Wir wollten die Kälte, jetzt haben wir sie. Neun Grad, sagt unsere Wetter-App für heute morgen, und da kochen wir uns doch lieber einen warmen Kaffee und bleiben noch etwas im Bett.
Zu Kanada kamen wir eigentlich nur, weil wir mal wieder bei der Einreise in Costa Rica ein Weiterreiseticket vorzeigen mussten und bei der Suche im Internet einen Billigflug nach Toronto fanden. Unsere Kanadaerfahrungen beschränkten sich bisher bei mir auf eine Nacht an den Niagarafällen Anfang und bei Eric auf ein Wochenende am Eriesee Ende der Achtziger. Aber langsam entwickeln wir eine Vorstellung, was wir hier so erleben können.
Unsere erste Quelle war Mathieu, der im Flugzeug neben uns saß und mit seiner insgesamt siebenköpfigen Familie auf dem Rückweg von Costa Rica in die Heimat war. So ein echter Kanadafan ist er wohl nicht, ja, der Westen sei schön, aber wenn wir im Osten bleiben wollen (wollen wir), dann auf Richtung Montreal! Aber wenn wir die irische Küste gesehen haben, dann wäre die kanadische nicht so spektakulär und wenn wir die europäischen Städte kennen, dann seien die kanadischen auch nicht so interessant. Und vier Tage Toronto (wo er seit 16 Jahren lebt), oh je, da gäbe es überhaupt nichts zu sehen. Wir entlocken ihm dann aber doch einige Tipps, Wale soll es an der Küste geben und nein, wir glauben ihm einfach nicht, dass Kanada nur bereits Bekanntes bereit hält. Zumal er selber in Europa nur Bosnien gesehen hat 🙂
Toronto ist tatsächlich nicht gerade gepflastert mit Sehenswürdigkeiten, dafür aber mit einer recht einmaligen Atmosphäre: Multikulti! Der Taxifahrer, der uns abends um 10 an der einsamen S-Bahn-Station aufliest, ist ein älterer, sehr feiner Herr aus Eritrea, unser Vermieter Alejandro spricht Englisch mit spanischem Akzent, unser erstes Frühstück nehmen wir in einer portugiesischen Bäckerei um die Ecke ein und das Straßenbild prägen Asiaten. Weiße sind hier eher die Minderheit, insgesamt dominiert ein fröhlicher Kulturmix. In der Mädelsclique, die gemeinsam shoppen geht, scheinen alle Ethnien vertreten zu sein, alles mischt sich bunt und gemeinsam sind sie stolze Kanadierinnen und Kanadier. Für uns Außenstehende sieht es nach perfekt gelungener Integration aus, der Wohlstand scheint sich auf alle Rassen zu verteilen und unter den wenigen Obdachlosen, die wir sehen, dominieren eher die Weißen. Wir lesen dann später, dass Toronto die multikulturellste Großstadt der Welt sei und das ist für uns eigentlich fast spannender als Sehenswürdigkeiten aus Stein und Beton. Allzu schön sind die Gebäude in Downtown nicht unbedingt, in den Sechzigern wurde reichlich Beton verbaut und auch das Wahrzeichen Torontos, der Fernsehturm CN Tower, haut uns nicht um.
Kulinarisch hätten wir hier bestimmt die Möglichkeit, mehrfach um die Welt zu reisen, aber ich will „Poutine“ probieren, das mir Mathieu im Flugzeug als die kanadische Spezialität angepriesen hatte: Pommes mit quietischigen Käsestücken und Bratensoße. So populär, dass es selbst bei McDonalds im Angebot ist. Ein wenig Angst hab ich ja schon, aber am zweiten Tag sehe ich einen Stand, der mehrere Varianten im Angebot hat. Als überzeugte Vegetarierin entscheide ich mich für Poutine mit Pulled Pork, fasrig gekochtem Schweinefleisch, und es ist (etwas) besser als gedacht. Aber, allzu häufig muss ich es nicht haben und geschmacklich ist es keine große Überraschung: Pommes, Käse und Soße bleiben Pommes, Käse und Soße.
Das kühle Wetter führt auch dazu, dass wir die Kuschligkeit unseres kleinen Souterrain-Appartments genießen und lange Abende auf dem Sofa verbringen – das hatten wir schon sehr lange nicht mehr. Aber morgen werden wir uns auf die Straße werfen und Toronto Richtung Osten verlassen. Mal sehen, was das ländliche Kanada für uns bereit hält. Mathieu hat uns seinen Mailadresse gegeben, er sei gespannt, ob wir hier wirklich fünf Wochen verbringen. Es gäbe günstige Flüge in die Karibik, das sollten wir in Betracht ziehen. Nein, ich glaube, das wird spannend hier. Und in Bosnien war ich noch nie, also kann hier eigentlich nur Neues auf mich warten.