Die Zeit in Edinburgh neigt sich unaufhaltsam dem Ende entgegen. Die letzte Woche ist angebrochen und am Freitag geht es erst mal Richtung Brüssel für ein verlängertes Globonauten-Reunion-Wochenende. Und dann mach ich, was ich immer schon mal wollte: Ayurveda in Sri Lanka. Ich bin sehr gespannt und erhoffe mir, neben Erholung, Erkenntnissen, Verjüngung und viel Wärme, endlich die entzündeten Achillessehnen beruhigen zu können. Wollen wir doch mal sehen.
So kurz vor Ende scheint es aber auch der richtige Zeitpunkt zu sein, über ein paar Alltagsbesonderheiten des schönen Schottlands zu berichten. Fangen wir mit dem alleralltäglichsten an, dem Einkaufen.
Die großen Supermärkte scheinen die kleinen Lebensmittelgeschäfte recht erfolgreich verdrängt zu haben. Gemüseläden, Metzger oder selbst Bäcker sind mir nicht in großer Zahl aufgefallen und meine Hoffnung, auf einem Wochenmarkt frische Lebensmittel zu kaufen, haben sich leider auch nicht erfüllt. Der Samstags-Markt in Leith beherbergt genau einen Obst- und Gemüsestand, alle anderen bieten sehr feine, aber eben doch schon fertig zubereitete Leckereien an – am interessantesten das Schotten-Wrap mit einer Füllung aus Haggis, Würsten und Speck. Nein, hab ich nicht probiert, die vegetarische Variante mit Pilzen und roter Zwiebelmarmelade war auch gut. Da der große Tesco bei mir um die Ecke ist und quasi immer geöffnet hat, bietet sich der Einkauf dort ja an. Erschreckend ist nur die Riesenmenge an Plastik, die sie einem mitverkaufen. Obst, Gemüse, Brot, so gut wie alles ist in Plastikschalen verpackt, dazu die Milch in Plastikcontainern, es ist unglaublich und leider fast alternativlos. Die frischen Produkte darin bergen zudem ein Rätsel – das der Haltbarkeit. Als großer Supermarkt täglich beliefert gehe ich davon aus, das Tesco recht frische Ware bietet. Wie kann es dann aber sein, das Kartoffeln, Äpfel und Himbeeren das gleiche Haltbarkeitsdatum tragen? Kartoffeln, die angeblich nur noch drei Tage verzehrfähig sind? Ich lagere sie natürlich länger, schon weil ich kein Kilo Kartoffeln innerhalb von drei Tagen esse, und sie selbstverständlich auch an Tag 5 noch gut sind, aber was soll diese kurze Frist? Ein Apfel schmeckt auch zwei Wochen nach dem Einkauf noch wunderbar, obwohl er offiziell seit 10 Tagen abgelaufen ist. Und die Himbeeren? Ich bin es gewohnt, dass die frischen Himbeerschälchen, die ich auf dem Markt kaufe, schon zuhause das ein oder andere verschimmelte Exemplar enthalten – Himbeeren halt. Die britischen Exemplare sind allerdings in ihrer Plastikverpackung noch am dritten Tag ohne sichtbare Sporen-Spuren. Bestrahlung, kommt einem da doch sofort in den Sinn, aber trotz intensiver Googelei fand ich nichts. Zähe britische Wunderbeeren…
Der ganze Verpackungsmüll muss dann natürlich auch wieder entsorgt werden. Und da begegnet einem das nächste Mysterium: das Mülltonnensystem, falls es ein solches überhaupt gibt. Hier in meinem Viertel steht vor jedem vierten Haus ein dunkler Container für Müll, zugänglich für jeden, und da soll der Restmüll rein – denke ich mal. Ganz schön großes Behältnis dafür. An diversesten Stellen findet man spezielle Tonnen – mal für Papier, mal Biomüll, mal Plastik oder Glas. Wo diese Tonnen stehen, ist ein wenig rätselhaft. Bei mir vor dem Haus ist es ein Biomüll. Der heißt hier „Food Recycling“, iiih. Um die Ecke, versteckt in einem Hauszugang, steht eine Plastiktonne, noch weiter die Straße entlang eine für Glas, und zwar farbenunabhängig. Vor dem Tesco allerdings findet man dann aber Container für grünes, braunes und Weißglas. Wollte man hier wirklich korrekt trennen, müsste man sich mit mehreren Tüten bewaffnet auf einen längeren Spaziergang machen und da verstehe ich jetzt, warum die Tonnen für Restmüll die weitaus größten sind. Keiner scheint Lust auf Müllwanderungen zu haben. Schon im angrenzenden Stadtteil scheint es aber anders gehandhabt zu werden: vor den Häusern haben die Bewohner offene Kisten unterschiedlicher Farben abgestellt, die einen gefüllt mit Papier, die nächsten mit Flaschen usw. Die Kisten sind mit der Hausnummer beschriftet, nix mit allgemein zugänglichen Tonnen. Wie die Müllabfuhr dieses System handelt, ist mir unbegreiflich. Es scheint aber so aufwändig zu sein, dass sie auch sonntags ihre Touren fahren und so findet sich in den Restmülltonnen immer zuverlässig Platz für Dinge, die da eigentlich nicht reingehören.
Und noch was im Dunstkreis des Einkaufens: hier scheint jeder sein eigenes Geld drucken zu können. Dass die Schotten eigene Scheine haben, wusste ich schon. Aber irgendwie sieht es im Geldbeutel immer so aus, als hätte man Währungen aus vielen verschiedenen Ländern drin. Denn nicht nur die Royal Bank of Scotland gibt Scheine heraus – auch die Bank of Scotland und die Clyesdale Bank tun das und so gibt es für jeden Wert vier verschiedene Scheine – ein englischer und drei schottische. Das führt aber wohl auch bei den Schotten selber ab und an zu Verwirrung. Der freundliche Verkäufer im Schuhladen musste erst seine Kollegin fragen, ob mein 20 Pfund-Schein ein echter sei.
Und dann der Verkehr: Dass man hier links fährt, dürfte ja für niemanden eine Überraschung sein. Und so versuchte ich anfangs, auch als Fußgängerin diesem Prinzip zu folgen. Aber nein, hier wird rechts gelaufen. Und natürlich nahm ich auch an, dass es eine entsprechende Regelung „links vor rechts gibt“. Nein, gibt es nicht. Auch nicht „rechts vor links“. Das Prinzip heißt: von wo immer Du kommst, look at me. Gibt es keine Beschilderung, dann muss man sich verständigen. Aber das klappt ganz gut, auch als vermeintlich schwächerer Radfahrer. Die hier sowieso sehr viel mehr Respekt und Vorrang genießen als bei uns. Vor jeder Ampel befindet sich ein breiter Streifen nur für Radfahrer, die bei Rot ganz offiziell an allen Autos vorbeiziehen und exklusiv vor diesen auf Grün warten dürfen. Das wär doch mal was für uns. Die Fußgängerampeln haben, das berichtete ich schon, ja eher symbolischen Charakter. Dafür sind die Radfahrer hier sehr brav, kaum einer überfährt eine rote Ampel und als Verkehrsteilnehmerin, die ernst genommen werden möchte, finde ich das gut. Wären die Hügel und das Kopfsteinpflaster nicht, es wäre ein Radfahrparadies!
Marotten hin oder her, es lässt sich sehr gut leben in Edinburgh. Obwohl, mein Yoga-Lehrer freute sich vorhin schon wieder über den warmen Abend (12 Grad). I don’t understand…
P.S.: Und falls ihr nach Edinburgh kommt und ein eher sportliches Yoga möchtet: ich fühle mich sehr wohl bei Yoga Mix!
Da findet Food Recycling statt und Du wunderst Dich, warum Kartoffeln nur kurz haltbar sind?? Wenn die doch schon mal zubereitet waren, dann nimmt die Haltbarkeit halt ab 😜.
Iiiih…