Lächelnde Buddhas, befreite Vögel und ein unsichtbares Fest

Diesen Beitrag kriegt ihr nur und jetzt, weil sie ohne mich feiern, diese Thais. Ich kann es genau hören und jetzt schon den zweiten Abend, aber ich finde es nicht: das unsichtbare Fest. Gestern Abend schon wummerte die Musik und ich hielt es natürlich für die Siegesfeier des FC Sukhothai. Die Freude sei ihnen gegönnt, sagte ich mir, steckte mir Stöpsel in die Ohren und schlief ab halb elf, vielleicht war es auch 11, selig. Wenn man mich lässt, bin ich offensichtlich doch zu erheblicher Entspannung in der Lage – als ich am Morgen aufwachte, zeigte die Uhr viertel vor 10…. Heute Abend wollte ich dann aber doch am Spaß teilhaben und zog um 21:00 Uhr noch mal los, um die Party zu finden.

Kleine Sentimentalität: mein (Ex-) Balkon!
Kleine Sentimentalität: mein (Ex-) Balkon!

Ich lief durch einsame Straßen, Wohnviertel, in denen noch ein paar Menschen beim Essen oder Fernsehgucken zusammen saßen, sonst aber eher nur Hunde und Katzen meinen Weg kreuzten, alles sehr schläfrig also, wenn da nicht diese Musik wäre. Es hörte sich interessant an, fast wie das Robbie Williams Konzert auf dem Cannstatter Wasen in Stuttgart, bei dem ich auf meinem Balkon dank günstiger Windrichtung fast jedes Lied mitsingen konnte. Aber diese Fete lässt sich einfach nicht lokalisieren! Nach einer halben Stunde gebe ich auf, sichte einen 7/11 (warum bitte gibt es die bei uns nicht?) und beschließe, den Abend mit einem Fläschchen Chang Bier auf meiner Veranda ausklingen zu lassen. Und deswegen wird es jetzt diesen Beitrag geben.

P1070725Also, trotz späten Starts heute morgen war der Ausflug nach Alt-Sukhothai ein sehr schöner. Mit dem Sammeltaxi ging’s bis zum Fahrradverleih ( was der den Chauffeuren wohl zahlt, damit sie die Kunden direkt vor seinem Geschäft aussteigen lassen?). Mein Auge fiel auf ein cremefarbenes Retromodell, ich fragte den Verleiher, ob er auch welche mit Gangschaltung hätte, da zeigte er mir stolz die funktionierende Vorderbremse. Hinterbremsen sind auch völlig überschätzt und P1070736
eine Gangschaltung brauchte ich tatsächlich nicht, der „Historical Park“ ist topfeben, deswegen wurden wir uns handelseinig. Also rein in den Park, Weltkulturerbe seit 1991 und Heimat der Überreste der Hauptstadt des antiken Königreichs Sukhothai. Dieses bestand vom 13. bis 15. Jahrhundert und aus dieser Zeit sind auch die Ruinen, die im Park zu sehen sind. Unwillkürlich drängt sich mir der Vergleich mit Angkor in Kambodscha auf und damit ist es eigentlich nicht P1070749zu vergleichen. Angkor ist so unglaublich groß und prächtig, dagegen ist Sukhothai eher überschaubar, aber die wissend lächelnden Buddhafiguren schaffen eine Atmosphäre der Gelassenheit und Weisheit, die man auch in Angkor an vielen Stellen spürt. Ich laufe durch die Ruinen, die so verstreut liegen, dass es zu Fuß ganz schön nervig gewesen wäre, lege immer wieder Pausen ein, bleibe fast eine Stunde an einem See sitzen und lese. Irgendwann komme P1070729ich zu einem modernen Denkmal, das wahrscheinlich nur für Thais eine besondere Aussagekraft hat. Ich trinke eine Cola und schlendere herum, da fällt mir ein kleiner Stand mit einem Stapel, der Geräusche von sich gibt, auf. Ich gehe näher ran und sehe, dass die Verkäuferin kleine, winzig kleine Käfige aufgetürmt hat, in denen sich je zwei sehr kleine Vögel drängen. Ich habe das mal in Hongkong gesehen, wilde Vögel werden gefangen und zum Freilassen wieder verkauft, das soll P1070741Glück bringen. Nun denn, mein excellent luck kann ja nie genügend Auffrischung bekommen, aber vor allem finde ich das mit den Piepmätzen ganz schrecklich. Den Brauch werde ich schlecht ändern können, aber wenigstens einem Teil könnte ich doch zur Freiheit verhelfen. Wie viel es denn koste, frage ich sie, sie nimmt zwei Käfige und sagt „100“. Das ist eigentlich zu viel, deswegen frage ich, was ein Käfig kostet. „100“ erwidert sie grinsend., eindeutig nicht zu P1070753Verhandlungen bereit. Na egal, her mit den zwei Käfigen. Sie findet ihre Taktik hervorragend, ruft ihrer Standnachbarin zu: 2 for 100, 1 for 100 und lacht laut. Ich nehme die Minikäfige, ziehe einen Gitterstab hinaus, es dauert kurz, bis die Vögel merken, dass sie sich jetzt in die Freiheit quetschen können, aber dann flitzen sie über den See davon. Na, hoffentlich warnen sie ihre Kumpels!

Die Sonne senkt sich langsam und der freundliche Fahrradvermieter hatte mir gesagt, dass P1070722das letzte Sammeltaxi nach Neu-Sukhothai um halb 6 zurückfährt. Also mache ich mich langsam auf den Rückweg, gebe das Fahrrad zurück und will mich eigentlich noch in eins der Cafés setzen, da fährt ein Sammeltaxi an mir vorbei. Ach egal, denke ich mir, laufe hinterher, der Fahrer bremst kurz, ich springe auf und fahre zurück. Ein leckeres Abendessen und einen Entspannungsstopp in meinem Bungalow später mache ich mich dann auf die Suche nach dem unsichtbaren Fest, womit wir wieder am Anfang der Geschichte wären…

 

Olé Olé Olé Olé!

Guten Abend, liebe Freundinnen und Freunde, heuteIMG_0284 berichte ich LIVE vom großen Finalkampf des FC Sukhothai in Orange gegen die Blauen (Name konnte ich noch nicht rausfinden). In der zweiten Halbzeit steht es nach anfänglicher Überlegenheit des FCS und kurzen Durchhängern vor der Pause nun endlich verdient 1:0 für Sukhothai. Ich habe mich von meinem Platz direkt vor der Leinwand wegen akuter Mosquitoattacken zurückgezogen an einen der Straßenstände gegenüber, und bekomme bald ein Bier und Nudeln und alles mit, was quer über die Straße rüber passiert. Sollte also zwischenzeitlich ein weiteres Tor fallen – ihr werdet es erfahren!
IMG_0282Die Busfahrt von Lampang nach Sukhothai dauerte entspannte dreieinhalb Stunden. Der Bus sah von außen zwar ziemlich zusammengeflickt aus, drinnen gab es aber bequeme Sitze. Gut, die Stoßdämpfer waren nicht ganz neu und so wogten wir über die Straßen – Oh, einer der Orangen hat eine echte Chance vergeben, so schade – bis wir fast pünktlich in Sukhothai ankamen. Der Taxifahrer nahm mir für einen fairen Preis schon beim Aussteigen das Gepäck aus der Hand und 10 Minuten später war ich im Hotel. Wieder mal ein sehr schöner Bungalow, IMG_0283dunkles Holz, Antiquitäten, große Veranda mit Tagesbett und alles in einem tropischen Garten. Die eigentliche Attraktion der Stadt liegt 12 km weit entfernt in Alt-Sukothai, nämlich eine riesige historische Tempelanlage, die mindestens mit dem Fahrrad durchquert werden muss. Morgen und wenn es toll ist übermorgen noch mal. – Aufregung vor dem Torraum der Blauen, aber Entwarnung. Dafür ist mein Bier endlich da – Das heißt also, morgen mit dem Sammeltaxi nach Alt-Sukhothai und dann wieder rauf aufs Radel – Soeben wurde die Nudelsuppe serviert, das Spiel plätschert eher vor sich hin- .
P1070717Auf das Public Viewing traf ich zufällig, ich hörte laute Musik, sah viele Menschen aufstehen, dachte zunächst, das sei ein rituelles Absingen der Nationalhymne, dann setzten sich aber alle und fingen an zu johlen. Das war eindeutig Fußballjohlen und da sah ich auch schon die riesige Leinwand. Eine stationäre, damit sie hier immer Spaß haben können, das wär doch mal was für uns. Ich ging also hin, sah viele Menschen in orangefarbenen Trikots, ausgerüstet mit kalten Getränken, und wurde sofort und sehr stolz informiert, dass es sich um den lokalen Fußballverein P1070720handele. Ob das das Endspiel um die Meisterschaft oder so sei, fragte ich, verstand aber die Antwort leider nicht. Egal, spannend war es trotzdem. Nach zehn Minuten wummerten laute Bässe los, ich war etwas irritiert, aber die Thais stehen ja auf Lärm. In der Halbzeitpause sah ich dann, dass das mitnichten der Belebung des Spiels dienen sollte, sondern zu einem Freiluft-Aerobic-Kurs gehörte, der nebendran im Park gestartet worden war. Na, wenn schon Spaß, dann alle zusammen. – Oh, böses Foul am Stürmer der Orangen, er lässt sich in den Strafraum fallen, aber darauf fällt der Unparteiische nicht rein!-
Anders als in Lampang bin ich hier doch durchaus wieder unter Touristen. Mein Hotel liegt etwa zehn Minuten von der kleinen Backpackermeile entfernt, ganz ideal, so habe ich beides: die sehr originale Innenstadt mit Markt direkt vor der Tür und die Backpackercafes in Gehweite. – Oh, die Triumphgesänge setzen ein, dabei läuft das Spiel noch. Sogar eine Pauke kommt zum Einsatz. Ob’s jetzt noch einen Autokorso gibt? Die Suppe war übrigens nicht gut. Geschmacklos. Und das in Thailand. Eine Sünde!
Aus! Das Spiel ist aus! Sukhothai gewinnt mit 1:0 gegen die Blauen und damit – äh, den Pokal? Die Meisterschaft? Oder einfach nur das Spiel? Jedenfalls einen Fan mehr ab heute.

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Kein Schiff wird kommen

Krabi war einer dieser seltsamen Orte, die ich nicht verstehe. Ich hatte eine Unterkunft am Strand etwa 25 km westlich der eigentlichen Stadt gelegen und vermutlich war diese Gegend im Vergleich zu anderen hier tatsächlich ein eher ruhigerer Ort. Aber schon der Start, also die Fahrt vom Flughafen zum Hotel bereitete mir Magengrummeln. Für eine vergleichbare Strecke hätte ich an Orten mit wenig Tourismus nur einen Bruchteil gezahlt. Damit ich richtig verstanden werde: 800 Bath sind etwa 20 Euro, also nicht die Welt. Und wenn ich andernorts dafür 400 gezahlt hätte, dann wäre das immer noch mehr als für Einheimische, aber realistisch gewesen. Doch in Orten wie Krabi, da herrschen andere Gesetze, nämlich jene, die die für hier typischeren Touristen zulassen und fördern. Es sind jene, die sich gar nicht erst die Mühe machen, sich mit den Gegebenheiten im Lande auseinanderzusetzen, jene, die auch ohne auf die Verhältnismäßigkeit zu schauen, für eine Nacht in einem Ressort (mit zugegebenem hohen Standard) 270 Euro hinblättern, also etwa 75% eines durchschnittlichen Monatsgehalts eines Thailänders.
In solchen Orten gerät nach und nach alles aus den Fugen und so verwundert es fast schon nicht mehr, dass sich einem hier am Strand auch als erster Eindruck ein praktisch nackter europäischer Frauenleib entgegenstreckt. In dieser Gegend Thailands leben mehrheitlich Moslems -wie ist das doch gleich mit der mangelnden Integrationsfähigkeit und dem fehlenden Respekt gegenüber der „Mehrheitskultur“?
Und ganz klar bekommt man hier auch überall die ganze Palette der westlichen Populärküche angeboten. Das wäre ja noch hinnehmbar, wenn es denn auch original thailändisches Essen gäbe. Aber das zu finden ist hier nicht ganz einfach, denn das, was da allenthalben noch auf der Karte steht, das wurde dem 08/15-wischiwaschi-buäh-mir-ists-zu-scharf-Geschmack der Klientel angepasst.
Also was bleibt da? Die Flucht!
Aber eine Bemerkung noch: Die Landschaft, die ist hier wirklich schön. Der Strand ist ewig lang und überall sind die steil nach oben schießenden und dicht bewachsenen Kalkfelsen zu sehen, die für die Gegend typisch sind.
Ich jedenfalls zog weiter und musste dafür den Wecker um 05:15 klingeln lassen. Ein Wagen brachte mich zum Busbahnhof, wo ich eine Stunde vor Abfahrt des Busses bereits eintraf. Der Eigentümer des Nachbarhotels hatte mich am Abend zuvor etwas verunsichert. Mir war klar, dass es nur zwei oder drei Fahrten von Krabi ins etwa 330 km entfernte Ranong nahe der burmesischen Grenze gibt. Er meinte jedoch, dass es gut sein könne, dass es keine freien Plätze mehr gäbe. Dann hätte ich mit Umsteigen das Ziel zwar auch noch erreicht, wohl aber erst nach Ablegen der letzten Fähre zur Insel Koh Phayam, meinem eigentlichen Ziel.
Doch, wie so oft, war alles kein Problem und genug Plätze frei. Der Bus war bei der Abfahrt sogar zu 2/3 leer. Ich fragte die Ticketverkäuferin noch, wie lange die Fahrt dauern würde. Fünf Stunden, antwortete sie.
Pünktlich um 08:30 Uhr fuhren wir los -und blieben auch schon wieder wenig außerhalb des Busbahnhofs am Straßenrand stehen. Fahrer und Kontrolleur telefonierten leicht hektisch und nach zwei Minuten wurde klar, warum die Abfahrt unterbrochen wurde. Ein Pick-up fuhr mit zwei älteren Franzosen auf unseren Bus zu, spuckte diese aus und schon flitzten sie in unseren Bus hinein -verschlafen oder was??
Keiner regt sich auf oder wundert sich. Alles normal.
Und ja, es sollten noch viele Halts auf der Route folgen, denn offenbar schätzt man den Komfort, an der dem Heim nächstgelegenen Kreuzung zur Hauptstraße aufgelesen zu werden. Offizielle Haltestellen gibt es nur in den größeren Städten und so erfolgt auch der Ausstieg auf Zuruf. Dadurch wurden aus den angekündigten fünf Stunden Reisezeit schließlich sechseinhalb. Ich fühlte mich an die Deutsche Bahn erinnert…
Während der Fahrt waren mir ein paar Besonderheiten aufgefallen, Verhaltensweisen, die so bei uns eher nicht vorkommen. Einmal ist es so, dass sich die Einheimischen absolut selbstverständlich zu anderen Menschen dazusetzen. Das tun sie selbst dann, wenn sie unter 30 Doppelsitzbänken 20 unbesetzte vorfinden. Nicht, dass sie es zwangsläufig auf ein Gespräch abgesehen hätten. Es scheint einfach gar nicht in ihren Überlegungen zu existieren, dass ein Platz alleine, ohne Nachbar von besonderem Interesse sein könnte.
Andererseits habe ich aber auch beobachtet, wie sich zwei Frauen, die sich offensichtlich kannten, direkt auf die Fensterplätze hintereinander setzten und so die ganze Fahrt über relativ laut miteinander kommunizierten, ohne sich dabei ansehen zu können. Die Plätze neben ihnen waren leer. Selbst als sich dann dort jemand hinsetzte, der Zeitpunkt zu dem man sich bei uns dann spätestens doch zusammengesetzt hätte, weil einem ein bekannter Nachbar lieber ist als ein fremder, blieben sie bei ihrer den Bus unterhaltenden Tandemkommunikation. An der störte sich auch keiner.
Ankunft 15:00 Uhr, also noch eineinhalb Stunden Zeit bis zum letzten Fährboot. Selbstverständlich ließ ich die teuren Taxiangebote im Busbahnhof links liegen, hatte ich doch zuvor im Internet gelesen, dass es außerhalb Sammeltaxen gäbe. Also habe ich mich auf die Suche begeben und erhielt schließlich von einer freundlichen Frau die Information, dass die blauen Wagen zum Pier fahren würden. Als dann schließlich eines vorbei kam, da war es schon ganz gut besetzt, so dass ich meinen viel zu schweren Rucksack auf das Dach des Gefährts wuchtete und mich ins Innere zu den anderen auf die Holzbänke gesellte. 10 Bath kostete die Fahrt und um 15:35 war ich an der Ablegestelle.
Vermutlich war es Respekt zollend, doch trifft es mich ja dennoch: Ein leicht pummeliges Mädchen kam aus einem Schuppen des Ticketverkaufs und sprach mich mit „Papa“ an. Aaaah!!!
Aber es sollte noch dicker kommen…
Ich sagte, ich wolle gerne eine Überfahrt für die 16:30 Uhr Fähre buchen. Und sie erwiderte, es gäbe keine Fahrt um 16:30 Uhr.
Aber sicher Mädchen. Ich weiß es genau! Das hat mir nämlich mein Hotelmanager von der Insel zugemailt.
Dann betritt ihr leiblicher Vater die Szenerie und erklärt: Ja, ja -da hast Du schon recht. Eigentlich fährt ein Boot um 16:30 Uhr. Doch:

‚Kein Schiff wird kommen.
Und Deinen Traum erfüllen
Und Deine Sehnsucht stillen
Die Sehnsucht dieser Nacht.

Denn dieses Boot, das hat einen Maschinenschaden und fährt erst morgen wieder.
Ätschbätsch.
Mist. Und jetzt?
Ich rufe den Hotelbesitzer an und vergewissere mich bei ihm, dass ich hier keinen Gaunern aufsitze. Aber es scheint alles mit rechten Dingen zuzugehen. Ich frage noch nach einem Hoteltip für Ranong und er nennt das Hotel „The B“. Ok. Zurück zur Hauptstraße und dieses mal das rote Sammeltaxi. Der Fahrer versteht erst nicht, wohin ich möchte und so verfolge ich auf meinem Handy die Fahrtroute, bereit am nächsten zum Hotel gelegenen Punkt Stop zu rufen. Doch da entlässt er nach zehn Minuten Fahrt alle anderen Fahrgäste, da eine Hauptstraße gesperrt ist. Mich lässt er sitzen und deutet mir an, dass er nun weiß, wohin ich möchte. Er umfährt die Sperrung und gibt mir eine Exklusive Fahrt bis zum Hotel. Sehr gut. Genau wie das Hotel selbst auch.
Nach einer kurzen Entspannungspause mache ich mich auf, den Nachtmarkt zu erkunden, der heute im Zeichen des chinesischen Neujahrsfestes steht. Viel Kleidung und allerlei möglicher Haushaltswahren wurden angeboten, dazwischen natürlich viele Essensstände. Eine Art Crêpe-Omelette-Mischung mit allerlei Zutaten probiere ich -köstlich!
Schließlich biege ich in den Innenhof einer Schule ein. Hier zeigen die Schüler ihre lange einstudierten Tanzdarbietungen. Am lustigsten sind die Knirpse, die eine wahre show abziehen. Sehr nett!!
Schließlich setze ich mich noch in ein Restaurant und esse eine sehr scharfe Suppe mit noch schärferem Papayasalat. Puh!

Am nächsten Morgen klingelt der Wecker wieder, dieses mal um sechs. Das Frühstücksbuffet hält für mich Honigtoast, Cornflakes und Obst bereit. Ich gestehe: Hier bin auch ich nur bedingt integrationswillig und lasse die thailändischen Speisen links liegen.
Dann Fahrt zum Pier: Hello again! Um 8:30 Uhr ist hier schon einiges los und um fünf vor neun beginnt das Boarding. Ca. 30 Passagiere werden auf ein kleines Sport-Motorboot gelassen. Es werden marode und viel zu enge Rettungswesten ausgegeben und darauf bestanden, diese überzustreifen. Dann geht es los. Erst langsam im Hafenbereich und den Flusslauf entlang und dann schneller werdend ab dessen Mündung in das Meer. Das Boot schlägt immer wieder hart auf der Wasseroberfläche auf. Seeadler kreisen über uns, einer passiert uns mit einem Fisch zwischen den Greifern. Nach einer dreiviertel Stunde legen wir an.
Auf Koh Phayam gibt es keine Autos und so lasse ich mich von den hier üblichen Motorradtaxen fahren. Ein Motorroller, darauf zwischen Lenker und Fahrer eingeklemmt mein Rucksack. Dann der Chauffeur und schließlich ich. Die Fahrt ist nicht lange, doch ist sie schön durch das saftige tiefe Grün der Insel.
Ich bin angekommen!
Geschafft.

Wat satt

Lampang ist ein gemütlicher Ort, eine Kleinstadt P1070711mit etwas über 50.000 Einwohnern ohne große touristische Infrastruktur. Im Lada House, meiner Unterkunft, gibt es Fahrräder, die perfekt zum Laura Ashley-Design passen, früher sagte man Gesundheitslenker, jetzt Retrodesign. Eins davon will ich mir schnappen, aber da kommt schon meine Vermieterin angelaufen, prüft den Reifendruck, befindet, dass Luft nachgefüllt werden müsse, pumpt nach und legt mir noch zwei Orangen in den Fahrradkorb „For lunch.“. 🙂

Ich schwinge mich auf den Sattel, ziemlich P1070658 (1)bequem und diesmal tun die Bremsen auch. Dann kurve ich einfach mal los. Vielleicht noch ein Lob an den lieben Eric: sein Tipp mit den Online-Maps ist klasse, ich will zwar nirgendwo hinfinden, aber ich weiß, dass ich jederzeit zurückfinde und das gibt mir die Freiheit, überall dort abzubiegen, wo es interessant aussieht. Und das tut es an vielen Ecken in Lampang. Wats, die typisch thailändischen Tempelanlagen, gibt es hier P1070666wirklich überall und in unterschiedlichen Architekturstilen. Als erstes finde ich einen gleißend weißen Wat mit blinkenden Silberverzierungen im Stil des berühmten Wat Rong Khun in Chiang Rai. Fast etwas kitschig, gut, kann ich mir die Reise auch sparen. Dann mal auf die andere Seite des Flusses, die wichtigsten Wats liegen dort. Die Orientierung hier fällt nicht schwer und es gibt doch tatsächlich so etwas wie einen Fahrradweg zu den wichtigsten P1070667Attraktionen. So finde ich den Wat Pongsanuk ganz unproblematisch. Ein schöner traditioneller Wat mit einem liegenden Buddha und ohne Touristenströme, sehr angenehm. Um die Ecke dann ein weiterer Wat, ich will nur kurz hineinschauen, aber da habe ich nicht mit Surasak Saibundit gerechnet. Ich laufe um den Tempel herum, da kommt er aus einem Haus herausgelaufen und fragt „Do you speak Thai?“. Nein, tue ich leider nicht. Da nimmt er mich am P1070672Arm und führt mich herum, deutet auf einen Hund „Ma“, auf den Tempel „Wat“, auf sich „Puchay“ (Mann), auf mich „Pujing“ (Frau). Er führt mich zu einer Statue, berichtet eine Göttergeschichte (oh, so ganz habe ich sie nicht verstanden). Zwei thailändische Touristen kommen dazu, er entschuldigt sich bei mir, er müsse jetzt alles noch mal auf Thai erklären. Ich  bedanke mich bei ihm und will weiter ziehen, da kommt er hinter mir her. Nix da, hier geblieben, das beste fehlt ja noch. P1070660Er führt mich zu einem offenen Haus am Eingang der Anlage, vor dem mehrere Menschen mit gefüllten Tabletts warten. Drinnen sehe ich einen Mönch sitzen, der die Gaben entgegen nimmt und die Gläubigen segnet. Ob ich ihm auch etwas geben möchte. Klar, mach ich. Surasak verschwindet kurz, kommt mir drei Wasserflaschen zurück, 20 Baht. Das ist nicht viel, hoffentlich endet das nicht in einer kleinen Bescheißerei. Ich erinnere mich noch sehr gut an Laos vor vielenP1070670 Jahren, als ich früh morgens an der Speisung der Mönche teilgenommen habe, zwei Frauen mir ständig Essenportionen gaben, die ich an die Mönche weiterreichte und sie uns danach eine heftige Rechnung präsentierten. Surasak sorgt erst mal dafür, dass ich über einen Nebeneingang direkt in die erste Reihe vor den Mönch komme. Ich soll mich hinknien und meine Wasserflaschen überreichen. Dann bekomme ich einen Briefumschlag, noch mal 20 Baht soll ich da rein tun und meinen

Törö!
Törö!

Namen draufschreiben. Ok, das mach ich noch, die anderen hier tun es auch und 20 scheint das Standardopfer zu sein. Der Mönch murmelt fortwährend Gebete, greift die Umschläge, baut die darauf stehenden Namen in seine Litanei ein, ich verstehe „Julia“. „That’s for good luck, health and happiness.“ Klasse, mein excellent luck aus Japan kann gerne noch ergänzt werden. Ich soll dann meinen linken Arm hinstrecken, der Mönch bindet mir ein weißes Baumwollband um das Handgelenk und bastelt dann aus einem weiteren Band und einem herzförmigen IMG_0276Anhänger eine Kette, die er mir umhängt. Jetzt bin ich schon ziemlich ergriffen. Damit bin ich fertig, andere rücken nach. Surasak führt mich hinaus, ich soll mich unter einen Baum setzen, er bringt mir eine Flasche Wasser, Bananen eine Postkarte vom Wat und eine Art Visitenkarte des Mönchs. Das würde er mir alles schenken. Dann schreibt er seine Adresse auf die Postkarte und bittet mich, ihm meine Adresse in sein Notizbuch zu schreiben. Ich bedanke mich und habe jetzt ein ziemlich schlechtes Gewissen, dass ich ihm böse Absichten unterstellt habe. Ich bin schon bei meinem Fahrrad, da kommt er noch mal, ein junges Mädchen mit Handy im Schlepptau. Ah, ich verstehe, er will ein Photo. Kriegt er natürlich und ich reiche dem Mädchen auch noch mein Handy. Danke, Surasak, für dieses schöne Erlebnis.

IP1070681ch kurve weiter durch die Straßen, hier auf dieser Seite des Flusses gibt es ruhige Wohngegenden mit vielen traditionellen Holzhäusern. Kleine Kinder winken mir zu, ältere Frauen schauen verwundert, was diese Radlerin hier zu suchen hat, lachen dann aber freundlich. Unten am Fluss grasen Pferde, hier haben die Kutscher ihre Lager, in Lampang gibt es noch PP1070696ferdekutschen, auch wenn sie meist für Touristen eingesetzt werden. Irgendwann wechsele ich wieder auf die andere Flussseite, Brücken gibt es hier genug, und genehmige mir zum Abschluss noch einen Wat. diesmal im burmesischen Stil. Watsatt kehre ich ins Lada House zurück, setze mich in den schönen Garten und freue mich schon auf einen weiteren Besuch beim Currygott auf dem Nachtmarkt.

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Gemein!

Ja, das Leben ist ungerecht. Just heute, nachdem Eric mir sein Leid geklagt hatte, in einem Tourinest mit überteuertem, europäisierten Essen gelandet zu sein, komme ich in Lampang an und es ist Nachtmarkt.

P1070648Die Fahrt von Pai hierher lief reibungslos, der Minibus bis Chiang Mai schlängelte sich über die nordthailändischen Berge immer der siamesischen Überholregel folgend: Was ich nicht sehen kann, kann mir egal sein. Deswegen wird bevorzugt vor Kurven und Kuppen überholt und ich bin erstaunt, wie viele Autos nebeneinander auf die schmalen Gebirgsstraßen passen. Dass das auch mal schief gehen kann, sehen wir auf der Strecke: ein Auto ist den Hang hinabgestürzt, ein größeres Aufgebot von Krankenwagen und Helfern rettet, was zu retten ist. Wir kommen nach drei Stunden aber wohlbehalten am Busbahnhof von Chiang Mai an. Der nächste Bus nach Lampang geht in anderthalb Stunden, ideale Zeit für ein leckeres Mittagessen im Restaurant gegenüber. Nach weiteren zwei Stunden Fahrt kommen wir in Lampang an. Ich bin die einzige Westlerin, die hier aussteigt, guuut. Ich trete in Verhandlungen mit den Sammeltaxifahrern. Was sie denn für die Fahrt zu meinem Hotel wollen. „You want to go now?“ Ja, wann denn sonst. 120 Baht, etwa drei Euro. Das kommt mir jetzt sehr teuer für ein Sammeltaxi vor. So richtig viel Englisch sprechen sie nicht, aber nach und nach wird klar, dass sie mit „now“ jetzt sofort und ohne jede Verzögerung meinen, also ohne auf weitere Mitfahrer zu warten. Der normale Tarif, wenn das Auto voll ist, beträgt 20 Baht. Na, da warte ich doch. Nach etwa fünf Minuten sitzen wir zu siebt auf den beiden Rückbänken und die Fahrt geht los. Der Fahrer lässt mich direkt vor meinem Hotel aus dem Auto, ich gebe ihm den Zwanziger und er grinst.

Mein Zimmer ist ein Mädchentraum, fast wie persönlich von Laura Ashley eingerichtet. Weißes Bett, lila-weiß-geblümte Bettwäsche, viele Kissen, weiße Spitzengardine, Blumenbild überm Bett. Aber sehr nett, es gibt zudem kostenlose Fahrräder, einen schönen Garten und im Stadtzentrum bin ich auch. Heute sei Nachtmarkt, sagt mir die freundliche Dame an der P1070655Rezeption, nur ein paar Straßen weiter. Dann mal schauen. Nach einer ausgiebigen Dusche mache ich mich auf und entdecke ihn sehr schnell. Eigentlich ist die ganze Innenstadt ein einziger Markt. Ich habe richtig Hunger und gerate bald auf einen kleinen Platz mit P1070651Tischen, drumherum mehrere Essensstände und alles auf Thai. Ich schaue mir die Auslagen an, schnuppere hier und dort und lande dann bei einem Stand mit zwei riesigen Töpfen Suppe oder Soße. Jetzt wird einfach bestellt, vegetarisch hin oder her.

Der Zaubertrank
Der Zaubertrank

Ich bedeute dem freundlichen Thai, dass ich irgendwas hier essen will, indem ich eine ausladende Armbewegung mache, die sein komplettes Angebot umfasst. Er fragt „Fish?“ und ich nicke begeistert. Er nimmt eine vorbereitete Schüssel mit gekochten Reisnudeln, geht zu einem der großen Töpfe, gießt zwei Kellen – es ist wohl eher Soße – darüber und bedeutet mir, ich solle von dem vor ihm aufgebauten Gemüse noch dazu tun, was ich möchte. Ich wähle Kohlstreifen, Sojasprossen und irgendein Gekrümel, zahle 25 Baht (ca. 60 Cent) und setze mich an einen der Tische. Das Ganze ist so unfassbar lecker, ich P1070654genieße und grinse, der Verkäufer grinst zurück, am liebsten würde ich die Schüssel ausschlecken. Oh, was für ein Start. Ich bummele weiter über den Markt, es gibt alles mögliche, Kleidung, Antiquitäten, Schnick-Schnack, sogar noch Raubkopien (sind ja in Bangkok ausgestorben) und viel Essen. Ich probiere alles mögliche: Tintenfischspieße, die man sich roh aussucht und die dann frisch gegrillt werden, kleine Pfannkuchen mit grünem Tee und schwarzem Sesam, P1070657gefüllt mir junger Kokosnuss, Pandan-Saft, kleine knusprig gebratene Teilchen mit Meeresfrüchten. Oh, alles ist so gut. Ich sehe das ein oder andere europäische Gesicht, aber überwiegend Thai, die sehr freundlich sind. Ich glaube, hier kann man sich wohlfühlen. Mal schauen, wie morgen alles bei Tag aussieht. Und ob ich den Zauberer mit dem Fischcurry wiederfinde. Sorry, Eric…

Bye Pai

In Pai muss man aufpassen, dass man den Absprung nicht verpasst. Das Leben ist hier so einfach und stressfrei und wenn man dem Partyvolk aP1070635ngehört, kommt noch das abendliche Entertainment mit dazu. Aber irgendwie scheint die Karawane trotzdem weiterzuziehen, Laos ist der große Favorit. Erinnert mich sehr an unsere erste Thailandreise in den 90ern, alle folgten von Bangkok aus der gleichen Route und man traf in jedem Ort auf bekannte Gesichter.
Meine Tage bestehen aus Ausschlafen, Massagen, Essen, Lesen und über dem Nachtmarkt bummeln. That’s it. Wenigstens heute Abend wollte ich den Sonnenuntergang von der hoch über dem Tal gelegenen Buddhastatue P1070632betrachten, aber ich kam zu spät, weg war sie. Der Blick war trotzdem schön und die Stimmung ganz friedlich, auf dem Weg hoch waren mir schon mehrere Tourbusse mit Chinesen entgegen gekommen und jetzt waren nur noch kleinere Grüppchen von westlichen Touristen da.

Im Bungalow gegenüber von mir wohnen zwei Blumenkinder, mit den Altersangaben tu ich mich ja langsam schwer, aber ich denke, sie könnten die Hippiezeit in jungen Jahren miterlebt haben. Sie beginnen ihren Morgen mit so etwas wie Lachyoga, sitzen sich gegenüber und lachen laut mehrere Minuten lang. Sie passen hervorragend nach Pai. Als ich die Treppe hinauf zur Buddhastatue vorhin erklamm, schallte mir spiritueller Gesang, begleitet von einer Gitarre entgegen. Und da saßen sie, meine Hippies. Irgendwie nett.
Morgen breche ich meine Zelte hier ab und fahre zunächst zurück nach Chiang Mai und von dort nach Lampang. Eric hat es mir als netten Ort empfohlen und dann wollen wir doch mal schauen. Mein Fahrrad ist abgegeben, ich hab dann doch darauf verzichtet, morgen mit dem großen Rucksack hinunter zu radeln, die Bremsen sind nicht P1070625besser geworden. Ich habe meine letzte Massage genossen, diesmal auch zwei Stunden, was Eric kann, kann ich schon lange. Es war ein wirklich ernsthaftes Massageinstitut mit Schule, ich wurde von einem älteren Mann durchgeknetet und entweder bin ich langsam dran gewöhnt oder er hat Gnade walten lassen. Nur ab und an trieb es mir die Tränen in die Augen, er legte mehr Wert auf alle möglichen gymnastischen Figuren, die fast schon Richtung Yoga gingen. Und ich war erstaunt, welche Flexibilität in meinen 50 Jahre alten Knochen steckt, wenn man sie vorher nur gut durchknetet.
Nun lasse ich meinen letzten Abend in Pai gemütlich auf meiner Terrasse ausklingen. Auf dem Rückweg vom Buddha kaufte ich mir an einem Straßenstand ein Plastiktütchen mit Nudelsalat, „spicy“ warnte mich die Verkäuferin, ja, war er, vor allem als ich auf die kleine rote Chilischote biss, aber so gut! Was für eine Küche, davon habe ich noch lange nicht genug! Wie hier jemand Gelüste auf Döner entwickeln kann, ist mir ein Rätsel…

Auf dem Nachtmarkt von Pai: "Turkish & Germany Best Kebabs"
Auf dem Nachtmarkt von Pai: „Turkish & Germany Best Kebabs“

Sind so kleine Hände

Ich komme gerade aus einem SM-Studio.
Die Damen trugen zwar kein Lack und Leder und es wurden auch keine Peitschen geschwungen. Gemeine, hochhackige Stiefel -auch Fehlanzeige. Im Gegenteil: alle waren barfuß unterwegs.
Aber es kann nichts anderes als ein SM-Studio gewesen sein.
Zunächst wurde ich freundlich empfangen und sollte mich in einem kleinen Nebenraum in traditionelle und landestypische Kleidung hüllen. Fetischspiele?
Mir wurde alsdann eine bequeme Liegestätte in einem Séparée zugewiesen und ich setzte zur Entspannung mit geschlossenen Augen an.
Doch dann kam eine Frau und nahm sich meiner Füße an. Das war ja noch ok, auch wenn sie sie zwischendrin kräftig in alle Richtungen verdrehte.
Als sie dann aber zu meinen Waden überging, da kamen mir dann doch gewaltige Zweifel.
Wer erinnert sich an böse und vor allem stärkere Buben aus den Kindheitstagen, die, hatten sie einen aufs Kreuz gelegt, ihren Triumph noch genüsslich steigerten, indem sie Muskelreiten betrieben? Also mit der Last ihres Körpergewichts, die Bizeps des Opfers unter ihren Schienbeinen zermalmten?
In etwa so betrieb es die Dame mit meinem Schienbein. Knie und Ellbogen setzte sie dafür ein und irgendeine übermenschliche Kraft in ihren kleinen thailändischen Händen. Sie strich genüsslich die Sehnen auf und ab, derweil ich mich immer wieder daran erinnern musste, dass ich mich dieser Folter freiwillig unterziehe, dafür sogar bezahle. Wie soll ich das zwei Stunden aushalten??
Ich versuchte, mich gelassen in mein Schicksal zu ergeben und lenkte einen großen Teil meiner Energien darauf, meine Gesichtszüge nicht entgleisen zu lassen.
Immer ein leichtes Lächeln auf den Lippen, Eric!
Zeige den Schmerz nicht! Du wirst keine Namen preisgeben!
Nein!
Niemals!!
Plötzlich durchfährt mich ein noch größerer Schmerz im linken Fuß. Wie ein Blitz! Den kenn ich aber schon: es ist ein Krampf.
Was nun?
Irgendetwas zu ihr darüber sagen?
Kommt nicht in Frage!
Kein Schmerzeingeständnis!!
Also gehe ich einfach dazu über zu denken: Hey, der Krampf da in meinem linken Fuß -der geht Dich gar nichts an. Sie hat ihn da rein gemacht, sie soll ihn da auch wieder raus machen! Also lasse ich mich fallen und warte. Und werde bestätigt. Sie knetet und drückt den Krampf aus Wade und Fuß und setzt ihr Werk am rechten Bein fort.
Der Selbstbetrug hat funktioniert!
Sie drückt und reibt und knetet und kneift und verdreht meinen Körper total.
Sie setzt die Finger, die Knöchel, den Ellbogen und ihre Füße ein -kurz gesagt: sie gibt alles. Und mit der Zeit lasse ich mich darauf ein. Sie erkennt meine problematischen Stellen und, wie könnte es anders sein, setzt sie besonderem Druck aus.
Ich genieße.
Ich fühle mich betrogen! Wie? Warum schon Schluss?
Das waren niemals zwei Stunden!
Und doch: es waren sogar mehr als 120 Minuten süßer Qual.
Ich glaube, ich werde süchtig danach…

Morgens in Pai

01. Februar

Guten Morgen, diesmal aus Pai noch weiter im Norden Thailands und recht nah an der burmesischen Grenze. Boker tov könnte ich auch wieder sagen, hinter mir hebräelts erneut heftig. Chiang Mai war nett, aber eindeutig zu voll. Ich lasse mich lieber nicht aus über die chinesischen Touristen, das würde zu böse werden und bestimmt auch nicht allen gerecht werden, aber meine Lust, jemals China zu besuchen, tendiert gen Null.P1070617

Pai ist aber auch ein touristisches Phänomen. Da haben sich irgendwann vor vielen Jahren einige Hippies hier niedergelassen, die Opiumkultur Nordthailands hat bestimmt dazu beigetragen, und jetzt ist mitten in den Reisfeldern eine Touriort entstanden, der ganz schön bezeichnend für die Backpackerkultur ist. Man kann sich noch lebhaft vorstellen, wie die Rucksackreisenden vor 30 Jahren in kleinen hölzernen Bungalows ohne Strom hier bei den Einheimischen unterkamen, das ein oder andere Pfeifchen mit den Dorfbewohnern zu sich nahmen und einfach rumhingen. Dann kamen immer mehr, Guesthouses und kleine Bungalowanlagen entstanden, nicht mehr nur Westeuropäer und Amerikaner reisten, sondern auch die Israelis, dann kamen die Japaner und die Osteuropäer dazu und jetzt eben die Chinesen, und jede Gruppe wollte ihre eigene Infrastruktur. So ist es mittlerweile vollkommen unproblematisch, Falafel oder Sushi zu bekommen, in manchen Straßen sieht man mehr hebräische Schriftzeichen als thailändische und die meisten Restaurants haben chinesische Speisekarten. DIe Traveller heute und hier in Pai fahren alle Motorrad, sie sind tätowiert oder geben hier den letzten Widerstand dagegen auf, P1070619Rastafrisuren aller Art sind wieder im Kommen, die noch so hässlichsten Pumphosen mit Batikmuster sind der Renner, alle sind aber modern vernetzt, ein Guesthouse ohne Wifi ist chancenlos, und dann sitzen sie abends mit ihren Macbooks und IPhones auf der Veranda, skypen und facetimen. Tja, mache ich es anders? Motorrad nein, ich will ein Fahrrad, irgendwie muss ich doch wieder fit werden, und in Chiang MAi machte es viel Spaß, durch die Straßen der Altstadt zu radeln. Tattoo? Never! Rasta sowieso nicht und Pumphosen maximal für Yoga, aber dann nur in weiß. Guesthouse ohne Wifi? Ne, das wär schwierig, Macbook und IPhone wollen ja ins Internet, damit ich facetimen kann. Also, ganz außen vor bin ich sicherlich nicht und mir macht es auch durchaus Spaß, in den netten Hippiecafes zu sitzen und wie jetzt köstlichen Mango-Maracuja-Kokosshake zu trinken. Ich bin wahrscheinlich eher das, was mittlerweile als Flashpacker bezeichnet wird, etwas mehr Komfort, etwas weniger abgewrackt, aber gerne immer mal wieder ein wenig Teil der Travellerszene. Wen’s interessiert, diesen Artikel fand ich da ganz nett. Nur: einen Trolley werde ich mir nicht zulegen, das geht über meine Backpackerehre.

Ich wohne etwas außerhalb von Pai in einem hölzernen Bungalow, allerdings mit Strom, einem harten, aber bequemen und riesigen Bett, einem kleinen Badezimmer und einer schönen Terrasse mit Blick auf Reisfelder. So wirklich idyllisch ruhig ist es nicht, der Ort beschallt das Tal, die Motorräder und eine Baustelle nicht weit entfernt tun ihr übriges, aber mittlerweile bin ich so entspannt, dass es mir wenig ausmacht. Nur dass es nachts ganz schön kalt wird, dass hätte ich nicht erwartet. So bleibe ich lange in meinem kuschligen Bett liegen, das gute Wifi beschert mir eine reichliche Hörbuchauswahl auf Spotify und ich hab ja tatsächlich gar nichts vor. Gegen halb 10 wage ich mich dann mal unter der warmen Decke hervor, auf meiner Veranda ist doch tatsächlich wärmer als im Zimmer. Die sehr nette Vermieterin zeigte mir gestern Abend eine kleine Gemeinschaftsküche, da finde ich heißes Wasser, Nescafe habe ich noch aus Australien und Milch vorsorglich gestern Abend besorgt. So kommt mein großer Becher, den wir in den USA fürs Campen gekauft haben, wieder zum Einsatz. Den leckeren Kaffee genieße ich in der Hängematte am Teich, beobachte die beiden jungen Hunde, die aus einem Papierkorb Plastiktüten klauen und ziemlich viel Spaß mit dem Geknister haben, und stelle beruhigt fest, dass die Temperatur von Minute zu Minute steigt. Zu essen kriege ich hier wohl nichts, also mache ich mich auf ins Dorf. Meine Vermieterin hatte mir eigentlich angeboten, mich mit dem Motorrad hinzufahren, aber ich will gucken, was so um mich rum ist und so laufe ich an der Straße entlang. Es geht hoch und runter, das wird lustig mit dem Fahrrad, aber ich bin dann doch schneller im Ort als gedacht. Und stürze mich ins erste Backpackercafe, Omelett mit Lachs, Tomatensalat und Vollkornbrot, auch nicht sehr Thai. Gleich werd ich mir die Fahrräder mal angucken und dann wird geradelt!

2. Februar
Da ist er mir zuvor gekommen, der Eric. Witzig, dass wir offenbar zu ähnlicher Zeit über Ähnliches sinnierten – und jetzt brauch ich ja tatsächlich nichts mehr über Chinesen zu sagen, steht alles bei ihm.

Ich bin jetzt stolze Besitzerin eines roten Fahrrads, es scheppert etwas und eine echte P1070622Vollbremsung wird man damit nicht hinlegen können, aber es trägt mich hinunter in den Ort und dank einer Gangschaltung auch wieder hinauf. Ich schlafe lang in meinem Bungalow, heute trieb mich noch nicht mal der Hunger aus dem Bett. Erst gegen elf brach ich auf, entschied mich dann aber doch zunächst für eine Thaimassage am Ortseingang. Ich bekomme eine weite Hose und lege mich auf eine Matratze auf dem Boden. Eine ältere Dame fängt an, an meinen Füßen herumzukneten, also, das könnte ruhig ein bisschen fester sein, denke ich und überlege, ob ich ihr das sagen soll, aber sie spricht kein Englisch. Zum Glück. Denn irgendwann entdeckt sie meine Oberschenkel. Die hielt ich für gar nicht so verspannt bisher – sie wohl schon. Es gibt sehr viele, äußerst schmerzhafte Möglichkeiten, die Oberschenkelmuskeln zu drücken, quetschen, ziehen – und sie kennt sie alle. An der Vorder- und Rückseite. Was habe ich beim Yoga gelernt? In den Schmerz atmen – ich versuch’s… Zum Glück hat sie sich schon reichlich verausgabt als sie später dann meine P1070620Schultern erreicht. Sie stöhnt leise, als sie die verhärteten Muskeln dort entdeckt und entscheidet wohl, dass dafür keine Zeit mehr ist. Ich erinnere mich an die Masseurin im letzten Thailand-Urlaub auf Koh Mak, die laut klagte „Oh Madame – Computer!“ als sie versuchte, die Verspannungen zu lösen. So schmerzhaft die Session heute war – ich fühle mich wirklich gut, morgen wieder!

Es ist schon nach eins als ich die erste Mahlzeit des Tages zu mir nehme – Reis in rotem Curry und Papayasalat. MIr war jetzt nach gutem Thaiessen und da muss man doch ein wenig abseits der Touri-Meile suchen. Und ich wurde fündig: in einem Bretterverschlag mit dem obligatorischen großen Fernseher und so was ähnlichem wie Thailand sucht den Suoerstar. Wie schaffen sie es nur, in ein so simples Reisgericht mit ein bisschen Gemüse und Tintenfisch eine solche Geschmacksexplosion P1070623hineinzuzaubern? Dazu ein doch recht schweißtreibend scharfer Papayasalat – was für ein Frühstück. Danach noch ein wenig Shopping, jetzt hab ich auch ein Hippieoberteil :-), und dann wieder rauf aufs Radel zurück in meinen Bungalow. Und um dem süßen Nichtstun heute noch die Krone aufzusetzen, koche ich mir einen leckeren Nescafe, schnappe mein Laptop, strecke mich wohlig in der Hängematte aus und genehmige mir auf Youtube einen äußerst amüsanten Münsteraner Tatort. Das Leben kann so schön sein…

Bangkok in Gelb

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20160130-Bangkok-Nikon-45Fünf Nächte sind erst einmal genug.
Ich blieb in dieser großen Stadt am Chao Phraya doch recht lange und ging letztlich auf mir bekannten Pfaden. Das bedeutet, ich besuchte wieder den Königspalast und den prachtvollen Tempel Wat Pho, wandelte durch die vor Leben brodelnden Straßen Chinatowns und fuhr mit dem Fährboot den Fluss auf und ab.
Es wird nicht langweilig. Aber es verändert sich. Die Stadt verändert sich und auch die Touristen.
Da ist zum Beispiel die Khaosan Road. War sie bei unserem ersten Besuch in Thailand vor etwa 23 Jahren Anlaufstelle für die Travelerszene und vorrangig ein Ort, an dem man sehr günstig recht gut übernachten und essen konnte, so ist sie heute eher eine Art Rummelplatz, die selber zur Attraktion geworden ist. Junge Reisende, die heute so alt sind, wie ich damals, schlafen lieber etwas luxuriöser…
20160131-Bangkok-Nikon-73Da sind aber auch die Touristenströme, die sich durch die Sehenswürdigkeiten drängen. Sie werden breiter und breiter. Und sie werden gelber und gelber, also immer mehr Chinesen. Und (habe ich es schon erwähnt?) -I don’t like Chinese.
Also zumindest nicht in diesen Massen, denn, wie ich es schon bei meiner Chinareise feststellen musste, ist der Chinese ein schlimmer Rüpel. Ich pflege jetzt mal bewusst das Vorurteil, weil ich in der Tat leider nun schon öfter die Erfahrung machte, dass es bei der Begegnung mit einzelnen Chinesen zwar durchaus sehr freundliche und sehr sympathische Bekanntschaften gab. Im Alltag scheint es mir aber so, als wäre es für das Individuum überlebensnotwendig, rücksichtslos und ignorant zu sein. Vielleicht kann in einer solch großen Masse nichts anderes helfen als so zu tun, als wäre man alleine auf der 20160131-Bangkok-Nikon-79Welt um nicht unterzugehen. Und so rempelt man sich durch die Welt und gegen die Menge und, da bin ich mir sicher, denkt sich noch nicht einmal etwas dabei, meint es nicht böse.
In dieses Muster gehört auch, dass man sich angesichts der Gruppen fragt, warum sie eigentlich in all diese Länder reisen. Denn besonderen Respekt scheinen sie den anderen Kulturen nicht eben entgegenzubringen. Das kann man freilich auch auf die eine oder andere Gruppe aus Deutschland oder sonst wo her übertragen.
20160131-Bangkok-Nikon-54Auch Gespräche unter den Volksrepublikanern sind bemerkenswert, denn es scheint durchaus normal zu sein, sich bei jeder Gelegenheit anzuschreien. Ein Rendezvous stelle ich mir da lustig vor…
Klar ist das alles arg pauschalisiert. Aber es ist eben auch nicht ganz aus der Luft gegriffen.
Und wie gesagt ist die Stadt natürlich trotzdem eine Reise wert.

Als ich mich dann endlich entschieden hatte, was das nächste Ziel meiner Reise sein sollte, nämlich eine alte Khmeranlage in Phimai etwa 250 km im Nordosten Bangkoks, da lief dann alles wie am Schnürchen. Ohne Vorabreservierung oder auch nur zu wissen, wann der nächste Bus starten würde, fuhr ich am Vormittag zum entsprechenden Busbahnhof, suchte unter hunderten Schaltern den heraus, der mir ein Ticket nach Khorat verkaufen würde und hatte dann noch 15 Minuten Zeit, bevor es pünktlich losging. Die Fahrt verlief sehr gemächlich und als eine der ersten Aktionen wurden Wasser und ein mit Bohnenmus gefülltes Hefebrötchen gereicht. Dazu gab es noch eine Decke, für die, die die Aircondition als zu kalt empfinden. Zwischendurch wurde ein Film gezeigt. Und nach vier Stunden hatte ich die erste Etappe erreicht. Ich gestehe -ich leistete mir dann für die nächsten siebzig Kilometer ein Taxi und kam so recht entspannt in meiner Unterkunft am Fluss an.
20160202-Phimai-Nikon-46Der Ort hat außer der Anlage der Khmer aus dem 11. Jahrhundert nicht viel zu bieten, doch findet jeden Abend ein kleiner Markt in seinem Zentrum statt. Die Menschen lächeln einen sehr freundlich an und wenn ich frage, ob ich ein Foto von ihnen und ihrem Stand machen darf, dann lachen sie um so freundlicher. Obst, Gemüse, Fleisch, Fische und andere Meerestiere werden hier entweder bereits zubereitet oder aber zum sofortigen Verzehr verkauft. Ein Stand reiht sich an den anderen und jeder bringt seine kleine, grelle Glühbirne mit, die das Treiben in ein ganz besonderes Licht hüllt.
Hier schnell eine Mango und dort eine Ananas verdrückt -das ist schon genial. Alles wird einem mundgerecht zubereitet und schmeckt sagenhaft. So würde ich auch zuhause zum größeren Obstfan werden…

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Boker tov Chiang Mai

… was Guten Morgen Chiang Mai heißt. Auf hebräisch. Mehr dazu später.

20160128-Bangkok-Nikon-11Jedenfalls kam ich heute morgen superpünktlich um viertel nach sieben am Bahnhof von Chiang Mai im Norden Thailands an. 13 Stunden brauchte der Zug von Bangkok, aber es waren äußerst komfortable Stunden im Schlafwagen, 2. Klasse, Ladys Car. Als ich einstieg war es noch ein normaler Großraumwagen, links und rechts des Mittelgangs jeweils zwei Sitze gegenüber. Als wir nach etwa einer dreiviertel Stunde Bangkok verlassen hatten, kam die Schaffnerin und baute uns einen großen Schlafwagen. die Sitze wurden zu einem Bett ausgezogen, darauf eine Matratze, ein blütenweißes Laken, Kissen und Decke, darüber wurde ein weiteres Bett heruntergeklappt, das über eine Leiter zu erreichen war. Tja, wer zu spät bucht kriegt die schlechten Plätze, ich hatte schon vor Wochen mein Ticket im Internet bestellt und kam in den Genuss des unteren Luxusbetts, fast so breit wie ein Doppelbett, Ablagen über dem Kopf- und Fußende, hoch genug, um sich gemütlich hinzusetzen und vor allem mit Fenster. Und einem Vorhang, so dass P1070611es wirklich kuschelig war. Anfangs fürchtete ich noch den Kälteschock, aber zum Glück stellten sie die Klimaanlage über Nacht ab. Und so streckte ich mich wohlig aus, las noch ein wenig und ließ mich in den Schlaf schaukeln. Gut, so richtig durchschlafen war schwierig, auch Damen schnarchen, aber ich wachte gegen fünf dann doch erstaunlich ausgeschlafen auf. Um halb sechs schritt die Schaffnerin durch den Gang, wünschte uns auf Thai und Englisch einen guten Morgen und verwandelte alles diesmal in einen Speisewagen. Die Betten wurden weggeklappt und stattdessen eP1070612in Klapptisch hervorgezogen, auf dem mit kurz darauf das am Abend bestellte Frühstück serviert wurde: Kekse, eine Banane, Orangensaft und Kaffee. Und kaum war dieses verzehrt fuhren wir auch schon in Chiang Mai ein. Eilig hatte ich es nicht, aus dem Bahnhof herauszukommen. Sicherlich würden Unmengen von aufdringlichen Taxifahrern und Hotelschleppern auf uns warten, so hatte ich es von unserem letzten Aufenthalt in Chiang Mai vor etwa 25 Jahren in Erinnerung. Aber, es hat sich viel getan. Zwar der ein oder andere mit einem Hotelschild oder der Taxi-Frage, aber alles recht entspannt und so kam ich unproblematisch auf den Bahnhofsvorplatz zu den Sammeltaxis, die einen für 50 Baht, etwas mehr als ein Euro, zum Hotel bringen. Klappte alles hervorragend, nur einchecken konnte ich zu der frühen Stunde noch nicht. Aber das war egal, ich wollte vor allem einen weitern Kaffee. So ließ ich das Gepäck im Hotel und spazierte durch die noch leeren Straßen der Altstadt, fand ein nettes Café mit gutem Cappuccino und dann ein Yogastudio. Deswegen bin ich ja her gekommen, ich muss dringendst was für meine Fitness tun. Auf einer Tafel stand, dass sie um 10:30 Uhr eine Yogastunde anbieten. Perfekt, das ließ genügend Zeit für einen weiteren Kaffee. Kurz vor halb elf war ich dann wieder dort und genoss nicht ganz unanstrengende anderthalb Stunden bei Tomer, einem Israeli. Wo wir wieder bei Boker Tov wären. Irgendwie wurde ich ganz heftig daran erinnert, dass ich mir vor dreißig Jahren ja schon mal einen langjährigen Traum erfüllt habe und nach dem Abi nach Israel gegangen bin. In Vor-Internet-Zeiten ein echtes Wagnis damals, ich kam mir so viel weiter von Zuhause weg vor, ein Brief dauerte drei Wochen, Telefonieren konnte sich niemand leisten und zu meinem Geburtstag bekam ich ein Telegramm… Es war ein unglaublich tolle Zeit damals und das hebräisch gefärbte Englisch des Yoga-Instruktors versetzte mich kurz zurück in meine Kibbutz-Zeit. Und da fiel mir ein, dass ich beim Ausmisten in Vorbereitung unserer Weltreise einen Text gefunden hatte, den ich vor dreißig Jahren Jahren über meinen Job im Kuhstall im Kibbuz Hefzi-Bah geschrieben habe. Und den könnt Ihr lesen, wenn es Euch interessiert, hat ja auch was mit der großen weiten Welt zu tun:

Der Wecker kommt gar nicht erst zum Klingeln. Ein kurzes Klicken bevor das Summen einsetzt und ich habe ihn bereits wieder abgestellt. Ich setze mich in meinem Bett auf, es ist dunkel. Vorsichtig taste ich mich zur Tür hinter der sich ein kleiner Verschlag befindet, betätige den Lichtschalter, ein kurzer Blick zu Katja – sie schläft, hat noch vier Stunden Zeit. Fast geräuschlos öffne ich die Tür, Licht dringt in unser Zimmer, ich blinzele, ein leises Klopfen ist zu hören. Kakerlaken, ich habe mich an sie gewöhnt. Wasser ins Gesicht, kurzes Zähneputzen, pass auf, dass du auf der Toilette nicht wieder einschläfst. Nur mit einem Slip bekleidet komme ich ins Zimmer zurück, gehe zu der anderen Tür und betrete den Vorraum. Im Schrank wühle ich nach einem sauberen Hemd, die kurze Hose vom Vortag liegt noch in der Ecke. Der BH strömt einen warmen Tiergeruch aus. Barfuß gehe ich auf den kühlen Steinfliesen ins Zimmer zurück. Das Haarband, die Zigaretten, verdammt, wo ist der Schlüssel? Nach kurzer Zeit finde ich ihn, befestige ihn mit einer Schnur an meiner Hose, wieder in den Vorraum, leise öffne ich die Tür nach draußen, sie knarrt, Tür ist fast zu viel gesagt – aneinander gehämmerte Holzlatten mit Vorhängeschloss. Auf der Treppe stehen meine Gummistiefel. Ich fahre mit der Hand hinein, darauf gefasst, eine verirrte Kakerlake zu finden. Nur ein bisschen Dreck, ich ziehe sie an, sie sind warm. Die drei Stufen hinunter, keine hat die gleiche Höhe wie die andere, drei Schritte durch … Vorgarten ist wirklich zu viel gesagt. Es raschelt – Chico. Der kleine schwarze Hund begleitet mich über das abgetretene Gras zu der kleinen Straße. Das Tor ist halb geschlossen. Der Mann in dem kleinen Häuschen nickt mir zu, Boker tov, ich stehe auf der breiten Straße. Der Kibbutz hinter mir schläft. Über die Straße gelange ich auf einen breiten Weg, unbefestigt, kleine Schlaglöcher, staubig. Chico läuft vor mir her, immer darauf bedacht, sich den dampfenden massigen Tieren nicht zu sehr zu nähern. Ich erreiche den flachen weißen Bau am Ende des Weges, schiebe die große Tür auf und betrete den Gang. Licht an, über mir ist das aufgeregte Trippeln der Ratten zu hören. Links der große Tank. Die Stufen hinauf, den Gang entlang, ein paar Stufen hinunter, alles ist still. Links das Armaturenbrett, Knöpfe und hebräische Schriftzeichen. Ich weiß, welche Schalter ich zu betätigen habe. Das Stampfen der Wasseranlage beginnt. Durch den Melkstand, ein paar Stufen hinauf gelange ich zur Waschanlage. Die Tore sind geschlossen. Ein Tor öffnen, ein anderes schließen. Die Betonrampe mit ihrer Auflage aus getrockneten Tierexkrementen hinunter. Ein überwältigender Blick: im Vordergrund die Ställe, dahinter das Land. Die Stelle, an der die 1931221_1091047956042_681_nSonne in einer Stunde aufgehen wird, lässt sich erahnen. Es ist bereits warm oder angenehm kühl im Vergleich zur Hitze des Tages, der folgen wird. Es ist still. Ich liebe diesen Moment. Später werde ich in einem französischen Film etwas über die blaue Stunde hören – so stelle ich sie mir vor. Ich öffne das Gatter, betrete die Koppel, versinke bis zu den Knöcheln in dem, was noch nicht getrocknet ist. Die Tiere liegen dicht zusammen gedrängt, einige stehen gemächlich auf. Sie dampfen. Ein liebgewordener Geruch steigt mir in die Nase. Ich stakse durch den Morast bis ans Ende der Koppel. Meine Stimme durchbricht die Ruhe des Morgens. Yalla, Heia. Ich rede mit ihnen, klopfe ihnen auf die Flanken, sie sind feucht und warm, ein paar Haare bleiben an meinen Händen kleben. Ich will freundlich sein zu ihnen, ich werde nie die großen Augen des Tieres vergessen, das in der Waschanlage zusammenbrach und starb. Es war nass und kalt gewesen, ich hatte es am Morgen getreten, ungehalten darüber, dass es mich um meinen Kaffee brachte. Das letzte, was es fühlen sollte, waren meine Tritte und die Enge der Waschanlage. Der verdrehte Kopf lag den ganzen Morgen lang auf einem Sprinkler, die offenen Augen waren von seinen Artgenossen zugeschissen worden. Es war nicht meine Schuld, aber ich fühlte mich verantwortlich. Ein Traktor kam gegen Mittag und zerrte es an den Hinterbeinen fort. Es endete als Dünger auf den Feldern. 

Alle Tier der ersten Gruppe haben die Koppel verlassen und bewegen sich träge auf das weiße Gebäude zu. Sie machen nie Probleme, anders als die aus der dritten, die ständig beweisen müssen, dass Amnons ausbruchsichere Kuhgitter für sie kein Hindernis darstellen. Die Waschanlage ist erreicht, ich schließe das Gatter hinter dem letzten Tier, öffne das andere und gehe zurück in den Melkstand. Die Wasseranlage läuft noch. Ich betätige einen Schalter ein auf Rollen laufendes Gatter drängt die Tiere zusammen, ich stelle die Sprinkler an.

Die Küche ist genauso neu wie das restliche Gebäude. Ein ungemütlicher Raum mit einem großen Tisch, Herd, Kühlschrank, ein paar Arbeitsplatten, eine Spüle. Bilder an den Wänden, doch der Raum wirkt kahl. Ich setze Wasser für Kaffee auf, suche im Schrank nach Keksen. Einen gehäuften Löffel türkischer Kaffee pro Tasse, kochendes Wasser darüber, ich stelle die beiden Tassen auf den Tisch. Schritte sind zu hören, auf einmal steht Ed in der Tür, groß, massig, wilder Bart. Boker tov Julia, schallt es durch den Raum. Er setzt sich, zieht eine Packung Time aus der Brusttasche, zündet sich eine Zigarette an und schlürft geräuschvoll den starken heißen Kaffee. Auch ich nehme einen Schluck, zünde mir eine Zigarette an, es dreht mir fast den Magen um, aber nach ein paar Züge genieße ich es. Wir reden wenig. Das Rauschen der Wasseranlage hat aufgehört. Ed erhebt sich, wir spülen die Tassen und gehen den Gang hinunter zum Melkstand.