Während ich mich in der Eingewöhnung in das normale Leben noch übe, ist ein anderer Globonaut, der diese Phase schon hinter sich gelassen hat, wieder aufgebrochen in die Welt. Eric ist in Indien, einem unserer Lieblingsreiseziele. Auf unserer Weltreise haben wir es nicht dort hin geschafft, immer standen andere, noch unbekannte Länder auf dem Plan. Aber Indien bleibt eine große Liebe und so hat er sich am Sonntag zum mittlerweile sechsten Mal in dieses unglaubliche Land aufgemacht. Incredible India, selten ist ein Werbespruch so passend. Ich bin froh, dass er mit Rajasthan ein Ziel gewählt hat, dass wir schon gemeinsam bereist haben, sonst wäre ich wahrscheinlich zu neidisch. Er wird sicherlich noch ein tolles Photoalbum in die GloboPics einstellen. Aber derzeit ist er leider mit etwas ganz anderem vollauf beschäftigt.
Viele Menschen haben großen Respekt vor Indien als Reiseland. Kann ich gut verstehen, hatte ich vor meiner ersten Indienreise auch. Die vielen Menschen, die Armut, die hygienischen Verhältnisse, die komplette Andersartigkeit des Landes und der Gesellschaft gemessen an europäischen Maßstäben – ja, das trifft alles zu. Aber all das macht Indien auch so faszinierend, so wunderbar, dass jede Durchfallerkrankung, jede endlose Fahrt in holprigen Bussen oder langsamen Zügen, jede Distanzlosigkeit der Menschen es wert ist – Indien belohnt mit unglaublichen Eindrücken, phantastischer Architektur und Natur, wunderschönen Menschen und dem leckersten Essen.
Und obwohl auf den ersten Blick alles sehr chaotisch wirkt, irgendwie klappt in Indien dann doch alles – wenn man es nicht mit einer deutschen Fluglinie zu tun bekommt…
Das Drama in einer noch nicht bekannten Zahl von Akten beginnt am späten Sonntag Abend am Flughafen von Delhi, wo Eric nach langem Anstehen an den Einreiseschaltern endlich zum Gepäckband vordringt und seinen Koffer nicht findet. Das Band dreht eine Runde und noch eine und noch eine, aber der Koffer bleibt verschwunden. So etwas kann passieren, wir haben das schon ein paar Mal erlebt, der Koffer hat es nicht ins gleiche Flugzeug geschafft und wird dann meist am nächsten Tag nachgeliefert. Bissle ärgerlich, weil man sich nach einem langen Flug ja auf eine gute Dusche und frische Klamotten freut, aber auszuhalten. In diesen Dingen durchaus erfahren meldet Eric den Verlust am entsprechenden Lufthansa-Schalter im Flughafen, seine Daten werden aufgenommen, er bekommt einen Durchschlag des Formulars mit einer Telefonnummer, bei der er sich erkundigen kann, ein kleines Päckchen mit Waschsachen und ein Polyacryl-T-Shirt. Noch ist er frohen Mutes, nimmt ein Taxi hinein ins nächtliche Delhi und fällt ins Bett. Am nächsten Morgen greift er zum Telefon und ruft die Nummer an, die Lufthansa ihm gegeben hat. Es klingelt ewig, er versucht es ein zweites, ein drittes Mal, niemand nimmt ab. Es ist Feiertag in Indien, Gandhis Geburtstag, nun denn, irgendwann wird schon jemand dran gehen. Denkt er. Er berichtet mit per Mail von dem Ganzen und ich fange – mit einer deutlich besseren Internetverbindung als er – mal an zu recherchieren. Ah, da gibt es ein Portal im Internet, auf das Lufthansa verweist, da kann man den Gang der Suche nach dem verlorenen Gepäckstück nachverfolgen. Gute Idee, denke ich mir. Zur Anmeldung braucht man nur die Vorgangsnummer. Also Eric, dann sag mal, wie die Vorgangsnummer lautet.
Nach vergeblicher Suche schickt er mir ein Photo des Durchschlags, den er am Flughafen erhalten hat. Siehst Du da eine Vorgangsnummer? Ähm, nein. In Delhi geht immer noch keiner ans Telefon, also beschließe ich, es doch mal bei Lufthansa in Deutschland zu versuchen. Immer noch in der Überzeugung, es hier mit einer deutschen Qualitätsairline zu tun zu haben, die sicherlich alles tun wird, um ihre Gäste zufriedenzustellen, suche ich im Internet nach einer Telefonnummer. Das einzige, was ich finde, ist eine Nummer für „Reservierung und Buchungen“. Nun denn, dann versuche ich es doch mal da.
Nach einer schier endlosen Zeit in der Warteschleife (hätte ich wirklich buchen wollen, ich hätte schon lange aufgelegt) komme ich bei einem leicht überfordert wirkenden Mitarbeiter heraus, der mir nicht weiterhelfen kann. Aber er schickt mich in eine neue Warteschleife und keine 10 Minuten später habe ich eine Dame an der Strippe, die zwar auch nichts über das Gepäck sagen kann, mir aber wenigstens die magische Vorgangsnummer gibt. Und Simsalabim bin ich drin, im Gepäcksuchportal. Wer sich das jetzt wie bei Hermes oder bei der Post vorstellt, der liegt leider falsch. Diese auch nicht gerade als Könige des Kundenservice bekannten Unternehmen unterrichten einen doch relativ detailliert, was sie gerade mit der Sendung tun, hier ans Abholzentrum übergeben, da in den Lieferwagen gepackt. Lufthansa hingegen sucht, ganz ausschließlich und stumm und seit mittlerweile drei Tagen. Und ohne Ergebnis. Vermuten wir mal, denn das Portal sagt uns nichts anderes und die Nummer am Flughafen in Delhi, da wird Gandhis Geburtstag wohl immer noch gefeiert.
Eric fühlt sich langsam unwohl. Immer noch die gleichen Klamotten am Körper, leicht aufgerissene Gesichtshaut vom billigen Einwegrasierer aus dem Lufthansa-Pack und langsam steigende Sorge, dass der Koffer mit Kleidung, Schuhen und den Objektiven für seine schönen Photos vielleicht nie mehr auftaucht. Natürlich fragt er sich auch, wie die Reise denn jetzt weitergehen soll – Delhi war ja nur als Zwischenstation ins schöne Rajasthan geplant.
Also versuchen wir es per Mail. Lufthansa, was soll jetzt passieren? Sucht ihr überhaupt, oder seid ihr mit eurem Flughafentelefon abgetaucht? Kann Eric weiter reisen? Ab wann muss er die Hoffnung auf den Koffer aufgeben und sich alle Sachen neu beschaffen? Und zahlt ihr das dann auch?
Lufthansas automatische Eingangsbestätigung braucht eine erstaunliche halbe Stunde. „Aufgrund eines derzeit besonders hohen Eingangsvolumens kann die Bearbeitung Ihrer Anfrage einige Zeit in Anspruch nehmen.“
Jetzt werden wir langsam sauer, diesseits und jenseits des indischen Ozeans. Mittlerweile ist der Feiertag in Deutschland angebrochen und ich kämpfe gegen den Ausbruch einer Erkältung. Also bleibe ich länger im Bett und plane den Widerstand gegen die Servicewüste. Facebook, das könnte doch ein Anfang sein. Ein kurzer Beitrag unter ihrer Werbung und prompt kommt die Antwort: Das tut uns leid mit dem Gepäck, aber wir haben da ein tolles Portal. Ich schreibe zurück, dass wir das schon zur Genüge kennen, es gar nicht so toll finden und einfach gerne einen Ansprechpartner aus Fleisch und Blut hätten. Danach herrscht Funkstille.
Eric bekämpft den Missstand mittlerweile mit einer ausgedehnten Shoppingtour. Die könnte ja eigentlich nett sein, wäre man nicht aus einem völlig anderen Grund in Indien.
Am Abend hat Lufthansa eine neue Werbung auf der Facebookseite, sie schwärmen von den Lofoten. Ein Kommentar darunter lautet: Wann bietet ihr denn endlich einen Flug auf die Lofoten an? Und Lufthansa antwortet: wir arbeiten dran. Was ist denn das für eine neue Marketing-Strategie? Dinge bewerben, die man gar nicht im Angebot hat?? Ich mag auch kommentieren und empfehle ihnen, ihr Geld doch besser in den Service zu stecken. Aber sie mögen mir nicht mehr antworten.
Der gepäcklose Tag drei in Indien bricht an. Eric hat mittlerweile eine indische SIM-Karte erobert und will seine geänderte Telefonnummer dem Portal mitteilen. Geht aber nicht. Das Superportal mag nicht. Eric hat die Schnauze voll und fährt nach Agra. Und da lassen die indischen Götter einen ersten Hoffnungsschimmer auf ihn herabregnen: eine Mail von Lufthansa! Man habe da was gefunden in München. Aber, wie gewonnen so zerronnen, später stellt sich heraus, dass der Koffer in München eine ganz andere Farbe und Marke hat als der schmerzlich vermisste.
Und wie wird die Geschichte weitergehen? Taucht der Kranich wieder ab? Wird Eric seine Tage anders verbringen als Dinge zu kaufen, die er schon lange hat? Wird Lufthansa endlich den Weg auf die Lofoten finden? Bleibt dran und erfahrt, wie Eric auf der Suche nach dem verlorenen Koffer durchs wilde Rajasthan jagt und mit dem stummen Kranich kämpft.
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