Die Welt ist doch ein bisschen kleiner als man immer denkt. Morgens um halb acht setze ich mich im immerwarmen Mauritius ins Flugzeug. Über Stunden hinweg sehe ich die Wüste Afrikas unter mir, schaue die ziemlich enttäuschende Verfilmung von „Girl on the train“ und werde dann von einem spektakulären Blick auf die schneebedeckten Alpen begrüßt. Das mit dem Schnee hätte ich Ernst nehmen sollen…
Ich habe noch fast vier Monate Zeit, warum jetzt Deutschland werdet Ihr Euch vielleicht fragen. Bissle Heimweh und weil es gerade gut passte! Meine nächsten Ziele habe ich häufig dadurch gefunden, dass ich geschaut habe, welche günstigen Weiterflüge es gibt. Einfach in der Flugsuchmaschine „Flexibel“ in das Feld „Ziel“ eingeben und schon wird mir der Strauß meiner Möglichkeiten aufgezeigt. La Reunion hatte ich frühzeitig ausgeschlossen, Madagaskar schweren Herzens auch, aber ich bin nicht auf Katastrophentourismus aus. Und dann war da noch Südafrika, tagelang habe ich mit mir gerungen, schon die Löwen und Giraffen des Krüger-Nationalpark vor mir gesehen, dann aber doch einen Rückzieher gemacht. Kein einfaches Land für alleinreisende Frauen, später mal. Und dann war da dieser supergünstige Flug nach Deutschland, warum Eurowings eine Direktverbindung von Mauritius ausgerechnet nach Köln eingerichtet hat, bleibt ein Rätsel, aber der Preis ist unschlagbar.
Am frühen Abend lande ich also im Frühling in Deutschland und alles ist schlagartig so vertraut als sei ich kaum weggewesen. Eric holt mich ab, er und ich haben uns seit November nur über Bildschirme gesehen, aber wir fremdeln kaum. Auf dem Parkplatz will ich zunächst die Fahrertür öffnen – einfach zu lange in linksfahrenden Ländern gewesen. Wir düsen über die Autobahn, überall blüht es, hab ich mir doch eine gute Zeit für einen kurzen Heimaturlaub ausgesucht. Die Pfalz ist unser erstes Ziel, morgen wird Charlotte, Schwester unseres Patenkindes, konfirmiert und das ist doch ein schöner Anlass, die Tropen hinter sich zu lassen. Und der Palmsonntag zeigt sich vorbildlich, die Sonne lacht, wir sitzen im knospenden Garten, der Pfälzer Wein ist lecker und das Essen um so mehr – ein toller Start! Auch Stuttgart ist im Frühlingsrausch, alle wollen die Sonnenstrahlen erhaschen, in den Cafés kann man draußen sitzen, aber ich fröne einem besonderen Hochgenuss: Wäsche waschen. Seit Monaten kamen meine Sachen nicht mehr in den Genuss von Waschgängen, die länger als eine halbe Stunde dauerten. Die ganze Welt scheint amerikanisch zu waschen, kurz, kalt und dafür mit viel Bleichmittel. In Asien kam dann noch die ein oder andere Handwäsche mit dazu, die vielen T-Shirts den Rest gegeben hat. Meine neu gekauften Klamotten dürfen jetzt ihre erste Begegnung mit einem soliden deutschen Buntwaschgang genießen.
Die Tage gehen unglaublich schnell vorbei, hier ein Kaffeetrinken mit einer lieben Freundin, da ein Bummel durch die Fußgängerzone. Besonderen Spaß macht der Großeinkauf im Drogeriemarkt: nirgendwo auf unserer Reise waren Drogerieprodukte so billig wie in Deutschland, das fällt mir jetzt erst auf. Aber der Kulturschock hält sich merkwürdigerweise wirklich in Grenzen, die Leute kommen mir nicht unfreundlich vor, die Stadt sehr vertraut, nur beim Essen muss sich mein Magen erst mal wieder an Vollkorn und Co. gewöhnen. Was mir aber ziemlich deutlich wird:
das Arbeiten rückt näher und ich kann es mir noch nicht richtig vorstellen, jeden Tag von morgens bis abends in einem Büro zu sitzen und das zu tun, was andere mir vorgeben. Das wird eine echte Herausforderung werden und ich versuche, das Thema erst mal zu verdrängen.
Wirklich nett ist es, mal wieder ganz normale Alltagsdinge zu tun: kochen, ja sogar putzen macht Spaß, ein fauler Fernsehabend, Frühstück im Bett, mit dem Fahrrad durch die Stadt fahren. Spaziergänge durch Stuttgarts Weinberge und eine Ausstellung über japanisches Essen salbt die wunden Globonauten-Seelen. Es könnte alles so schön sein, wenn der Himmel nicht mit jedem Tag grauer werden würde. Stell Dir vor, die Zeitung behauptet, es würde schneien in Stuttgart, sage ich am Ostersonntag zu Eric und der lacht „pah, vielleicht irgendwo im Schwarzwald.“.
Jetzt ist er da, der Schnee. Nicht auf dem Feldberg, sondern rund ums Neue Schloss. Ich kann es nicht fassen. Ich hätte meine Vermieterin Guilmette aus Rodrigues her schicken sollen, ihr Traum ist es, einmal Schnee anzufassen. Ich jedoch hasse es. Ich muss hier wieder weg. Dieses Land ist zu kalt für mich. „Sucht oder Flucht“ fragte meine Freundin Kati als ich berichtete, demnächst wieder aufzubrechen. Sucht, antwortete ich tief überzeugt. Das hat sich geändert. Jetzt ist es eindeutig Flucht. Ich habe die Flugsuchmaschine schon wieder mit dem Ziel „Flexibel“ gefüttert und alles unter 25 Grad wird aussortiert. Noch ein paar lustige Abende mit Freunden und dicken Pullovern, dann muss ich unbedingt wieder los!