggipfel.
Mein Nebensitzer ist auch einer von ihnen. Als wir auf die Startbahn zurollten, da hantierte er noch mit seinem Handy herum und hatte das Tischchen noch im Einsatz. Der Steward forderte ihn auf, dieses nach oben zu klappen. Beim ersten Mal fühlte er sich nicht angesprochen und beim zweiten Mal war zu erkennen, dass er gar nicht wusste, was der Herr von Malaysia Airlines von ihm wollte. Er sah ihn fragend und treuherzig in die Augen und versuchte sein Glück, indem er ihm die Zeitschrift entgegenstreckte, die er auf der Ablage deponiert hatte. Vergebens -der Uniformierte gab wieder Laute von sich, die er nicht verstand. Ich schritt ein und übernahm für ihn das Einklappen des Tischchens. Ab da schien ich der wissende Onkel zu sein, denn als später die Einreisekarten ausgeteilt wurden, die man vor der Landung ausgefüllt haben muss, da wandte er sich an mich und stellte nun mich vor das Problem, vor dem kurz zuvor er selbst noch stand: er redete auf mich ein, mit dem Zettel gestikulierend. Ich schloss, dass er nicht verstand, wo er was einzutragen hatte. Leider konnte ich ihm da ja nicht weiter helfen. Doch redete er noch immer auf mich ein. Ich vertiefte mich in den Zettel und als ich ihn wendete, da sah ich, dass das ganze auf der Rückseite in nepalesisch geschrieben war. Also nahm ich ihm sein Blatt aus der Hand und wendete es -und schon legte er los.
Wenig später offenbarte sich, dass er wohl noch nie geflogen war. Mal abgesehen davon, dass er sowieso auf meinem Platz saß, erschloss sich ihm auch das Entertainmentsystem nicht. Bis er sich gegen später bei mir abschaute, wo in der Armlehne die Kopfhörer eingesteckt werden, hatte er sie nur als Ohrwärmer oder als Schallschutz aufgesetzt.
Einen Film zu starten., das war ihm aber dann wohl doch nicht gelungen, denn immer wieder überbrückte er die in einem Flieger ohnehin geringe Distanz und streckte interessiert seinen Kopf in meinen Monitor.
Gegen später gab er auf und schloss die Augen. Klein gebaut, stellt es für ihn kein großes Problem dar, es sich in seinem Sitz gemütlich zu machen. Aber offenbar muss Körpernähe her. Also drückte er sein Schienbein an meine Wade und schlief ein. Körperkontakt ist ja doch in viel mehr Ländern üblich als man denkt. Ich hielt dagegen und wich nicht aus, doch störte ihn dies nicht. Aber ich spielte mit und sah es als eine Art Eingewöhnungsphase für das, was da auf mich wartet.
Das Landemanöver ist in vollem Gange. Längst wurden alle aufgefordert sich zu setzen, anzuschnallen und alle elektronischen Geräte abzuschalten. Die Stewardessen und ihre männlichen Kollegen wirken ein wenig verzweifelt. Schnell eilen sie durch die Reihen und fordern die Passagiere mehrfach auf, sich anzuschnallen. Immer wieder müssen sie dafür entsprechende Gesten machen, da sie in ihrem Englisch nicht verstanden werden und die Menschen offenbar nicht wissen, dass das normal ist. Schnell rennt einer noch auf die Toilette -husch, ist er ihnen entkommen.
Die Landung wird denn auch ein wenig holprig und während wir noch in voller Fahrt sind, hört man massenhaft das Klickgeräusch sich öffnender Sicherheitsgurte -zwei Minuten am Platz festgebunden zu sein, das war den meisten dann offenbar doch zu lange.
Ich bin gespannt auf Kathmandu.
Wir fahren mit dem Bus über das Rollfeld und werden in das Ankunftsgebäude geleitet. Wir sind darauf vorbeireitet, dass es bei dieser Einreise zu Komplikationen kommen könnte, denn wir haben tatsächlich kein gültiges Weiterflugticket bei uns. Unsere Versuche vom Vorabend, die scheiterten einmal mehr an der zusätzlich eingebauten, unsäglichen Verifizierung der Kreditkarteninformationen über die Seiten der Kreditkartenbetreiber und so war uns nichts anderes übrig geblieben, als uns eines Tricks zu behelfen. Eine Fluglinie bot eine Möglichkeit an, einen Flug jetzt zu buchen und dann innerhalb 24 Stunden in einem der Partnerbüros zu bezahlen. Es war klar, dass wir das gar nicht schaffen würden, doch was wir durch dieses Vorgehen erhielten, das war eine Buchung, die 24 Stunden aufrecht erhalten wurde und dann verfallen würde. Und dadurch hatten wir ja immerhin etwas in der Hand, auch wenn auf dem Schreiben vermerkt war, dass der Flug nach Ablauf der Frist verfallen würde.
Das zweite Thema war das Visum. Wir hatten zwar gelesen, dass es bei der Einreise über den Flughafen in Kathmandu direkt beantragt werden könne, man solle aber ein aktuelles Passbild und viel Zeit mitbringen.
Beides erwies sich als absolut problemlos. Keiner wollte dieses Mal etwas von einem Weiterflug wissen (vielleicht auch, weil er im System vermerkt war?) und die Einreise war äußerst unkompliziert und schnell über di Bühne gegangen. Als Ausländer wurden wir an einen Automaten verwiesen, an dem ein Mann stand. Ihm reichte man seinen Reisepass, den er dann in den Automaten einscannte. Die Felder, die er dort nicht auslesen konnte, die trug man schließlich selbst über eine Tatstatur in das Gerät ein. Über eine Web-Cam wurde noch ein undeutliches Foto geschossen und als Dankeschön druckte der Automat einen Beleg mit allen Informationen aus. Sodann begab man sich an Schalter zwei, an dem die Visumgebühr in Dollar beglichen wurde und schließlich zu Schalter drei, an dem dann der Grenzbeamte saß und alles schön abstempelte. Alles zusammen dauert (mitten in der Nacht) vielleicht fünfzehn Minuten. Das war’s!
Unsere Unterkunft hatte uns davon überzeugt, dass es besser sei, sich von einem Fahrer am Flughafen abholen zu lassen, der weiß, wo das Gueshouse zu finden ist. Und so hatten wir das erste Mal in unserem Leben das Vergnügen, die Reihen der vor der Ankunft Wartenden abzuschreiten und nach einer Person mit einem Schild mit unseren Namen darauf Ausschau zu halten. Den fanden wir schnell und schon saßen wir in seiner wackeligen Kiste, unterwegs auf unebenen Straßen in Richtung Innenstadt. Er erklärte die langen Reihen von Bussen, die überall an den Straßenrändern zu sehen waren. Nepal hat nach dem Erdbeben im vergangenen Frühjahr nun schon seit Monaten mit einer menschengemachten Katastrophe zu kämpfen. Nach langer Zeit wurde vor kurzem eine neue Verfassung verabschiedet, an deren Ausarbeitung sich besonders stark auch die indische Regierung eingebracht hatte. Leider fühlen sich nun aber nichtsdestotrotz Volksgruppen an der Grenze zu Indien nicht genügend repräsentiert und so starteten sie immer wieder Generalstreiks, die auch die Wege zu den Grenzen mit Indien blockierten. Da dies über mehrere Monate erfolgte, ist die Versorgungslage Nepals extrem angespannt. Nepal ist ein Binnenland und hat zwei große Nachbarn, über die ein Großteil der Versorgung des Landes mit wichtigen Gütern erfolgt. Das Erdbeben hat die Versorgungswege nach China zerstört und die Streiks jene nach Indien unpassierbar gemacht. Die Folge sind unter anderem eine Benzinknappheit. Unser Fahrer erklärte, dass sich die Situation bereits wieder entspannt habe, da die Streikenden ihre Aktionen circa zwei Wochen zuvor beendet hätten. Die Autoschlangen seien vor kurzem noch viele Kilometer pro Zapfsäule gewesen und die Preise für den Sprit horrend.
Als wir schließlich am Guesthouse ankamen, da war es in den Straßen stockdunkel und ruhig. Wir stiegen aus dem Wagen und standen vor einem Haus, dessen Fassade mit Holzbalken gegen einen drohenden Einsturz abgestützt werden. „Here is your guesthouse“, sagte der Fahrer und fügte hinzu, wir könnten unbesorgt sein. Zwar habe es erst vor fünf Tagen ein Nachbeben von einer Stärke über fünf gegeben und er sei, beim Versuch das Haus zu verlassen, wie betrunken hin und her getaumelt. Doch geschehen sei nichts. Und außerdem: Dieses Haus mit den Balken, das sei es nicht. Wir standen vor einem großen alten Tor, das eher der Eingang zu einem Tempel zu sein schien. Das Tor war verschlossen und so telefonierte der Fahrer mit den Betreibern des Guesthouses. Hinter dem Tor sei ein großer Platz, erzählte er uns beim Warten. Das sei gut für uns, denn wenn die Erde bebt und unsere Unterkunft einstürze, dann hätten wir da einen Raum, um ein Zelt aufzuschlagen. Very funny unser Fahrer…
Schließlich öffnete sich das Tor und wir werden über den fußballfeldgroßen Platz, der nahtlos von Häusern umbaut ist, zu unserem Zimmer geführt. Alles sehr sauber und nett und dafür geeignet, unmittelbar in den Schlaf hinüber zu gleiten.

Globonauten reunited

Der Gegensatz könnte kaum extremer sein. imageEben noch im friedlichen Sukhothai mit Kleinstadtfeeling hinein ins wilde Rotlichtviertel Nana in Bangkok. Das Hotel war gut besprochen, ist stylish, günstig und zentral, dass drumherum 24 Stunden Nachtleben tobt, war mir nicht klar. Nun denn, wir wollten diesmal ins pralle Leben in der Nähe der großen Shoppingcenter und das ist uns gelungen. Und es gehört nun mal leider auch zu Thailand, die Bars, in denen 24 Stunden am Tag die Mädels darauf warten, für ein paar Tage einen Europäer oder Amerikaner zu ergattern, der sie ausführt und finanziert. Für die Typen, die dort unterwegs sind, verdient man aber auch reichlich Schmerzensgeld…

Seit Mittwoch sind wir wiedervereinigt. Ganz komisch am Anfang, wieder zu zweit unterwegs zu sein, aber gerade in der chaotischen Metropole Bangkok macht es viel mehr Spaß, zu zweit durch die Gegend zu ziehen. Und wir sind beide nach längerem Landleben doch recht wild auf die IMG_0318Zivilisation. Wo könnte man die besser genießen als in einem Shopping Center, zumal wenn es in Bangkok steht. Eigentlich hatte ich von den japanischen Städten erwartet, dass sie mit futuristischen Einkaufstempeln aufwarten, hier sind sie aber noch einen Tick größer, bunter, exklusiver, einfallsreicher, humorvoller. Wie das „Terminal 21“, in dem einem der Sicherheitsmann am Eingang in strahlend weißer
Traumschiffuniform salutiert, die Damen am Infoschalter bunte Stewardessen-Outfits tragen und jedes Stockwerk sehr detailverliebt einer Stadt nachIMG_0316empfunden ist. In San Francisco läuft man über Cable Car Schienen auf die Golden Gate Bridge zu, in Istanbul wandelt man unter hunderten orientalischer Leuchter durch einen Souk, in London wechseln sich bunte Designerläden mit roten Telefonzellen und allerlei britischem ab und in Tokio treffen wir auf die rote Torii und futuristische Roben. Und auch für Entertainment ist gesorgt, eine japanische Boyband entertained die Teenies (und uns auch kurz) und kulinarische Köstlichkeiten gibt es an jeder Ecke.

P1070952Natürlich stoßen wir hier auch wieder auf P1070950 (1)die großen Restaurant-Ketten. Ronald McDonald grüßt auf thailändisch, so viel Humor hätte ich denen gar nicht zugetraut. Die Supermärkte halten erstaunliche Dinge vor. Na, Appetit auf einen Kaffee mit Collagen? Oder Kitkat mit Rote-Bohnen-Füllung? Popcorn mit Karamell und Käse? Könnt ihr hier alles haben!

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Aber das absolute Essens-Highlight wartet in einer leicht heruntergekommenen garagenähnlichen Halle auf uns. Tagsüber werden hier billige Klamotten verkauft, am späten Nachmittag werden Tische und Plastikstühle aufgebaut, an den Eingang kommen mobile

IMG_0300Kochstationen, Fische und allerlei Meeresgetier werden auf Tischen präsentiert. Der „shabby chic“ ist nicht gewollt, aber in Berlin oder New York wäre das eine absolute In Location. Und das Essen! So köstlich! Die Tische sind überladen mit Köstlichkeiten, gegrillte Fische, Meeresfrüchtecurrys, gebratene Gemüse aller Art. Oh, wir sind im Paradies und das für knapp 10 Euro zu zweit. Mit Bier.

Aber Globonaut sein heißt ja auch, sich nicht nur dem süßen Nichtstun hinzugeben. Und wir müssen entscheiden, wie die Reise weitergeht. Zwar haben wir zwei Flüge nach Myanmar, aber die waren vor allem dafür da, bei unserer Einreise nach Thailand das erforderliche Weiterreiseticket vorzeigen zu können. Wir haben beide die Wochen hier genossen, aber wir sind auch beide etwas südostasiensatt. Und so schauen wir, was es sonst so für Möglichkeiten gibt. Südamerika ist so weit, da bräuchte es mehrere Zwischenstopps. Afrika, da müssen wir noch hin. Wie wäre Äthiopien? Oder mit besserer touristischer Infrastruktur Namibia, Südafrika oder Botswana? Hm. Jordanien, wollten wir doch immer schon mal, aber ne, da ist es kalt. Ganz leichte Sehnsucht haben wir nach Europa, vielleicht Süditalien? Wir entdecken einen sehr günstigen London-Flug. Aber England im Februar? Und da haben wir doch angefangen. Und dann noch ein Schnäppchen: Kathmandu. Ein kurzer Blick in die Klimatabelle, da ist es ja richtig warm. Und das Erdbeben? Es gibt immer wieder Nachbeben, aber die Infrastruktur ist ok und die Leute sind dankbar, wenn der Tourismus wieder anläuft. Und schließlich bebt es auch in Christchurch noch häufig, in Kagoshima spuckte der Vulkan vor kurzem wieder und wir erinnern uns an die Schweizer Mone und Mike, die kurz nach dem Beben in Nepal waren und Hilfsgüter verteilten. Also wird es Kathmandu. Übermorgen geht es los. Katmandu, I’ll soon be seeing you!

Noch mehr Buddhas und ein Abschied

16.02.2016

Die Zeit des Alleinreisens neigt sich dem Ende zu. Morgen früh um halb neun fährt mein Bus nach Bangkok ab, am Donnerstag steht der fast schon obligatorische Königspalast auf dem Programm und am Freitag treffe ich Eric wieder.

Ja, wie war es? Anders.

Ich glaube, allein reisen macht aktiver, mich zumindest. Komisch, warum das so ist, aber das kenne ich auch von zuhause.

Die drei Wochen kamen mir viel länger vor. P1070849Wenn ich da an Australien denke, da schien die Zeit zu fliegen. Hat das was mit dem Land oder mit dem Alleinsein zu tun?

Jedenfalls habe ich (mal wieder) festgestellt, dass mir allein nicht langweilig wird. Das ist eine gute Aussicht für das zweite Jahr meiner Auszeit.

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Lag es vielleicht auch daran, dass ich immer etwas länger in eher untouristischen Orten blieb? Na ja, zwei Nächte in Chiang Mai, sechs in Pai, vier in Lampang und zur Zeit sieben in Neu- und Alt-Sukhothai, so wirklich kann man da nicht von länger sprechen. Und außer Lampang werden auch alle Städte durchaus von Touristen heimgesucht. Aber trotzdem kam es mir in überall sehr schnell so vor als wäre ich schon lange Zeit dort. Sofort war eine gewisse Vertrautheit da und speziell in Nordthailand kommt die große P1070835Gelassenheit und Freundlichkeit der Menschen dazu, die mir das Gefühl vermittelt hat, eine gern gesehene Besucherin zu sein. Nie habe ich mich irgendwo unsicher gefühlt, wurde bedrängt oder so übers Ohr gehauen, dass es weh getan hätte. Hätte ich außer „Vielen Dank“ wenigstens ein paar Worte Thai verstanden, wären die vielen kleinen Begegnungen noch intensiver gewesen: die alte zahnlose Frau, die sich sorgte, dass ich zu viel Sonne abbekomme, ihren Schattenplatz für mich räumte und mir noch ein Glas Wasser besorgte. Die Marktfrauen, die erschöpft vom Besuch einer großen chinesischen Touristengruppe ihre Wassermelone mit mir teilten. Mein P1070836großartiger Guide im Tempel in Lampang. Und viele lächelnde Menschen mehr. Das Radfahren war hier bestimmt ein wichtiger Faktor, ich kam so schnell in Gegenden, in denen man Fremde selten sieht. Das Tempo, zu dem man mit den alten Gurken mit regelmäßig zu niedrigem Sattel fähig ist, entschleunigt automatisch.

In der Stadt hat man radelnd zudem keine Chance, wenn man sich nicht eine gewisse Gelassenheit aneignet. Im Stuttgarter Stadtverkehr konnte ich ja in Sachen Fahrrad in den Monaten vor unserer Abreise schon Erfahrungen sammeln, so dass es mir hier überhaupt nicht schwer fiel, mich in den dreispurigen Kreisverkehr hinein und auch wieder heraus zu schlängeln. Immer in Bewegung bleiben, möglichst nicht anhalten, lieber mal etwas Tempo rausnehmen, so machen es die Thais und die Tatsache, dass die Bremsen meiner Räder sowieso selten taten, half mir dabei, es ihnen gleich zu tun.

Ich bin mittlerweile nach Alt-Sukhothai umgezogen, um näher an den Ruinen zu sein. Ein sehr hübscher Bungalow, in dem die Massagefrau ins Zimmer kommt, hat mir den Abschied aus der Neustadt erleichtert. Und gestern Abend wollte ich erstmalig austesten, wie das so ist, abends im Park. Mit großer Enttäuschung las ich im Hotelprospekt, dass der Park um 18 Uhr schließt. Also kein Sonnenuntergang mit Buddha. Allerdings empfahl der selbe Prospekt die Sicht ab halb sieben, weil da der Dunst des Tages zurückgegangen sei. Hmm

Ich verbrachte einen schönen Spätnachmittag auf P1070855einem sonnengeschützen Plätzchen am See, mit Blick auf den Haupttempel. Pünktlich um sechs dann Musik aus den Lautsprechern und eine Durchsage. Gut, jetzt macht er wohl zu, der Park. Ich schwinge mich aufs Fahrrad und radle zum Haupttempel, da können sie mich ja verscheuchen, wenn sie wollen. Es sind kaum weniger Leute dort als noch vor sechs und niemand macht Anstalten zu gehen. Die Händler im Park packen ihre Sachen zusammen und ziehen ab, die Besucher bleiben, wo sie sind und vermehren sich sogar noch. Zum P1070916Sonnenuntergang ab halb sieben bringen sich diverse Photographen in Position

Leute joggen, radeln, laufen ungehindert auf den kleinen Straßen, hier schließt offensichtlich nur der Ticketverkauf. Ich erlebe einen grandiosen Untergang der blutroten Sonne, versuche mich in Gegenlichtaufnahmen und erst der Hunger treibt mich um sieben in eines der Restaurants. Und um acht muss ich ja in meinem Bungalow sei. Die Massage ruft

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17.02.2016

Und schon sitze ich im Bus nach Bangkok, Doppeldecker und VIP. Für acht Euro bekomme ich einen bequemen Sitz, eine Stewardess an Bord, die Kekse und Wasser verteilt, P1070939eine Gardine mit Troddeln und einen Fernseher mit James Bond-Film in der thailändischen Synchronfassung. Seit Roger Moore machen die einfach keinen Spaß mehr… Draußen ziehen Reisfelder vorbei und in etwa vier Stunden werde ich in Bangkok sein. Es war schön in Thailand und ich bin froh, nicht auf Strände und Meer gesetzt zu haben. Was leider gar nicht geklappt hat, war mein ursprünglicher Plan, einen echten Yogaurlaub zu machen. Außer in Chiang Mai habe ich nirgendwo Yogastudios gefunden und obwohl ich meine Yogamatte jetzt schon um die halbe Welt geschleppt habe, bringe ich einfach nur äußerst selten die Disziplin auf, für mich selber Yoga zu machen. An dieser Stelle mal ein ganz lieber Gruß an meine phantastischen Yogalehrerinnen Christine und Maria, ohne euch wird das einfach nichts…. Aber nichtsdestotrotz: es war toll, trotz der Touri-Ströme kann ich Thailand nur empfehlen, eine tolle Mischung aus wunderbarer Landschaft, freundlichen Menschen, Spiritualität, einmaligem Essen und Wellness satt – eben perfekt für die alleinreisende Globonautin!

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Can’t get no sleep

Ich kann nicht schlafen

Was ist los?
Warum bin ich nicht müde?
Auf Kho Phayam, der Insel auf der ich fünf Tage verbrachte, da hätte ich es ja verstehen können. Dort hatte ich in einer Hütte gewohnt, in der es keine Klimaanlage hatte, sondern einen einfachen Ventilator. Der hatte aber selbst auf Stufe drei keine Chance, das sehr dicht gewobene Moskitonetz zu durchdringen, das mir zwar einen Schutzraum vor den blutsaugenden Plagegeistern in der Nacht bot, mir andererseits aber auch schweißtreibende Stunden bescherte.
Strom gab es immer nur zwischen 18:00 Uhr und 06:00 Uhr. Er wird von einem Dieselgenerator erzeugt, der mich in den ersten drei Nächten zusätzlich zur Hitze vom Schlaf hätte abhalten können. Doch war das alles kein Problem. Im Gegenteil: Ich war regelmäßig um halb zehn Uhr so müde, dass ich spätestens um 22:00 Uhr im Reich der Träume weilte.
Und jetzt? Zurück auf dem Festland? Zurück in Ranong, der Stadt an der Grenze zu Burma? Und zurück in „The B“, dem coolen Hotel, das so wirkt, als sei es in einer ehemaligen Fabrik erstellt worden?
Hier trocknet die Klimaanlage die tropisch feuchte Luft. Kein Tröpfchen Schweiß auf meiner Haut, keine Kakerlaken beim nächtlichen Gang auf die Toilette und dennoch bekomme ich kein Auge zu.
Irgendetwas ist im Gange!
Irgendetwas stimmt nicht!
Ich habe keinen Hunger!!
Und was hatte ich heute zu essen? Ich kann mich kaum erinnern. Ich bin so geschwächt. Lasst mich nachdenken -meine letzte Mahlzeit liegt 16 Stunden zurück. Es war das Frühstück! Nach und nach erscheint es wie ein Traum vor meinen Augen.
Es war gut!
Und ich hatte einen Bärenhunger.
Ein Haferflockenmüsli mit Obst und lecker Milch!
Ich glaube, ich liege im Fieber und es ist eine Erinnerung von zuhause…
Ich verputze das Müsli restlos. Und dann kommt ein Omelette dahergeschwebt.
Ein saftiges Omelette mit Zwiebeln und Pilzen und verschiedenen Käsen und dazu zwei Scheiben Vollkorntoast. Schnell rein mit Dir in meinen Magen, bevor mich dieser Traum verlässt!!
Aber nein! Es war so. Ich habe es alles so gehabt, im Cha Chai -so heißt das open-air Restaurant auf meiner Insel. Es gibt hier ausschließlich vegetarische Küche. In der Speisekarte werden 99 Gründe für die Fleischlosigkeit genannt. Ich habe nur eine einzige Missetäterin erwischt, die sich davon nicht überzeugen ließ: die süße kleine Katze. Sie biss immer wieder herzhaft in die Echse, die bereits vergeblich versucht hatte, ihr Leben für ihren Schwanz zu tauschen. Während wir Menschen unser höheres Sein durch wirklich köstliche Enthaltsamkeit demonstrierten, folgte das Schmusetier seinem grausamen Jagd- und Spieltrieb. Schau mich an, Pusy Cat! Vielleicht schaffst Du es in einhunderttausend Jahren ja auch noch!
Oh, ich fantasiere. Ich schwöre: Dies war meine einzige Mahlzeit heute! Zwei geeiste Kaffee und eine Cola noch. Mehr war da nicht. Ich hatte keinen Hunger mehr. Etwas stimmt also nicht.

Ich kann nicht schlafen.
Ich weiß genau ich kann es!
Nach drei Nächten gab mir Lek, mein Hüttenwirt, einen Upgrade.
Ich hatte es geschafft! Der Durchbruch! Ich durfte raus aus Hütte zehn und damit weg vom Generator. Und als wäre dies nicht genug, nein! Lek, welch Traum, ich bekam die 6! Danke Lek! Lakeview! Ein Volltreffer!!
Nein, nein, geneigter Leser -nicht jedem wird dieses Privileg zuteil. Ich hatte es geschafft, hatte Leks Vertrauen gewonnen, fühlte mich geadelt wenn er mich mit seinem thailändischen Akzent ‚Äric‘ rief. Gute alte Freunde!
Noch nicht einmal der Holländer hatte das geschafft.
Nein!
Der Holländer, der sich seit Ende Oktober wahrhaft dafür abgestrampelt hatte, hierher zu Lek an den Lake zu kommen. Gemeinsam mit seiner Frau war er in China mit dem Tandem gestartet und hatte schon über 4.000 km auf dem Gesäß. Und dennoch mussten sie in letzter Reihe in den bescheidenen Bambushütten ihr Dasein fristen. Mit Tandem.
Wie es aber die britische Familie nach Nummer vier und damit neben mich geschafft hat, das wird für immer ein Mysterium bleiben.
Anfangs, als ich die Drei das erste Mal am Abend registrierte, da hatte ich ein wenig Mitleid für das kleine Mädchen empfunden. Es war so fröhlich und tanzte herum -leicht übergewichtig in seinem rosa Tüllkleidchen.
Es ist 01:45 Uhr in der Nacht. Ich fantasiere. Ich sehe rosa Elefanten. -Streicht den letzten Satz bitte.
Aber was jetzt kommt, das stimmt ganz in echt:
Mama, nennen wir sie Brittanie, hustete sich von morgens fünf die Seele aus dem Leib. Ich fühlte mich erinnert an meine Zeit im Lungenkrankenhaus, in dem die krebskranken alten Männer die selben Laute von sich gaben und vernünftiger Weise dennoch auf der Toilette heimlich ihre Zigarren rauchten.
Mein Mitleid für das Mädchen wandelte sich. Das arme kleine Ding. Ist dies die letzte gemeinsame Traumreise einer bald nur noch zweiköpfigen Familie? Wird hier gerade ein letzter Wunsch erfüllt?
Aber nein! Fast schon überglücklich und erleichtert konnte ich dieses trübsinnige Szenario beerdigen.
Denn Brittanie schien nur in einem Frauenkörper gefangen zu sein. Bald schon gesellte sich zu dem tiefen Röcheln auch ein Gerotze und Ausspeien und Konversatzion wie durch das MEGAFON hinzu und mit einmal erstrahlte die Welt wieder in voller Blüte -Brittanie hatte nur eine schlechte Kinderstube!
Oder aber einen chinesischen Papa.
Eric!!
Pfui!
Halte an Dich! Komme zu Dir! Versuche Dich zu erinnern. Das alles -es sind die reinen Hungerhalluzinationen.
Denke an was Schönes.
Ja, Du Stimme aus dem Licht. Du hast recht.
Oh, ein Seeadler. Zwei, drei -nein viele! Dazu ein Eisvogel. Und da! Ein Schwarm von Hornbills boaaaah, sind die aber toll. Die haben aber einen großen Schnabel.
Und das Meer!
Der Strand!
So weit und so leer.
Schau mal: Ich gehe auf dem Meeresgrund -wo ist all das Wasser hin? Ist da am Horizont das große Seeungeheuer, das alle sechs Stunden das Wasser verschluckt?
Bestimmt! Das muss es doch auch. Denk doch mal nach! Jeden Abend muss es ja auch den leuchtend roten Feuerball fressen, der da immer vom Himmel fällt. Und da bekommt es halt ganz großen Durst.
Aber pssst!! Nix erzählen! Da auf der Insel, da ist es gar nicht schön.
Braucht Ihr gar nicht hin!
Da ist nix.

02:38 Uhr. Ich kann nicht schlafen.