Koloniale Architektur zieht mich magisch an. Und Kolonialhotels haben ihren ganz besonderen Reiz für mich. Wo immer in der Welt wir unterwegs waren, haben wir versucht – je nach Geldbeutelinhalt – einen kolonialen Eindruck von außen oder von innen zu bekommen.
Besonders in Asien schaffen sie es wunderbar, den einstigen Glanz wiederzubeleben und eine Atmosphäre zu kreieren, die einen ganz nah an die Zeit vor hundert Jahren heranrücken lässt. Das Raffles Hotel in Singapur ist so ein Ort, wo es nur für einen Singapore Sling im Innenhof gereicht hatte. Im Imperial in Delhi gab es einen High Tea und übernachten durften wir im Oberoi Grand in Kalkutta und im Majapahit in Surabaya, Indonesien. Rajasthan wartete mit Märchenhotels auf, im Galle Fort Hotel in Sri Lanka hatten wir das Glück, in eine riesige Suite upgegradet zu werden. Einige Schätze konnten wir entdecken, bevor die große Reisewelle über sie hinweg brach, so die Villa Santi in Luang Prabang in Laos oder das heutige The Plantation in Pnomh Penh, in dem wir damals noch für 20 Euro übernachtet hatten.
Und da lag es ja nur nahe, in der Kolonialstadt Granada wieder nach so einem Highlight zu suchen. Und eigentlich hatten wir es mit dem Real La Merced auch gefunden. Ein ganz wunderbar restauriertes Haus eines italienisches Kaufmannes, Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut und mit dem damals ersten Swimming Pool versehen. Zweistöckig um einen Innenhof mit eben jenem Pool gruppiert, offene Flure mit schönen Kolonialmöbeln, was will man mehr.
Na, vielleicht ein Fenster im Zimmer, stellten wir fest als wir unseren Raum bezogen, hübsch gemacht, aber nur mit einem Oberlicht über den bestimmt drei Meter hohen Holztüren versehen. Na ja, man kann ja draußen sitzen, genügend Schaukelstühle gibt es dort ja. Aber, eine erste kleine Enttäuschung, zumal wir fünf Nächte lang bleiben und uns mehr als Dämmerlicht im Zimmer gewünscht hätten. Nacht eins war erholsam und lang, ein Spaziergang durch das heiße Granada weckte aber schon die Vorfreude auf unser Hotel mit dem schönen Pool. Reichlich verschwitzt laufen wir dort am frühen Abend ein und fragen am Empfang nach Badehandtüchern. Ja, können wir haben, aber bitte schnell schwimmen, heute Abend fände nämlich eine Hochzeit im Hotel statt. Ah ja. Das wird sich ja dann bestimmt auf ein Essen beschränken, die Zimmer gehen ja alle zum Innenhof, der einzig möglichen Partylocation.
Ich nehme ein herrliches Bad im Pool, kämpfe mich dann zwischen den eintreffenden Gästen hindurch in den ersten Stock zu unserem Zimmer, ziehe mich um und setze mich wieder nach unten. Mittlerweile ist das Brautpaar eingetroffen, es gibt Sekt, Photos werden geschossen und im Hintergrund läuft Musik. Ich beobachte aus der Ferne und wünsche dem Paar in Gedanken alles Gute. Es ist kurz vor acht, da dreht der DJ auf. Das Hotel erzittert und die Party startet. Nach einer halben Stunde rufe ich über Facetime Eric kurz im Zimmer an, vielleicht ist das Hotel ja ein akustisches Wunder und oben nichts zu hören. Die Verbindung kommt zustande, wir sehen uns, können uns aber nicht hören. Also brüllen wir: Ist es oben auch so laut? Was sagst Du? Laut, oben, im Zimmer? Jaa!
Ich packe meine Sachen und gehe auf dem Weg nach oben am Empfang vorbei. Hm, wie sie sich das gedacht haben? Ich dachte, wir hätten in ein Hotel und nicht in eine Diskothek eingecheckt? Don’t worry, it will stop at midnight. Äh, midnight? 12 o’clock? Er reagiert eher, na sagen wir, gelassen.
Hinter mir betreten vier Personen mit großem Gepäck die Lobby. Beim näheren Hinschauen erkenne ich, dass es sich um Musikinstrumente handelt. Zwei große Trommeln und zwei große Trompeten. Ich geh dann mal rauf ins Zimmer.
Ich berichte Eric, dass ich mit dem Rezeptionisten sprach. Kurz darauf wird die Musik leiser. Ja wunderbar, laut ist es zwar immer noch, aber so und mit Ohrstöpseln können wir vielleicht schlafen. Die Musik wird jetzt sogar ausgeblendet. Also, das wäre doch wirklich nicht nötig gewesen! Wir grinsen uns an, da… TÄTÄRÄTÄTÄ – BUMM – BUMM. Die Kapelle marschiert auf, es hört sich an, als würden sie rings um den Pool ihre Runden drehen, damit auch alle was davon haben. Ok, es ist mittlerweile 9 Uhr, da darf man noch feiern. NICHT WAHR, ERIC? brülle ich. Zum Glück ist das Internet ganz gut und so stopfe ich mir die Kopfhörer in die Ohren und gebe mich einem weiteren Tatort hin – in Maximallautstärke. So langsam nähern wir uns Mitternacht. Und – um kurz nach 12 endet das laute Fest. Um in ein ekstatisches Fest überzugehen. Etwa 20 Minuten wird so laut gekreischt, dass wir schon befürchten, die gesamte Gesellschaft sei in den Pool gefallen. Wahrscheinlich waren sie gebeten worden, zum Ende zu kommen und hatten sich kollektiv auf Revolution geeinigt. Irgendwann wird dann auch die Musik wieder voll aufgedreht, aber weil das mit dem Kreischen so schön war, behalten sie es gleich mal bei. Wir versuchen es trotzdem, jetzt geht’s auf eins zu und wir sind definitiv müde. Und der Schlaf kommt dann auch.
Um sechs läutet die Kirche gegenüber Sturm – es ist Sonntag und Erster Mai, da muss man sich doch mal ein bisschen freuen dürfen. Ab acht können wir dann definitiv nicht mehr schlafen und beratschlagen. Bisschen viel, dieses Hotel, für das man europäische Preise im bitterarmen Nicaragua zahlt. Fünf Tage Erholung im kolonialen Ambiente, das war der Plan. Jetzt sitzen wir in einem dunklen Zimmer und gähnen um die Wette. Gut, es ist Mittelamerika, da muss man sich an die Lebensfreude der Menschen anpassen, aber wenn die sich umgekehrt an unsere Preise anpassen, dann wird’s schwierig. Mit dem Meister an der Rezeption muss man ja offensichtlich gar nicht sprechen, dann schreib ich doch mal dem Manager. Wir würden morgen abreisen, wirklich wohl fühlen wir uns nicht, er möge uns doch bitte unser Geld für die noch ausstehenden Nächte zurück geben und ein
Discount auf die vergangene Nacht wäre doch auch nicht schlecht. Gut, ich gebe zu, etwas deutlichere Worte habe ich dann schon formuliert. Und nach einigem Hin und Her findet sich tatsächlich eine gute Lösung – er schenkt uns noch eine Nacht in einem schönen Zimmer mit großem Fenster und Balkon und dann reisen wir ab.
So verbringe ich unseren letzten Abend in Granada auf einem Balkon mit Blick auf die Stadt, genieße dabei ein kühles Bier und denke mir, dass es gut war, dass wir uns beschwert haben. Das tun wir äußerst selten in fernen Ländern, die besserwisserischen Deutschen, das wollen wir jetzt wirklich nicht sein. Beschwert und trotzdem relativ freundlich geblieben, so ist es ok. Und ich hoffe, die Hochzeit hat dem Brautpaar gefallen.
Vielen Dank für deinen Einblick in verschiedene Hotels rund um die Welt. Die Standards sind in anderen Ländern oft anders. Und trotzdem findet man so manche unentdeckte Perle wenn man viel und gern reist.