Stress pur!

03.08.2015
Und jetzt sind wir unterwegs. Die letzten Tage waren so stressig, dass wir kaum dazu kamen, Vorfreude, Wehmut oder Abschiedsschmerz zu empfinden. Die Vorbereitungen haben wir eindeutig unterschätzt. Zwei Wohnungen einzupacken und zwei Existenzen umzuorganisieren war dann doch fast ein bisschen zu viel. Keine Zeit für ein gemütliches letztes Bier in meinem Lieblingsbiergarten in Cannstatt, für ein letztes Telefonat mit Coco oder ein letztes Eis im Pinguin mit Blick über Stuttgart. Eric musste zum Schluss sogar auf seine Wasserpfeife verzichten – und das will was heißen.

Allerdings! Zwei Tage ohne Shisha und das, wo sie noch zum Greifen nahe war.
Aber da ist ja noch viel mehr passiert. Ich bin nämlich fix und fertig. Dauernd dachte man: So, nun ist es doch absehbar mit dem Einpacken und Putzen und Machen und Tun und dann ging es doch noch einmal viel länger. Eigentlich wurde alles immer in letzter Minute fertig. OK, nicht dass ich behaupten könnte, das wäre nicht sowieso mein Arbeitsstil. Aber so heftig hatte ich das eigentlich noch nie.
Gestern, nachdem die Wohnung dann endgültig übergeben war, da ging es eigentlich nur noch darum, unser Gepäck und ein paar wenige wichtige Dinge zu meiner Schwester Nadjia zu bringen. Also buchte ich mir dafür ein car2go und belud es von unten bis oben -war ja doch ein wenig viel für so ’nen Smart.
Als ich dann besonders schlau fahren wollte, wurde ich 300 Meter vor dem Ziel von einer Verkehrsberuhigungsschranke an der Weiterfahrt gehindert und musste wenden. Allein -die Sicht nach hinten war mir durch das Gepäck genommen und plötzlich machte es rums.
Ich war rückwärts gegen ein dort parkendes Auto gefahren.
Ich stieg aus, um die Folgen zu begutachten. Der Smart hatte nichts. Doch das andere Auto, eine betagte blaue Karre, schien deutlichere Spuren davongetragen zu haben. Noch während ich schaute, da schauen andere auch. Erst einer, dann ein zweiter und schließlich ein dritter aus dem Fenster der gegenüberliegenden Erdgeschosswohnung.
Ich ahnte Schlimmes.
Aus dem Haus kam erst einer, dann der zweite und schließlich auch der dritte, der in Shorts und ärmellosen T-Shirts gekleideten Herren. Sehr gesprächig waren sie zunächst nicht. Dafür unterzogen sie das blaue Auto mehreren kritischen Blicken von allen Seiten.
Ich eröffnete das Gespräch und beteuerte, dass mir das natürlich leid täte.
Meine ersten Wunderheilungsversuche, mit magischer Ericspucke die sichtbaren Spuren zu beseitigen, waren sehr erfolgreich verlaufen und so behauptete ich kühn, dass ja gar nichts passiert sei, ich zumindest könne nichts feststellen.
„Komme ma hier. Gucke! Da Delle. In Türe.“
Drei Russen sind die gelassenen Nachbarn.
Ich war beeindruckt von der diagonal verlaufenden Beule. -Aber nur solange ich nicht auf den Gedanken gekommen war, die Türe auf der anderen Seite auf das zufällige Vorhandensein einer gleich verlaufenden Verformung zu untersuchen.
Ha! Das war erfolgreich, denn offenbar handelte es sich um eine optische Raffinesse des Gefährts, auch Design genannt.
Mein Konter saß und das Trio verstummte erneut, sich wieder auf und ab bewegend, das Auto von vorne bis hinten untersuchend. Immer wieder wurde ich zur einen oder anderen Position bestellt und musste in die Knie gehen, um den selben Blickwinkel einzunehmen. „Schaue, da!“ „Wo? Da?“ Ich gehe die Längsseite des Autos entlang, den messerscharfen Blick des Genossen folgend und lande an besagtem Punkt. Ich deute darauf und meine: „Ähm -das ist das Ende der Fahrertüre. Da ist immer ein Knick.“
Aber nein, er meinte etwas weiter hinten.
OK. Da war tatsächlich etwas zu sehen.
Ich eröffnete das Handeln und fragte, was wir denn da tun sollten.
„Na -können rufen Polizei. Aber wissen, dass das viel Aufwand…“
„OK, dann rufen wir die Polizei.“
-Keine Resonanz.
„Ähm -wisst Ihr, wen man da anruft? Tatsächlich die 110?“, sage ich, um zu demonstrieren, dass mir das ja das erste mal passiert…
„Ich auch nicht wisse.“
Gut, 1:1.
„Also: Wie ist das denn. Wie können wir uns denn einigen? 50 Euro? Also ich bin ja ab morgen eh nicht mehr da. Ich gehe nämlich auf Reisen. Und mehr habe ich nicht dabei.“
„100 Euro“ war die Antwort.
„Na ja, also ehrlich -Ihr lasst das doch eh nicht reparieren. Würde ich auch nicht mehr machen bei dem Auto. 50.“
„Nein, 100 ist ok.“ „Dort so viel Platz! Warum Du gewendet hier?“
„Ja, ich konnte nichts nach hinten sehen. Ist ja wahr: Ich bin überladen.“
„Genau! Mit Polizei -viel kompliziert…“
Ein sehr eingängiges Argument. Ich mache einen letzten Anlauf:
„75.“
Sie diskutieren kurz, willigen ein und ich bezahle.
„Ah, Geld noch gefunden?“
„Ähm –ja.“
Wie hätte ich die beiden großen und die zwei kleine Rucksäcke, die Umzugskiste, den vollen Wäschekorb, die zwei großen Pappkartons, ein Zelt und das eine oder andere mehr auch der Polizei verkaufen können?
Ich fahre los und kaum bin ich auf der Hauptstädter Straße überlege ich:
Wer sagt mir eigentlich, dass unter den Dreien tatsächlich auch der Autobesitzer war?
Egal –die Jungs waren wenigstens ganz kooperativ ☺

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