Es ist ja immer riskant, einen Ort wieder zu besuchen, den man beim ersten Mal absolut beeindruckend fand. Erste Begegnungen sind leider unwiederbringlich und das Gefühl, den Sonnenaufgang über dem Mount Bromo auf Java oder nach einer Wanderung durch die Altstadt die Klagemauer in Jerusalem zu sehen, wird sich in der ersten überwältigenden Intensität wohl nie wiederholen lassen. Auf unserer Reise gab es diese Momente zum Beispiel beim ersten Blick auf den Grand Canyon und auf die Weite des pazifischen Ozeans auf der Osa-Halbinsel in Costa Rica. Eine Stadt, die mich in den letzten Jahren auf diese Weise fasziniert hatte, war Lissabon, als ich vor drei Jahren das erste Mal hierher kam. Und meine Befürchtung, dass der Zauber beim zweiten Besuch verpuffen würde, war groß. Aber: Lissabon ist weiterhin großartig!
Der Flug von Toronto über Amsterdam nach Lissabon war indisch: die Desorganisation von Jet Airways ist bemerkenswert und ich fände es durchaus liebenswert, wenn sie nicht auch noch mit ihrer Kühltechnik für eine heftige Erkältung bei mir gesorgt hätten. Nach einer kurzen Nacht (Start um halb acht abends, um halb elf gab es nach langem Warten was zu essen, um halb zwölf, als wir endlich schlafen wollten, folgte ich dem Tross der Passagiere und brachte unsere Tabletts selber zurück in die Bordküche) gab es zum Frühstück ein Stück Kuchen und die Frage, was wir trinken wollen. Kaffee, war unsere Bitte. Later, war ihre Antwort. Nach einer kaffeefreien Stunde kam die Ankündigung des Piloten, dass wir bald landen würden. Nach Koffein lechzend ging ich zu den Stewardessen und scheuchte sie auf – bei ihrem Morgenkaffee. Bitte, zwei mal Kaffee! Na gut, sagte der Steward, und brachte uns zwei weniger als halbvolle Becher (wahrscheinlich das, was die Crew übrig gelassen hatte). Incredible India!
Nach einem langen Aufenthalt am Amsterdamer Flughafen erreichten wir am frühen Nachmittag Lissabon. Es ist Ferienzeit und wir sind eindeutig nicht die einzigen, die Portugal erleben wollen. Wir kaufen erst eine Fahrkarte für den Bus in die Stadt (high frequency, heißt es, der Bus kommt in fünf Minuten), reihen uns auch brav in die Warteschlange ein, entscheiden uns nach einer halben Stunde dann aber, unsere Tickets an andere Reisende weiterzugeben und ein Taxi zu nehmen. Der Fahrer brettert mit uns durch den dichten Verkehr und nach etwa zwanzig Minuten erreichen wir die Innenstadt. Unser Apartment liegt am „Praca da Figueira“ mitten im Zentrum von Lissabon, fünf Stockwerke ohne Aufzug, mit einem sensationellen Blick über die schöne Stadt. Wenig Schlaf und Zeitumstellung lassen und den frühen Abend verdämmern, aber in Lissabon geht das Leben ja sowieso erst ab 10 richtig los. Wir bummeln durch die Straßen und ich finde meinen Lieblingsort für Ginjinha wieder – der wunderbare Kirschlikör, den man eiskalt und randvoll gefüllt für 1,35 Euro kredenzt bekommt und im Stehen vor dem winzigen Ausschank schlürfen kann. Gegen 11 finden wir ein Fischrestaurant und genießen unseren ersten Stockfisch und Oktopus mit wunderbarem Blick auf die Burg von Lissabon. Was für ein schöner Start in diese wunderbare Stadt!
Am nächsten Morgen schlafen wir bis 10, im kleinen Mercado um die Ecke (wenn da nicht die fünf Stockwerke wären…) gibt es alles, was das Herz und der Magen begehrt, und unser Frühstück an der offenen Flügeltür unseres wirklich reizenden Apartments zieht sich zwei Stunden. Und dann los, in die Straßen der Altstadt. Die Sonne brennt vom tiefblauen Himmel, aber der frische Wind vom Tejo macht es trotzdem angenehm. Hinter jeder Ecke finden sich neue wunderbare Orte und ich bin so froh, dass Eric meine Begeisterung teilt.
Am Abend suchen wir nach einem Restaurant, die Fußgängerzonen sind voll mit Touristenkneipen, aber uns zieht es in die Seitenstraßen. Wir schauen auf die Karte einer kleinen Gaststätte und der Kellner spricht uns an. Sie hätten ein tolles Menü und das Essen sei hervorragend. Also setzen wir uns an einen der zwei Tische auf der Straße, eingerahmt von zwei parkenden Autos, und bestellen das Menü. Der Kellner kommt zu uns, so ganz verstehen wir sein Englisch nicht. Er fragt Eric, ob er Photos machen möchte, hier sei nämlich alles irgendwie auch Museum. Eric geht mit ihm rein, ich komme irgendwann hinterher und es stellt sich raus, dass der Kellner aus Nepal kommt. Wir erzählen ihm, dass wir in Nepal waren und es uns so sehr gefallen hat. Die Unterhaltung ist witzig – sein Englisch ist sehr speziell und wir rutschen von einem sprachlichen Missverständnis zum nächsten, haben aber alle viel Spaß dabei. Das Essen, das er zwischendrin serviert, ist eher – tja – interessant. Wahrscheinlich ambitioniert, aber – sorry, ihr freundlichen Menschen – einfach nicht gut. Eric bekommt von Minzlikör grün gefärbten Reis mit gebratenem Lachs und ich einen gewürzlosen Brei aus Stockfisch, Brot und Tomatensoße. Wirklich nicht lecker, aber der nette Kellner macht es wett. Dann kommen seine portugiesische Chefin und der Koch himself, sie wollen wissen, wie es uns geschmeckt hat. Very good, sagen wir schief grinsend, sie sind so nett, was sollen wir sagen? Die Chefin würde sich so gern mit uns unterhalten, aber sie spricht kein englisch und wir leider gar kein portugiesisch. Eric versucht es trotzdem, denn der Nepalese mit dem lustigen Englisch hat ihm erklärt, sie sei eine Sängerin. Oder vielleicht auch was ganz anderes. „You are a singer?“, fragt Eric freundlich. Sie ist etwas pikiert und fragt zurück „Me single?“ Ich kichere vor mich hin, da kommt sie mit ihrem Handy. Der Kellner hat sie in „Google translate“ eingeweiht und jetzt legt sie los. Sie spricht ins Handy und hält mir die Übersetzungen hin. Ihr Vertrauen in Eric hat sie seit der Single-Frage offensichtlich verloren. Sie sprudelt los mit Tipps, was wir uns in Lissabon und Portugal alles anschauen sollen, und meistens verstehe ich auch, was Google mir so übersetzt. Sintra sei toll und Cacais (allein wie sie den Namen des Ortes ausspricht, Cajschcaijsch, macht Lust auf einen Besuch dort) und Fado und und und. Ich muss mindestens noch mal vier Wochen für Portugal einplanen, das hört sich alles so wunderbar an! Sie serviert uns zum Abschied einen hausgemachten Kirschlikör, wir genießen ihn wegen der netten Menschen, aber auch er ist nicht gut. Dieser Ort ist wunderbar, wir würden ihn so gern empfehlen, wenn das Essen nur nicht so schlecht wäre… Sehr beglückt ziehen wir trotzdem von dannen.
Vielleicht schafft es Eric ja noch, einen etwas objektiveren Bericht über Lissabon zu liefern, ihr merkt ja vielleicht, dass ich sehr verklärt bin, aber diese Stadt ist einfach nicht nur einen Besuch wert. Ein ganz schön gelungener Einstieg in den Heimatkontinent!