Wüstensöhne

20160315-Abu-Dhabi-05Größer hätte der Gegensatz kaum sein können. Nach dem Start in Kathmandu blickten wir auf die dunkle Stadt hinunter, um halb sieben abends sind die einzigen Lichtquellen, die man von oben ausmachen kann, die Scheinwerfer der Autos auf den wenigen Hauptverkehrsstraßen der Hauptstadt. Alles andere lag im Dunkeln. Kein Strom für Straßenbeleuchtung und schon gar nicht für die Häuser. Nach einer halben Stunde setzten wir schon wieder zur Landung an – Lucknow in Nordindien war erreicht. Keine normale Zwischenlandung, um Passagiere aussteigen zu lassen und neue aufzunehmen, sondern ein Tankstopp. Wegen der Blockade an der indischen Grenze ist Nepal schon seit einigen Wochen nicht mehr in der Lage, Flugbenzin für ausländische Fluglinien zur Verfügung zu stellen. Also hopsen die Maschinen von Kathmandu über die Grenze und werden in Lucknow betankt. Heftig.

Fünf Stunden später sind wir in einer anderen Welt. Es ist kurz vor elf nachts als wir im hell erleuchteten Abu Dhabi landen. Der Flughafen ist riesig, ultramodern, gut klimatisiert und effizient organisiert, nur eine kurze Schlange an den Einreiseschaltern. Wo sonst uniformierte Grenzbeamte ihren Dienst tun, sitzen hier weiß gekleidete Wüstensöhne und im langen 20160316-Abu-Dhabi-13Gewand und einem Tuch auf dem Kopf, das von einem schwarzen Ring gehalten wird. Die Einreise erfolgt schnell und unproblematisch- bei allen Mitreisenden inklusive Eric. Ich werde gefragt, woher ich denn angereist sei. Kathmandu sage ich, aber das kennt der Wüstensohn nicht. Nepal. Uh, schwierig, er parliert mit seinem Kollegen und bittet mich dann in ein Büro. Dort übergibt er mich einem Kollegen, der wieder mit mir raus zum Einreiseschalter läuft. Er blättert im Pass, tippt auf dem Computer herum, ich schaue ihn fragend an, er lächelt kurz, hat er rausgefunden, dass ich mit dem Pass schon in Israel war? Aber das war Eric auch und der durfte schon vor fünf Minuten einreisen. So langsam werde ich doch etwas nervös, aber da haut er mir plötzlich den Stempel in den Pass und winkt mich durch. Ja fein, jetzt bin ich drin in den Emiraten. Und dann läuft alles wie am Schnürchen, Gepäck, Taxi, Fahrt in die Stadt. Breite Straßen, kein Ruckeln und Holpern, futuristische Hochhäuser und schwupp sind wir schon am Hotel. Das Zimmer ist eine Wohltat und das Badezimmer erst. Wir haben nicht schlecht gewohnt in Nepal, aber die Bettwäsche und Handtücher wurden meist mit der Hand gewaschen und die Bäder waren meist arg in die Jahre gekommen.

20160315-Abu-Dhabi-01Am nächsten Tag erkunden wir Abu Dhabi. Der Reichtum des Emirats springt einem an jeder Ecke entgegen, neben unserem Hotel ist die Porsche-Niederlassung, wahrscheinlich nur eine von vielen, die Straßen sind makellos, die Hochhäuser stylisch und die Malls mit allem ausgestattet, was die Welt so an Luxusmarken bietet. Der Verkehr ist sehr geordnet, an Zebrastreifen wird ordnungsgemäß angehalten, das haben wir
seit Australien nicht mehr erlebt. Die Atmosphäre ist relaxed und ich finde es insgesamt freundlicher als im benachbarten Dubai. Und dann die Luft. Es weht ein angenehmer Wind vom nahen Meer und obwohl hier bestimmt auch eine Menge Sand rumfliegt, kommen wir uns vor wie im Luftkurort. Trotzdem – ich würde Nepal immer vorziehen. Es ist schon alles sehr künstlich hier, so gar nichts Gewachsenes, Historisches, alles 20160315-Abu-Dhabi-11irgendwie seelenlos. Die eigentliche Arbeit scheinen hier vor allem die Ausländer zu tun – wir sehen Bauarbeiter aus Bangladesh, die Nannies von den Philippinen, südindische Reinigungskräfte und die vielen Nepalesen im Flugzeug sind bestimmt nicht zum Urlaubmachen nach Abu Dhabi gekommen. Die Wüstensöhne und ihre schwarz verhüllten Gattinnen scheinen eher durch die Einkaufszentren zu schlendern oder über die breiten Straßen zu cruisen.

Angesichts dieses immensen Reichtums könnte ich jetzt philosophieren über Gerechtigkeit, aber ich würde sowieso keine befriedigende Antwort finden.  Ich stelle nur fest, dass ich es ungeheuer vermisse, nicht an jeder Ecke freundlich gegrüßt zu werden und den Menschen lächelnd in die Augen sehen zu können.

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